Indischer Song könnte Oscar-Geschichte schreiben

„Rohe, frenetische Energie, die auf der Leinwand förmlich explodiert“, so beschreibt die indische Journalistin Reem Khokhar gegenüber BBC Culture den Song, der sich im Vorfeld der Oscars zum Überraschungsfavoriten entwickelt hat. Oder wie der Song im Film selbst angekündigt wird: „Nicht Salsa, nicht Flamenco, mein Bruder. Kennst du Naatu?“

Die Rede ist von dem sagenhaft mitreißenden Song „Naatu Naatu“ aus dem indischen Actionkracher „RRR“, einem aberwitzig überzeichneten antikolonialistischen Film, der im historischen Britisch-Indien spielt. Ein unerschrockener Krieger steht da einem Polizisten der Kolonialherren gegenüber, beide beruhen auf historischen Figuren. Kontext des Films ist der Unabhängigkeitskampf vom Britischen Empire.

Die beiden Helden werden im Verlauf der Handlung zu Verbündeten und entwickeln Superkräfte, passend dazu steht der Filmtitel „RRR“ als Abkürzung für „Rise Roar Revolt“ (dt. etwa „Aufsteigen Brüllen Rebellieren“). Gedreht wurde der Film in der südindischen Sprache Telugu, vermarktet wird er international als Bollywood-Film, obwohl der Begriff strenggenommen nur in Mumbai produzierte Filme meint.

Widerstand zwecklos

Über die Streamingplattform Netflix wurde „RRR“ vor etwa einem Jahr veröffentlicht, in den folgenden Monaten eroberte der Film ein Publikum auf der ganzen Welt. Das geht auch an der diesjährigen Filmpreisesaison nicht spurlos vorüber: Bei den New York Film Critics Circle Awards wurde „RRR“-Regisseur S. S. Rajamouli ausgezeichnet, bei den Golden Globes war „RRR“ als bester internationaler Film nominiert.

Nun gilt „Naatu Naatu“ bei den Oscars als heimlicher Favorit, und das als erster Song aus einem rein indischen Film trotz starker Konkurrenz von Weltstars wie Diane Warren, Lady Gaga und Rihanna. Das liegt vermutlich weniger am Text, „Naatu“ meint im Songtext alles Lokale, Erdige wie den scharfen Biss einer grünen Chili oder einen Trommelschlag, der das Herz schneller schlagen lässt.

Wesentlicher sind der unwiderstehliche Rhythmus und die Choreografie, speziell der „Hakenschritt“, der auf Social Media längst zum Phänomen wurde. Im Film tanzen Menschenmassen bis zur Erschöpfung zu „Naatu Naatu“, es ist jener Moment, in dem Sympathien verhandelt und Fronten geklärt werden. In der Oscar-Nacht könnte es ähnlich laufen, wenn die beiden Sänger Rahul Sipligunj und Kaala Bhairava die Nummer im Dolby Theater live performen.