Parteizentrale der SPÖ
ORF.at/Sonja Ryzienski
Präsidium und Vorstand

Die Optionen der SPÖ

Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) hat zuletzt Steherinnenqualitäten gezeigt, doch ihre Parteiobfrauschaft steht erneut infrage. Nun trifft das Parteipräsidium mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zusammen, auch der Vorstand tagt. So soll die Personalfrage beendet werden. Welche Optionen auf dem Tisch liegen, analysiert die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle im Gespräch mit ORF.at. Egal, was herauskommt, für die SPÖ sei entscheidend, dass danach einmal Ruhe herrscht.

„Es war einer der größten Sündenfälle der Sozialdemokratie der letzten Jahre, einen Obmannwechsel so herbeizuführen“ – das sagte Doskozil im Juni 2019, nach dem holprigen Abgang von Christian Kern. Dieser hatte völlig überraschend seinen Rücktritt verkündet und diesen mit seiner Spitzenkandidatur für die Europawahl verknüpft. Später zog er sich doch gänzlich aus der Politik zurück und schickte seiner Nachfolgerin an der SPÖ-Spitze noch ein „Hoch gewinnen’s das nimmer“ hinterher.

Seither sah sich Rendi-Wagner, die den Parteivorsitz ohne interessierte Gegenkandidatinnen und -kandidaten übernahm, quasi durchgehend mit Kritik aus der eigenen Partei konfrontiert: vom Steirer Max Lercher über den Tiroler Georg Dornauer bis hin zum Burgenländer Doskozil.

Nun ließ Rendi-Wagner selbst eine Präsidiumssitzung samt Vorstand am Mittwoch ansetzen, um die Lage – möglichst endgültig – zu klären. Viele erwarten einen Showdown zwischen ihr und Doskozil. Zu weit eskaliert waren die gegenseitigen Angriffe in den vergangenen Wochen.

Aussprache, Kampfabstimmung, Urabstimmung

Vier Möglichkeiten sah Stainer-Hämmerle für die Sitzungen am Mittwoch: „Die einfachste wäre eine Aussprache und Friedensschließung. Dazu müsste Doskozil sich bereit erklären, die Bundesparteivorsitzende nicht mehr infrage zu stellen.“ Es laufe aber eher auf eine Kampfabstimmung bei einem vorgezogenen Parteitag hinaus.

Gremien am Mittwoch

Im Präsidium sitzen u. a. Vorsitzende, Stellvertreter und Landeschefinnen und -chefs. Derzeit gibt es zehn stimmberechtigte Mitglieder. Parteiführung, aktuelle und grundsätzliche Entscheidungen obliegen dem deutlich größeren Vorstand. Zudem kann der Vorstand im Gegensatz zum Präsidium einen Parteitag beschließen.

Eine Voraussetzung dafür fehle aber: die Deklaration Doskozils, antreten zu wollen. Diese gibt es bis dato nicht. Er regiert mit absoluter Mehrheit im Burgenland und müsste diese Stellung a la longue zurücklassen.

Möglich sei auch eine Urabstimmung unter den Mitgliedern – oder die Malaise der SPÖ wie bisher zu prolongieren, samt Quer- und Rückschüssen. Rendi-Wagner dürfte den Parteitag bevorzugen, unter den Funktionärinnen und Funktionären habe sie im Moment mehr Rückhalt, so Stainer-Hämmerle. Rendi-Wagner hatte auch schon zuvor ihre Bereitschaft signalisiert, den Parteitag von 2024 vorzuziehen und erneut anzutreten.

Beschwichtigung gescheitert

Eine Abstimmung auf einem Parteitag, allerdings ohne Gegenkandidaten, sowie eine Vertrauensabstimmung unter den Mitgliedern hat Rendi-Wagner in den vergangenen Jahren bereits hinter sich gebracht. Und es gab auch schon mehrere Versuche, eine parteiinternen Appeasement-Politik gegenüber Doskozil zu verfolgen, um die Wogen zu glätten. 2019 lud Rendi-Wagner den Landeshauptmann bei einer Parteiveranstaltung zum Duell am Bügelbrett vor laufender Kamera, um Einigkeit und Harmonie zu demonstrieren.

Grafik zu SPÖ-Ergebnissen unter Pamela Rendi-Wagner
Grafik: APA/ORF

Schon 2021 schaukelte sich der Konflikt erneut hoch, es kam unter Vermittlung des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser zu Aussprache. Man habe vereinbart, dass „das Interesse der Partei“ im Mittelpunkt der Arbeit zu stehen habe, so Rendi-Wagner im Anschluss. Von Doskozil kam kein Kommentar.

Doch dauerhaft wollte die Ruhe nicht einkehren. Rendi-Wagner konnte der anhaltenden Kritik nicht mit Wahlerfolgen kontern. Starken Wahlverlusten, darunter mit 21 Prozent bei der Nationalratswahl 2019 das schlechteste der Parteigeschichte, standen nur kleiner Erfolge entgegen. Einzige Ausnahme: das Neunprozentplus bei der burgenländischen Landtagswahl 2020.

Hintergrund Richtungsstreit

Hinter dem Gezerre um die Parteiführung stehe freilich ein Streit um die inhaltliche Ausrichtung, so Stainer-Hämmerle. Während Doskozil für einen strengeren Asylkurs stehe und eine Kooperation mit der FPÖ zur Debatte stellen will, lehnten Rendi-Wagner und ihre Verbündeten diese ab.

Sonderparteitag

Ein außerordentlicher Parteitag kann frühestens zwei Wochen nach dem Antrag des Vorstands stattfinden, spätestens muss er zwei Monate danach abgehalten werden. Das heißt, er würde zwischen Ende März und Mitte Mai in Szene gehen. Die SPÖ könnte einen Termin vor dem 1. Mai anstreben, um Szenen wie 2016, als der damalige Bundeskanzler Werner Faymann am Tag der Arbeit von den Genossen ausgebuht wurde, zu vermeiden.

Deshalb könnte der Streit freilich auch dieses Mal weitergehen. „Sollte Rendi-Wagner ohne Gegenkandidaten antreten, wird man sich in der SPÖ fragen, wozu das Ganze“, so Stainer-Hämmerle. „Auch wenn Doskozil gegen sie antritt und verlieren sollte, heißt das nicht, dass danach Ruhe einkehrt. Bisher haben ihre Versuche, die Lage zu beruhigen, nicht funktioniert. Das würde die Partei aber dann wirklich nachhaltig beschädigen.“

Das Lager um Doskozil würde eine Mitgliederbefragung über die Spitzenkandidatur vorziehen. Denn im Vorstand dürfte Rendi-Wagner eine Mehrheit hinter sich haben. Hier sind etwa Kaiser, der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und Frauenchefin Eva Maria Holzleitner Mitglieder, die sich bereits mehrmals hinter die Parteichefin gestellt hatten.

Der Politologe Anton Pelinka sah daher auch die besseren Karten in Rendi-Wagners Hand. Sie wackle zwar, aber solange Ludwig und seine Landespartei hinter ihr stünden, werde sie nicht verlieren. „Ich gehe davon aus, dass Doskozil zwar Rendi-Wagners schwache Seite aufzeigen kann, aber er kann sie nicht durch eine alternative Mehrheit ersetzen. Das ist wiederum seine schwache Seite“, so Pelinka gegenüber der APA. Rendi-Wagner werde sich – „solange sie selbst nicht die Nerven verliert“ – mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit als Vorsitzende halten können und dann auch in der „Poleposition“ in Bezug auf die Spitzenkandidatur für die Nationalratswahl sein.