Ex-Fußballstar und BBC-Sportmoderator Gary Lineker
Reuters/Henry Nicholls
Wieder auf Sendung

BBC-Kehrtwende in Causa Lineker

Der Streit zwischen der BBC und Star-Fußballmoderator Gary Lineker ist beendet. Wie der öffentlich-rechtliche Sender am Montag mitteilte, werde der englische Ex-Nationalspieler auf den Bildschirm zurückkehren. Die Causa, zu deren Beginn Lineker nach einem regierungskritischen Tweet suspendiert wurde, ließ in Großbritannien und bei der BBC zuvor die Wogen hochgehen.

„Gary ist ein geschätzter Teil der BBC, und ich weiß, wie viel die BBC für Gary bedeutet, und ich freue mich darauf, dass er am kommenden Wochenende unsere Berichterstattung präsentiert“, sagte BBC-Generaldirektor Tim Davie. Er kündigte eine unabhängige Untersuchung der Social-Media-Vorschriften an.

Lineker zeigte sich zufrieden. Er freue sich, auf Sendung zurückzukehren. „Nach ein paar unwirklichen Tagen bin ich sehr froh, dass wir einen Weg gefunden haben, diese Situation zu überwinden“, so der 62-Jährige, der sich via Twitter auch bei seinen BBC-Kolleginnen und -Kollegen für „die bemerkenswerte Solidaritätsbekundung“ bedankte. „Fußball ist ein Mannschaftssport, aber ihre Unterstützung war überwältigend“, so Lineker, der gleichzeitig ankündigte, auch weiterhin seine Meinung äußern zu wollen.

„Meuterei bei der BBC“

Der ehemalige Stürmer der englischen Nationalmannschaft, der seit 1999 die Fußballsendung moderiert, wurde suspendiert, nachdem er am Dienstag den neuen Gesetzesentwurf der konservativen Regierung zum Asylrecht kritisiert hatte. Der Entwurf untersagt es allen ohne Visa oder sonstige Erlaubnis eingereisten Menschen, in Großbritannien Asyl zu beantragen.

Die Rhetorik der konservativen Regierung sei „der von Deutschland in den 1930er Jahren nicht unähnlich“, wie Lineker via Twitter mitteilte. Die BBC wertete das als Verstoß gegen ihre strikten Neutralitätsregeln und suspendierte den beliebten Moderator. Daraufhin verweigerten mehrere Moderatoren und Kommentatoren ihrerseits die Arbeit, in der sonst von Lineker geleiteten Flaggschiffsendung „Match of the Day“ wurden lediglich Spielszenen ohne Kommentar gezeigt.

YouGov-Umfrage: Klare Mehrheit hinter Lineker

„Aufstand für Lineker“, „Meuterei bei der BBC“ – die Ankündigung der vorübergehenden Suspendierung des Moderators sorgte für einen wohl beispiellosen Aufschrei und verdrängte am Wochenende etwa auch den Besuch des britischen Premiers Rishi Sunak in Paris weitgehend von den Titelseiten der britischen Zeitungen. Auch Sunak meldete sich in der Causa zu Wort und äußerte die Hoffnung, dass die „aktuelle Situation zwischen Gary Lineker und der BBC zeitnah gelöst werden kann“.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov stellte sich eine klare Mehrheit hinter Lineker. Auch prominente rechtskonservative Stimmen hatten kritisiert, die Suspendierung stelle eine unzulässige Einmischung in die Meinungsfreiheit dar.

Entschuldigung verweigert

Kritik an Linekers Tweet kam von Innenministerin Suella Braverman. Diese warf Lineker vor, mit seinem Tweet die Nazi-Diktatur zu verharmlosen. Laut „Daily Express“ forderten 36 konservative Abgeordnete in einem Brief an BBC-Chef Davie eine Entschuldigung des Moderators – doch Lineker verweigerte das.

Ein Manchester-City-Fan hält im Stadion ein Transparent mit der Aufschrift „Gary Lineker for Prime Minister“
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Die Causa Lineker war am Wochende auch in den britischen Stadien präsent

Davie entschuldigte sich am Sonntag für die wegen der Causa eingeschränkte Fußballberichterstattung – aber nicht für die Suspendierung Linekers. Es gehe darum, die richtige Balance zu finden zwischen Pressefreiheit und Neutralität, sagte der für redaktionelle Inhalte zuständige BBC-Chef. Es gehe dabei nicht um politische Richtungen, betonte der frühere konservative Politiker. Einen Rücktritt schloss er aus.

Am Montag räumte Davie dann aber eine „potenzielle Verwirrung“ ein, die „durch die Grauzonen in den Richtlinien der BBC“ für Onlinenetzwerke verursacht worden sei. „Unparteilichkeit ist der BBC wichtig.“ Angesichts von verschiedenen Verträgen und Aufgaben in den Sendungen mit unterschiedlichem Publikum und Social-Media-Profilen sei das „ein schwieriger Balanceakt“.

Zweifel an Durchsetzbarkeit von Asylgesetz

Das geplante neue Asylgesetz der konservativen britischen Regierung lässt schon seit Tagen die Wogen hochgehen. Das Gesetz käme einem Asylverbot gleich, sagte etwa das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR). Britische NGOs stoßen in das gleiche Horn. Großbritannien stehle sich aus der Verantwortung Flüchtlingen gegenüber, monierte Amnesty. Die oppositionelle Labour-Partei bezweifelt, dass das Gesetz überhaupt rechtlich bestehen wird. Es könnte Menschenrechten widersprechen – wie auch die Tory-Regierung selbst sagte.

Das Gesetz sieht vor, fast alle Migrantinnen und Migranten, die ohne offizielle Erlaubnis einreisen, zunächst in Unterkünften wie früheren Militärbasen und Studierendenheimen festzuhalten. Danach sollen sie „in ein sicheres Drittland wie Ruanda“ abgeschoben oder in andere Staaten ausgewiesen werden. Das Recht, Asyl zu beantragen bzw. später eine britische Staatsbürgerschaft, soll ihnen entzogen werden. Außerdem soll die Möglichkeit eingeschränkt werden, Berufung gegen eine Abschiebung einzulegen. Ferner soll es eine Obergrenze für Flüchtlinge geben, die auf legale Weise ins Land kommen.

BBC-Zentrale in London
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Fachleute sehen in der Dauerkritik der Torys an der BBC den Versuch, dessen Unabhängigkeit zu brechen

Die BBC indessen steht schon seit Jahren unter dem Druck der Brexit-Anhänger und Rechtspopulisten in der konservativen Tory-Partei. Deren Darstellung nach ist die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt durchsetzt mit linkslastigen Journalisten, die eine urbane Elite repräsentierten. Aktionen wie im Fall Linekers wirken da wie vorauseilender Gehorsam der BBC, um derartige Kritik zu umgehen.

„BBC hat ihre Glaubwürdigkeit untergraben“

Es ist nur die jüngste in einer langen Reihe von Auseinandersetzungen, bei der Topjournalisten der BBC den Rücken kehrten. Hinzu kam immer wieder die Drohung der Regierung, die Rundfunkbeiträge abzuschaffen. Ein Einfrieren der Beiträge führte bereits zu schmerzhaften Sparrunden.

Im aktuellen Streit um die Lineker-Suspendierung stellte auch der frühere BBC-Generaldirektor Greg Dyke der Anstalt ein schlechtes Zeugnis aus. „Das wirkliche Problem heute ist, dass die BBC ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben hat, indem sie das getan hat. Weil es von außen so aussieht, als habe sie sich dem Druck der Regierung gebeugt“, sagte Dyke dem Radiosender BBC 4.

Britischer Premier Rishi Sunak
Reuters
Sunak wollte die Regierung in dem BBC-Disput aus dem Spiel lassen – dabei wurde er erst durch sie ausgelöst

Nach Ansicht mancher Kritiker ist die BBC ohnehin längst im Griff der Regierungssympathisanten. So hatte es etwa keine Konsequenzen, als enthüllt wurde, dass der aktuelle BBC-Vorsitzende Richard Sharp dem bei seiner Einstellung amtierenden Premierminister Boris Johnson einen Privatkredit verschafft hatte – ohne das als Interessenkonflikt anzugeben.

Premierminister Sunak versuchte am Samstagabend, die Regierung aus der Schusslinie zu bringen. Es handle sich um eine Angelegenheit zwischen Lineker und der BBC, die „hoffentlich zeitnah beigelegt werden kann“, ließ er mitteilen. Die Regierung spiele dabei keine Rolle, betonte er. Seine Asylpolitik verteidigte Sunak. Es gehe darum, die gefährlichen Überfahrten mit kleinen Booten im Ärmelkanal zu stoppen. „Das ist nicht nur fair und moralisch richtig, sondern auch mitmenschlich das Richtige“, sagte Sunak.