Katja Krasavice
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Zucker für die Massen

Influencer-Hype mit ernsten Folgen

Was einst Red Bull, Monster und Club-Mate gewesen ist, hat heutzutage klingende Namen wie BraTee, Dirtea, Sugar Mami und Prime. Die Verkaufszahlen der Energy- und Softdrinks gehen durch die Decke, kommen sie neu auf den Markt, werden Supermärkte gestürmt. Vor allem Jugendliche und Kinder dürsten nach den picksüßen Zuckerlsäften mit Geschmacksrichtungen wie „Candyshop“ und „Cherry Lollipop“. Angetrieben wird der Hype von Influencerinnen und Influencern, die längst ihre eigenen Getränkeprodukte vertreiben. Doch nun wird die Kritik an ihnen immer lauter. Ihr Handeln sei „verantwortungslos“, schließlich seien die gesundheitlichen Folgen der Getränke nicht zu unterschätzen, so der Tenor.

„Bratans, Bratinas & Bratuchas – zerfetzt die Kommentare & lasst uns zeigen, welche Community die krasseste ist.“ Mit diesem Satz und dem stilistisch dazu passenden Imagevideo feierte der Rapper CapitalBra kürzlich das zweijährige Bestehen seines BraTees – 80 Millionen verkaufte „Einheiten“ soll es in dieser Zeit gegeben haben. Auch hierzulande war das Getränk zu Beginn innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

CapitalBra war damals wohl der Erste, der die Szene aufmischte und dem es gelang, aus Eistee – nicht mehr ganz so Junge mögen es Zuckerlwasser nennen – ein neues Statussymbol für Jugendliche zu machen. Seinem Beispiel sind seitdem Unzählige gefolgt. Zu den Bekanntesten zählen unter anderen die Rapperin Shirin David, die mit ihrem DirTea – glaubt man dem Werbeslogan – „juicy-Fantasien ins Eisteeregal“ bringt, Rapperin Katja Krasavice mit Sugar Mami und die Sportler Logan Paul und KSI mit Prime.

„Etwas Seltsames ist im Gange“

„In der Welt der Energy-Drinks ist etwas Seltsames im Gange“, schrieb kürzlich auch der „Guardian“. Zwar gebe es Energy-Drinks, die angeblich die Potenz und Produktivität steigern sollen, in der einen oder anderen Form schon seit den 1940er Jahren. „Aber nie zuvor waren sie ein so intensives und häufig gekauftes Objekt der Begierde.“ Zurückzuführen sei das auf das gekonnte Marketing von Influencern und Influencerinnen.

Ähnlich äußerte sich die „Financial Times“ („FT“). Das PR-Konzept, dass Testimonials Produkte vermarkten, ist ein altes, doch die Beziehung des jüngeren Publikums zu Influencern und deren Produkten unterscheide sich stark von allem bisher Dagewesenen: „Influencer, die auf die Jugendlichen von heute abzielen, verkaufen an ein anspruchsvolles Publikum, das sich auf den Online-Hype einlässt“ – mit teils extremen Reaktionen auf die Produkte.

So sei es den beiden Berichten zufolge bei der Markteinführung von Prime zu langen Warteschlangen vor den Supermärkten gekommen, Jugendliche hätten sich um die Flaschen geprügelt oder hätten diese unter der Hand um ein Vielfaches des Ursprungspreises weiterverkauft. „Laut (Logan, Anm.) Paul haben die Getränke im Jahr 2022 einen Umsatz von 250 Mio. Dollar und allein im Jänner dieses Jahres 40 Mio. Dollar erzielt“, so die „FT“.

Logan Paul und KSI
AP/Scott Garfitt
Logan Paul und KSI mit Prime

Debatte über gesundheitliche Folgen neu entfacht

Mit dem Boom der zuckerhaltigen Getränke nimmt auch eine alte Debatte wieder an Fahrt auf: nämlich die, über deren gesundheitliche Nebenwirkungen. Die Liste der gesundheitsschädigenden Folgen ist bekannt und lang – sie reicht von Übergewicht bis Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis zu Karies.

Auswirkungen gebe es Studien zufolge aber auch auf die psychische Gesundheit: Menschen, die regelmäßig viele Energy-Drinks konsumieren, würden unter einem höheren Maß an Angst und Stress leiden, so der „Guardian“ über die zitierten Studien.

Mehr Zucker, mehr Koffein

„Was ihre Funktion anbelangt, so waren diese Getränke im Grunde schon immer legale Aufputschmittel“, ist dort weiterzulesen. Ein Blick auf die Rückseite der farbenfrohen Flaschen und Dosen zeigt aber, dass die Getränke heutzutage nicht nur oft überdurchschnittlich viel Zucker, sondern auch mehr Koffein als gewöhnlich enthalten.

In Prime Energy etwa ist mit 200 Milligramm der Koffeingehalt doppelt so hoch wie bei Red Bull. Und wer eine Dose DirTea trinkt, hat damit schon fast die von der WHO empfohlenen 50 Gramm Zucker pro Tag erreicht. Das sind in etwa zehn Teelöffel bzw. 14 Stück Würfelzucker.

Katja Krasavice vor Fans in Leipzig
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Jung und durstig: Krasavice-Fans lechzen nach Sugar Mami

Kinder als Kunden

Natürlich, auch in Cola und Co. steckt viel Zucker. Doch im Gegensatz zu großen Werbekampagnen, die sich mehr oder weniger an die Allgemeinheit richten, sprechen Influencer und Influencerinnen auf ihren Plattformen gezielt sehr junge Zielgruppen an, neben Jugendlichen teilweise auch Kinder. Wie Verkaufszahlen belegen: mit Erfolg.

Das führt zu Kritik – sowohl von Verbraucherorganisationen als auch aus der Szene selbst. Foodwatch etwa fordert, Kinder vor Junkfood-Werbung zu schützen: „Die Lebensmittelindustrie werbe mit beliebten Social-Media-Influencern, Comicfiguren und TV-Spots vor allem für ungesunde Zucker- und Fettbomben. Die Folge: Kinder und Jugendliche äßen zu viel Süßigkeiten und Snacks und zu wenig Obst und Gemüse“, heißt es dazu auf der Website.

„Schamlos“

Auf dem deutschen YouTube-Kanal „Simplicissimus“ wird explizit die Marketingtaktik von Krasavice kritisch analysiert. Die Influencerin hätte zwar wiederholt betont, wie sehr ihr das Wohlergehen von Kindern am Herzen liege, doch gerade mit der Vermarktung ihres Getränks Sugar Mami beweise sie genau das Gegenteil.

Ihre Zielgruppe, zu einem großen Teil sozial benachteiligte Kinder, würden sich viel häufiger ungesund ernähren und zuckerhaltige Getränke konsumieren als Kinder aus sozioökonomisch stärkeren Familien. Das führe dazu, dass gerade diese Kinder vermehrt mit Übergewicht zu kämpfen hätten. Doch „Sugar Mami ist nur ein Auswuchs eines größeren Trends, bei dem bekannte Persönlichkeiten schamlos Zucker an junge Fans vermarkten“, heißt es in dem Beitrag.

Ähnlich äußerte sich YouTuberin Alicia Joe: Dass Krasavice ihre millionenstarke Reichweite dafür nutze, Kindern Zuckerbomben zu verkaufen, sei verantwortungslos. Und was sagt Krasavice selbst dazu? Auf die Frage eines Fans, ob ihre Drinks zuckerfrei seien, antwortete sie: "Nein, Bae (in etwa „Freundin", Anm.). Wenn du zuckerfrei willst, kauf dir ein Wasser. Wir sind hier bei Sugar Mami.“