Hauptsitz der Silicon Valley Bank (SVB) in Santa Clara (US-Bundesstaat Kalifornien)
Reuters/Nathan Frandino
Nach US-Bankenpleite

EZB & Co. ohne Sorge vor neuer Finanzkrise

Die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA hat zwar auch in Europa für Nervosität gesorgt, eine globale Finanzkrise wie 2008 fürchtet man aber offenbar nicht. Die Europäische Zentralbank (EZB) plane momentan kein Notfalltreffen, hieß es am Montag. Fachleute sehen in der SVB-Pleite eine gänzlich andere Situation als damals, einen Dominoeffekt könnte es dennoch geben – mit Auswirkungen auf die Tech-Branche.

Wie ein hochrangiger Insider am Montag der Nachrichtenagentur Reuters sagte, sei von der EZB momentan kein Notfalltreffen des Aufsichtsgremiums geplant. Der Zusammenbruch der US-Bank habe keine direkten Folgen für die Geldhäuser im Euro-Raum, hieß es.

Sorgen wegen der Folgen des SVB-Zusammenbruchs hatten die Finanzaktien an den europäischen Börsen am Montag dennoch belastet. Der europäische Bankaktienindex fiel zeitweise um 4,7 Prozent. Der Index der Finanzdienstleistungsunternehmen büßte bis zu 3,3 Prozent ein. Der heimische Leitindex ATX notierte gegen Mittag mit einem Minus von 3,86 Prozent bei 3.312,67 Punkten.

Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt (Deutschland)
APA/AFP/Daniel Roland
Die EZB sieht momentan keinen Grund zur Panik

In Frankfurt ordnete die deutsche Finanzaufsicht BaFin ein Moratorium über die deutsche Zweigstelle der SVB an, um die Vermögenswerte für die Gläubiger zu sichern. „Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar“, betonten jedoch die Aufseher. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sieht für Europa keine „reale Gefahr einer Ansteckung“. Die Situation müsse aber weiter beobachtet werden, sagte er in Brüssel vor dem monatlichen Treffen der Euro-Gruppe.

SVB-Kollaps nicht mit 2008 vergleichbar

Auch heimische Fachleute beruhigten am Montag – die Situation sei nicht mit 2008 vergleichbar, so der Tenor. „Die SVB ist ein Spezialinstitut, das sich primär dem Wagniskapital verschrieben hat“, sagte Finanzmarktexperte Peter Brezinschek am Montag zur APA. Mit einer Einlagesumme von ursprünglich insgesamt 212 Mrd. US-Dollar sei die SVB zwar ein großes Institut, aufgrund ihrer Spezialisierung auf Start-up-Finanzierung gehe von der Pleite aber nicht das gleiche Risiko aus wie von der Lehman-Pleite 2008, so Brezinschek.

Lehman war laut dem ehemaligen Raiffeisen-Chefanalysten wesentlich stärker international und über verschiedene Sektoren hinweg vernetzt und hatte auch mit allen europäischen Banken Kreditlinien und Geschäftsbeziehungen. Die SVB sei hingegen „keine systemrelevante Bank“, so Brezinschek.

Auch die Börsenexpertin und Vizepräsidentin der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft, Monika Rosen, fand im Ö1-Mittagsjournal beschwichtigende Worte. „Ich würde die Auswirkungen auf die kontinentaleuropäische Branche als sehr überschaubar einschätzen“, sagte Rosen.

„Insolvenzkaskade“ in Tech-Branche denkbar

Es habe bei Lehman ein „weltweites Netzwerk von Verbindlichkeiten und Forderungen gegeben, wodurch sich der Zusammenbruch dann in jede Ecke des Finanzsystems übertragen“ habe, sagte Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zur APA. Die SVB sei hingegen „lokal operativ“, die einzige internationale Verflechtung sei die britische Tochter der SVB, die bereits von der britischen Großbank HSBC übernommen wurde.

Von der SVB-Pleite betroffen seien vor allem Start-ups im Silicon Valley. Dort sei die Bank allerdings relativ bedeutend. „Sehr viele Start-ups im Silicon Valley haben ihre Bankkonten, ihre Girokonten bei der SVB“, sagte Url. Für rund die Hälfte der Start-ups im Silicon Valley bedeute das, dass sie derzeit nicht auf ihre liquiden Mittel zugreifen können, etwa um Löhne auszuzahlen.

Url sieht deshalb die Gefahr einer „Insolvenzkaskade“, bei der die Pleite der Bank auf die betroffenen Start-ups überschwappt. Auch Brezinschek kann sich einen „Dominoeffekt“ vorstellen, allerdings nur innerhalb der Tech-Branche.

Biden will Bankenregeln verschärfen

Die Regeln für US-Banken sollen US-Präsident Joe Biden zufolge nun verschärft werden. Er wolle den Kongress und die Aufsichtsbehörden darum bitten, sagte Biden am Montag. Es müsse vermieden werden, dass so etwas noch einmal passiere. Die US-Regierung habe schnell reagiert.

„Die Amerikaner können sich darauf verlassen, dass das Bankensystem sicher ist“, sagte Biden bei seiner kurzen Ansprache in Washington. Kundinnen und Kunden, die ihr Geld bei den über das Wochenende geschlossenen Geldhäusern Silicon Valley Bank und Signature Bank angelegt hatten, seien geschützt und hätten ab heute Zugang zu ihren Ersparnissen, sagte Biden. Das gelte auch für kleine Betriebe.

US-Notenbank kündigt neues Kreditprogramm an

Die auf die Finanzierung von jungen Technologiefirmen spezialisierte SVB war in Schieflage geraten, weil sie hohe Summen in langlaufenden US-Staatsanleihen angelegt hatte. Deren Kurse sind durch die Zinserhöhungen der Notenbanken aber deutlich gesunken. Zur Auszahlung von Kundengeldern musste die SVB Anleihen verkaufen und Milliardenverluste in Kauf nehmen. Eine Kapitalerhöhung zur Bilanzstärkung scheiterte. Kunden zogen Milliarden bei der Bank ab, die schließlich geschlossen wurde.

Hinweis auf geschlossener Filiale der SVB
Reuters/Krystal Hu
Regierung, Notenbank und US-Einlagensicherung greifen den SVB-Kundinnen und -Kunden unter die Arme

Auch die in New York ansässige Signature Bank wurde geschlossen. In den USA will die US-Notenbank Fed mit einem neuen Kreditprogramm der Gefahr einer größeren Finanzkrise entgegenwirken. Die Banken sollen mit der neu geschaffenen Kreditlinie „Bank Term Funding Program“ (BTFP) auch in Zeiten von Marktstress ausreichend Liquidität erhalten.

US-Banken rutschten weiter ab

Die Nervosität spiegelte sich auch auf dem US-Aktienmarkt wider. US-Bankaktien setzten ihre Talfahrt am Montag fort, die Papiere einiger kleinerer Geldhäuser brachen um mehr als 50 Prozent ein. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte zur Eröffnung 0,3 Prozent tiefer. Der breiter gefasste S&P 500 verlor 0,7 Prozent. Auch der Index der Technologiebörse NASDAQ lag um 0,9 Prozent tiefer.

US-Regierung will Einlagen sichern

Zuvor war die US-Regierung eingeschritten und hatte eine Absicherung alle Einlagen bei der SVB angekündigt. Alle Einlegerinnen und Einleger würden vollständig geschützt und könnten ab Montag auf ihr gesamtes Geld zugreifen, teilten Finanzministerin Janet Yellen, Notenbankchef Jerome Powell und die US-Einlagensicherung (FDIC) Sonntagabend mit.

Bei den nun beschlossenen Schritten handle es sich um wichtige Maßnahmen zum Schutz der US-Wirtschaft, indem das öffentliche Vertrauen in das amerikanische Bankensystem gestärkt werde. Steuerzahlende würden „keine Verluste im Zusammenhang mit der Abwicklung der Silicon Valley Bank tragen müssen“, hieß es weiter. Das gelte auch für die Signature Bank.