Nehammer nach Rede: Keine Spitzen „gegen Grüne“

Die Rede „Zur Zukunft der Nation – Österreich 2030“ von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer hat einmal mehr die Differenzen innerhalb der Regierungskoalition offengelegt. In einem Hintergrundgespräch wollte Nehammer allerdings nichts von Spitzen gegen die Grünen wissen. „Wenn wir uns politisch matchen, dann sind nicht die Grünen mein strategisches Ziel“, hielt er gestern fest.

Er habe mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ein langes Gespräch geführt, berichtete der Kanzler, der am vergangenen Freitag seine Rede hielt. Eingeladen und organisiert wurde die Veranstaltung von der ÖVP. Unter den Anwesenden waren ranghohe ÖVP-Politiker und -Politikerinnen sowie Vertreter und Vertreterinnen diverser Organisationen.

„Meine Vision geht bis 2030“

Vieles aus seiner Rede seien gemeinsame Zielsetzungen und keine Konfliktthemen, sagte Nehammer. Tatsächlich stehen jene Ziele, die der Kanzler in seiner Zukunftsrede konkretisierte, im ÖVP-Grünen-Regierungsprogramm. So soll Programmieren stärker im Unterricht integriert werden, die Gebühren für Meisterprüfungen sollen fallen, die Wohnbauförderung soll zweckgewidmet und die Abgabenquote auf 40 Prozent reduziert werden.

Freilich hatten die Grünen nach einer Art Schockstarre mit Ablehnung auf Nehammers Aussagen in der Sozialpolitik reagiert. Die Halbierung der Sozialleistungen für Ausländer und Ausländerinnen in den ersten fünf Jahren und eine größere Differenz zwischen Einkommen aus Arbeit und Sozialleistungen seien durchaus Themen, die über diese Regierung hinausgehen, räumte Nehammer ein.

Er habe die Rede bis 2030 angelegt und nicht für diese Legislaturperiode, betonte er. „Meine Vision geht bis 2030.“ Trotzdem soll er laut „Presse" ÖVP-Minister Martin Kocher und Ministerin Susanne Raab“ bereits damit „beauftragt“ haben, „einmal entsprechende Pläne auszuarbeiten“. Im Regierungsprogramm ist davon jedenfalls keine Rede.

Rauch: Nehammer-Vorschlag „nicht durchdacht“

Die Grünen haben sich bereits ablehnend zu der Halbierung von Sozialleistungen gezeigt. „Ich halte den Vorschlag für nicht durchdacht“, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) gegenüber dem ORF in Brüssel. Seiner Einschätzung nach seien die Vorschläge Nehammers in weiten Teilen „entweder verfassungswidrig oder europarechtswidrig“.

Österreich befinde sich zudem in einer Situation, in der „jede einzelne Arbeitskraft aus dem Ausland“ gebraucht werde, so Rauch. „Sozialstaatliche Leistungen, die über Jahrzehnte errungen worden sind, sind keine soziale Hängematte“, sagte Rauch auch. „Sie sind eine Garantie dafür, dass wir sozialen Frieden im Land haben, dass die Menschen die Hilfe bekommen, die sie wirklich brauchen.“

Der Kanzler ist trotz der Differenzen mit den Grünen der Meinung, dass die aktuelle Koalition mit den Grünen bis 2024 halten wird. „Das war immer mein Ziel“, sagte er. Dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, sei klar.

Nehammer: Inhaltlich keine Unterschiede beim Klimaschutz

Für Entsetzen bei Umweltschutzorganisationen sorgten allerdings vielmehr Nehammers Aussagen zur Klimapolitik. Am Freitag hatte er gefordert, man müsse der „Untergangsapokalypse“ der Klimaaktivisten und -aktivistinnen entgegentreten, außerdem sprach er sich dagegen aus, den Verbrennungsmotor „zu verbannen“. Die Grünen hatten mit Verspätung mit Kritik auf die Aussagen reagiert.

Den Verbrennungsmotor ad acta zu legen, wäre ein „Fehler“, denn dann würde man einen „Know-how-Vorsprung“ aufgeben und sich in neue Abhängigkeiten begeben, verteidigte Nehammer seine Pläne. Schon heute sei die Abhängigkeit von China als Produzent von Solarpaneelen ein großes Problem. „Inhaltlich unterscheidet uns das Ziel des Klimaschutzes nicht“, nur der Weg dahin, meinte Nehammer. Für ihn liege die Lösung in Innovation und Fortschritt.

Fachleute sowie Kommentatorinnen und Kommentatoren haben die Rede Nehammers als eine Art Abkehr von der ÖVP-Grünen-Regierung gelesen. Nehammer wolle sich mit konservativen Themen innerparteilich wieder stärker positionieren. FPÖ-Chef Herbert Kickl sah in den neuen Aussagen von Nehammer einen „Kniefall vor dem Koalitionspartner“.