Silicon-Valley-Bank-Hauptquartier
Reuters/Brittany Hosea-Small
„Bankensystem sicher“

Biden nach Pleiten für strengere Regeln

Nach den Pleiten der Silicon Valley Bank (SVB) und der Signature Bank hat US-Präsident Joe Biden am Montag in erster Linie beschwichtigt: „Die Amerikaner können beruhigt sein, das Bankensystem ist sicher. Ihre Einlagen sind sicher“, so Biden. Gleichzeitig forderte er strengere Regeln, um derartige Pleiten künftig abzufangen. Spuren hinterließen die Ereignisse am Montag nicht nur an den US-Börsen.

Kundinnen und Kunden der betroffenen Institute hätten noch am Montag Zugriff auf ihre Ersparnisse, so Biden. Das gelte auch für kleine Betriebe. Die Kosten für die Einlagensicherung sollen dabei nicht die Steuerzahlerinnen und -zahler tragen. Das Geld komme aus einem Einlagensicherungsfonds, in den alle Banken einzahlen, sagte Biden.

Der Schutz gelte allerdings nicht für Investorinnen und Investoren. Diese müssten ihr Risiko selbst tragen. „So funktioniert der Kapitalismus“, sagte Biden. Außerdem würden die Manager der unter staatliche Kontrolle gestellten Banken gefeuert. „Wenn die Bank von der Einlagensicherungsbehörde übernommen wurde, sollten die Leute, die die Bank geführt haben, dort nicht mehr arbeiten“, sagte der Präsident.

Regierung will Risiko für neue Pleiten eindämmen

Biden erklärte, dass man das Risiko neuerlicher Bankenpleiten verringern müsse. Er wolle den Kongress und die Bankenaufsichtsbehörden auffordern, die bestehenden Regeln zu verschärfen. Die Frage sei, wie Banken überhaupt in diese Lage geraten seien, so Biden. Er forderte vollständige Aufklärung.

Joe Biden
IMAGO/MediaPunch
Biden versprach schärfere Regeln

Gleichzeitig holte er auch gegen seinen Vorgänger Donald Trump aus. In Bidens Zeit als Vize von Ex-Präsident Barack Obama habe man „strenge neue Anforderungen“ an Banken wie die SVB gestellt, so Biden. Leider habe die letzte Regierung einige dieser Anforderungen zurückgeschraubt, so Biden.

Situation an Finanzmärkten weiter angespannt

An den Finanzmärkten blieb die Lage unterdessen angespannt. Auch wenn die Einlagengarantie der Regierung zum Börsenstart an der Wall Street am Montag zuerst etwas Wirkung zu zeigen schien, blieb die Nervosität bei Bankaktien hoch. So wurden die Titel einiger US-Regionalbanken nach heftigen Kursverlusten zeitweise aus dem Handel genommen. Auch die Papiere größerer Geldhäuser wie Bank of America, Wells Fargo und Citigroup gerieten unter Druck.

In Europa hatte die Nervosität ebenfalls spürbare Auswirkungen. Die Börsen schlossen deutlich im Minus, der ATX etwa büßte 4,08 Prozent ein. Auch der DAX verlor drei Prozent, London schloss mit einem Minus von 2,6 Prozent.

EZB und Co. beschwichtigen

Trotz der Nervosität auch hierzulande sah man am Montag keine nahende globale Finanzkrise. Die Europäische Zentralbank (EZB) plane momentan kein Notfalltreffen, hieß es. In Frankfurt ordnete die deutsche Finanzaufsicht BaFin ein Moratorium über die deutsche Zweigstelle der SVB an, um die Vermögenswerte für die Gläubigerinnen und Gläubiger zu sichern.

Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt (Deutschland)
APA/AFP/Daniel Roland
Die EZB sieht momentan keinen Grund zur Panik

„Die Notlage der Silicon Valley Bank Germany Branch stellt keine Bedrohung für die Finanzstabilität dar“, betonten jedoch die Aufseher. EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sieht für Europa keine „reale Gefahr einer Ansteckung“. Die Situation müsse aber weiter beobachtet werden, sagte er in Brüssel vor dem monatlichen Treffen der Euro-Gruppe.

SVB-Kollaps nicht mit 2008 vergleichbar

Auch heimische Fachleute beruhigten am Montag – die Situation sei nicht mit 2008 vergleichbar, so der Tenor. „Die SVB ist ein Spezialinstitut, das sich primär dem Wagniskapital verschrieben hat“, sagte Finanzmarktexperte Peter Brezinschek am Montag zur APA. Mit einer Einlagesumme von ursprünglich insgesamt 212 Mrd. US-Dollar sei die SVB zwar ein großes Institut, aufgrund ihrer Spezialisierung auf Start-up-Finanzierung gehe von der Pleite aber nicht das gleiche Risiko aus wie von der Lehman-Pleite 2008, so Brezinschek.

Lehman war laut dem ehemaligen Raiffeisen-Chefanalysten wesentlich stärker international und über verschiedene Sektoren hinweg vernetzt und hatte auch mit allen europäischen Banken Kreditlinien und Geschäftsbeziehungen. Die SVB sei hingegen „keine systemrelevante Bank“, so Brezinschek.

Auch die Börsenexpertin und Vizepräsidentin der österreichisch-amerikanischen Gesellschaft, Monika Rosen, fand im Ö1-Mittagsjournal beschwichtigende Worte. „Ich würde die Auswirkungen auf die kontinentaleuropäische Branche als sehr überschaubar einschätzen“, sagte Rosen. Auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) vertrat in der ZIB2 dieselbe Meinung. „Nein, da droht keine Gefahr“, sagte er.

„Insolvenzkaskade“ in Tech-Branche denkbar

Es habe bei Lehman ein „weltweites Netzwerk von Verbindlichkeiten und Forderungen gegeben, wodurch sich der Zusammenbruch dann in jede Ecke des Finanzsystems übertragen“ habe, sagte Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) zur APA. Die SVB sei hingegen „lokal operativ“, die einzige internationale Verflechtung sei die britische Tochter der SVB, die bereits von der britischen Großbank HSBC übernommen wurde.

Von der SVB-Pleite betroffen seien vor allem Start-ups im Silicon Valley. Dort sei die Bank allerdings relativ bedeutend. „Sehr viele Start-ups im Silicon Valley haben ihre Bankkonten, ihre Girokonten bei der SVB“, sagte Url. Für rund die Hälfte der Start-ups im Silicon Valley bedeute das, dass sie derzeit nicht auf ihre liquiden Mittel zugreifen können, etwa um Löhne auszuzahlen.

Url sieht deshalb die Gefahr einer „Insolvenzkaskade“, bei der die Pleite der Bank auf die betroffenen Start-ups überschwappt. Auch Brezinschek kann sich einen „Dominoeffekt“ vorstellen, allerdings nur innerhalb der Tech-Branche.

US-Notenbank kündigt neues Kreditprogramm an

Die auf die Finanzierung von jungen Technologiefirmen spezialisierte SVB war in Schieflage geraten, weil sie hohe Summen in langlaufenden US-Staatsanleihen angelegt hatte. Deren Kurse sind durch die Zinserhöhungen der Notenbanken aber deutlich gesunken. Zur Auszahlung von Kundengeldern musste die SVB Anleihen verkaufen und Milliardenverluste in Kauf nehmen. Eine Kapitalerhöhung zur Bilanzstärkung scheiterte. Kunden zogen Milliarden bei der Bank ab, die schließlich geschlossen wurde.

Hinweis auf geschlossener Filiale der SVB
Reuters/Krystal Hu
Regierung, Notenbank und US-Einlagensicherung greifen den SVB-Kundinnen und -Kunden unter die Arme

Auch die in New York ansässige Signature Bank wurde geschlossen. Die US-Notenbank Fed kündigte eine interne Überprüfung an. „Die Ereignisse rund um die Silicon Valley Bank verlangen nach einer gründlichen, transparenten und zügigen Untersuchung“, erklärte Fed-Chef Jerome Powell.

Gleichzeitig will die Fed mit einem neuen Kreditprogramm der Gefahr einer größeren Finanzkrise entgegenwirken. Die Banken sollen mit der neu geschaffenen Kreditlinie „Bank Term Funding Program“ (BTFP) auch in Zeiten von Marktstress ausreichend Liquidität erhalten.