Kalifornien-Autokennzeichen von Wasser überschwemmt
Reuters/Carlos Barria
Kalifornien nach der Dürre

Regenfluten und Schneemassen

Nach einer jahrelangen extremen Dürre hat der Winter im US-Staat Kalifornien sehr viel Regen gebracht – inklusive Überschwemmungen in den vergangenen Tagen. Auf einigen Bergen der Sierra Nevada liegt nun so viel Schnee wie noch nie seit Messbeginn. Grund für die ergiebigen Niederschläge ist ein Wetterphänomen mit dem Namen „atmosphärischer Fluss“. Die Dürre scheint vorbei, aber Expertinnen und Experten hegen Zweifel, wie nachhaltig die Entspannung ist.

Noch im Herbst stöhnte der US-Bundesstaat unter einer historischen Trockenheit. 99,7 Prozent der Landesfläche wurden vom Nationalen Dürremonitor als in einer schweren bis außergewöhnlichen Dürre befindlich eingestuft. Die Niederschlagsmengen der vergangenen drei Jahre waren die geringsten seit Messbeginn. Die Wasserstände der Stauseen, die den mit knapp 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat mit kostbarem Wasser und Strom versorgen, sanken in den letzten Jahren auf bedenkliche Tiefstände.

Begonnen hat die Megadürre schon 2011, und es ist die schlimmste seit 1.200 Jahren, so die Ergebnisse einer 2022 erschienenen Studie der University of California UCLA. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren immer neue Hitzerekorde und enorme Waldbrände, die durch die Trockenheit begünstigt wurden. Allein 2021 verbrannte in Kalifornien über 10.000 Quadratkilometer Land, mehr als die Fläche Kärntens. Der menschengemachte Klimawandel hat die Dürre dabei verstärkt, denn mit den höheren Temperaturen hat die Verdunstung zugenommen und die Böden und die Vegetation wurden mehr ausgetrocknet.

Mit dem „Pineapple Express“ kam Regen

Seit ein paar Monaten hat sich das Blatt aber gewendet. Eigentlich war noch im Oktober ein trockener Winter vom Climate Prediction Center des nationalen Wetterdienstes der USA vorhergesagt, doch es kam anders. Viel Regen hat sich in den letzten Monaten über Kalifornien ergossen, und auf den Bergen sind erstaunliche Mengen an Schnee gefallen. Grund für die starken Niederschläge ist ein Wetterphänomen mit dem Namen „atmosphärischer Fluss“, das heuer besonders häufig aufgetreten ist.

Schneemassen in der Sierra Nevada
AP/Jae C. Hong
Enorme Schneemengen in den Bergen

Unter einem atmosphärischen Fluss versteht man ein rund 500 Kilometer breites und mehrere tausend Kilometer langes Förderband in der Atmosphäre, das feuchte, gesättigte warme Luft transportiert, ähnlich einem Fluss aus Wasser. Im Fall von Kalifornien zapft der Fluss die Feuchtigkeit vom Pazifik an, etwa aus der Gegend von Hawaii. Daher spricht man in den USA vom „Pineapple Express“, also dem Ananas-Express. Die Dampfsäulen dieses Flusses bewegen sich mit dem Wetter und werden vom Jetstream angetrieben, mit dem sich Hochs und Tiefs verlagern.

Fluch und Segen

Kalifornien hat ähnliches Klima wie Länder am Mittelmeer und verdankt einigen wenigen atmosphärischen Flüssen 30 bis 50 Prozent seiner Jahresniederschläge, so die US-amerikanische Wetter- und Ozeanografiebehörde NOAA. Der „Pineapple Express“ trägt damit entscheidend zur Wasserversorgung in Kalifornien bei. Von Mai bis Oktober ist es üblicherweise trocken und sehr heiß. In dieser Zeit speist dann das Schmelzwasser der Sierra Nevada, der schneebedeckten Berge, Flüsse und Seen, und ist auch für die Landwirtschaft vor allem im Central Valley von entscheidender Bedeutung.

Überschwemmungen nach jahrelanger Dürre

Nach einer jahrelangen extremen Dürre hat der Winter im US-Staat Kalifornien sehr viel Regen gebracht – inklusive Überschwemmungen in den vergangenen Tagen.

Die Niederschläge sind aber Fluch und Segen gleichzeitig. Fallen sie wie in den vergangenen Wintern nur schwach aus, herrscht extreme Dürre. Fallen die Regenfälle so wie heuer stark aus und treffen auf einen schon gesättigten Boden, dann führen sie zu Überflutungen, Muren und Hangrutschungen.

Stromausfälle nach Sturm und Regen

So wie erst am Dienstag und Mittwoch, als der zehnte atmosphärische Fluss dieses Winters auf Kalifornien getroffen ist. Stürmischer Wind ließ außerdem zahlreiche Bäume umstürzen. Knapp 200.000 Haushalte waren am Mittwoch ohne Strom, viele davon im Santa Clara County, wie die Seite poweroutage.us zeigte, die landesweit Stromausfälle verfolgt.

Mindestens 27.000 Menschen mussten aufgrund der Gefahr von Überflutungen und Hangrutschungen ihre Häuser verlassen, auch in Regionen, die in den vergangenen Jahren von Waldbränden heimgesucht wurden. Betroffen von den Evakuierungen waren unter anderem Teile des bei Prominenten beliebten Küstenortes Montecito.

Überschwemmungen beim Pajaro Fluss
Reuters/Terrywayphoto
Nach zu viel Regen sorgte der Pajaro für Überschwemmungen

Schneerekorde in Bergen

In den Bergen Kaliforniens sind in den vergangenen Monaten enorme Schneemengen gefallen. Die Sierra Nevada ist das Hochgebirge, das Kalifornien von Nord nach Süd durchzieht und bis zu 4.421 Meter in die Höhe ragt. Es staut die Wolken und die Feuchtigkeit, die durch die atmosphärischen Flüsse vom Pazifik kommt, die Luft wird an den Hängen zum Aufsteigen gezwungen. Die Folge: Die Niederschläge verstärken sich. Allein beim Schneefall am Mittwoch fiel in den Hochlagen wieder über ein Meter Neuschnee.

In der südlichen Sierra Nevada liegt derzeit zweieinhalbmal so viel Schnee wie normalerweise und damit so viel wie noch nie seit es Messungen gibt. Deutlich dicker als üblich ist die Schneedecke auch in den nördlichen und zentralen Teilen der Sierra Nevada, die bisherigen Rekorde aus dem Extremwinter 1982/1983 sind auch hier in Reichweite. Denn für nächste Woche kündigen sich weitere heftige Schneefälle in den Bergen und viel Regen in den Niederungen an.

Schon jetzt sind ganze Häuser in Lagen oberhalb von rund 1.500 Meter Höhe im Schnee versunken, Bilder von meterhohen Schneewänden machen die Runde. Manche Skigebiete in der Sierra Nevada könnten heuer sogar noch im Juni in Betrieb sein, vielleicht sogar bis zum 4. Juli, dem Nationalfeiertag der Vereinigten Staaten von Amerika, so der kalifornische Meteorologe Ken Clark gegenüber Accuweather.

Stauseen füllen sich

Die Wasserpegel der Stauseen des Staates waren bis vor Kurzem noch viel zu niedrig. Manche Wasserkraftwerke mussten ihre Arbeit vorübergehend einstellen. Breite helle Ränder an den Ufern, die üblicherweise unter Wasser liegen, waren selbst aus dem All zu erkennen. Dieser „Badewannenring“ der Seen verschwindet nun zusehends. Die Regenfälle sorgen dafür, dass sich die Stauseen Kaliforniens wieder füllen. Der Cachuma Lake bei Santa Barbara hat bereits seinen maximalen Füllstand erreicht.

Auch in den zwei größten Reservoirs, dem Shasta Lake und dem Lake Oroville, steigt das Wasser. Der Wasserstand von Shasta Lake ist bereits um 30 Meter höher als im Dezember und jetzt zu 70 Prozent gefüllt, so die Daten der kalifornischen Wasserbehörde. Der Lake Oroville ist sogar schon um über 61 Meter gestiegen und hat einen Füllstand von 82 Prozent. Die Stauseen werden sich in den kommenden Wochen und Monaten weiter füllen, denn mit der wärmeren Jahreszeit kommt dann auch das Schmelzwasser aus den Bergen dazu.

Dank des vielen Regens enden für sieben Millionen Menschen im südlichen Kalifornien auch strikte Wassersparmaßnahmen, wie der regionale Wasserversorger Metropolitan Water District of Southern California mitteilte. Seit dem vergangenen Jahr galten in Teilen der Landkreise Los Angeles, Ventura und San Bernardino aufgrund des Wassermangels Einschränkungen im Wasserverbrauch, so war etwa das Bewässern im Freien auf einen Tag pro Woche begrenzt.

Nur eine Pause von der Dürre?

Im nationalen Dürremonitor gibt es bereits deutliche Verbesserungen für Kalifornien, Woche für Woche schaffen es größere Teile des Bundesstaates aus der Dürre. Manche sehen gar schon das Ende gekommen, manche Expertinnen und Experten hingegen nur eine Pause der Dürre. Der UCLA-Geograf Park Williams, der Hauptautor der Studie zur Dürre, sagte, dass es äußerst unwahrscheinlich sei, dass diese Dürre mit nur einem nassen Jahr beendet werden könne.

Möglich ist, dass Kalifornien nur eine Pause in der 23-jährigen Megadürre erlebt, so wie es sie etwa 2005, 2011 und 2017 schon gegeben hat, als es auch mehr geregnet und geschneit hatte als normal. Denn Dürren sind ein wiederkehrendes Merkmal des Klimas in Kalifornien, der menschengemachte Klimawandel verstärkt seine Auswirkungen. Die Direktorin der kalifornischen Wasserbehörde, Karla Nemeth, gibt außerdem zu bedenken, dass es mehr als ein gutes Jahr benötige, bis sich das Grundwasser in Kalifornien zu erholen beginnt.

Eingreifen ins Wettergeschehen kann ab dem Herbst auch ein Klimaphänomen: El Nino. Das ist eine Art gigantische Luftdruckschaukel, die im Pazifik zur Verlagerung großer Wassermassen führt und weltweite Auswirkungen auf das Wetter hat. In Jahren mit El Nino regnet es in Kalifornien mehr. Seine Gegenspielerin La Nina führt zu weniger Regen, so wie in den vergangenen Jahren 2020 bis 2022 ganz besonders. Vorige Woche erklärte der staatliche Wetterdienst NOAA La Nina offiziell für beendet.