Supermarktmitarbeiterin neben Regal
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Statistik Austria

Deutlicher Anstieg bei Teilzeitbeschäftigten

Der Aufschwung auf dem Arbeitsmarkt hat 2022 angehalten. Die Beschäftigtenzahl stieg, vor allem wegen mehr Teilzeit, die Arbeitslosigkeit sank weiter. Jede zweite Frau arbeitete Teilzeit – eine Schlüsselrolle dürften hierbei Betreuungsangebote spielen. Das Jobangebot erreichte mit 206.500 offenen Stellen einen Rekord. Laut Statistik Austria waren 4.442.600 Personen ab 15 Jahren erwerbstätig, 3,2 Prozent mehr als 2021 – der Anstieg beruhte zu fast zwei Dritteln auf Teilzeit.

Der Arbeitsmarkt sei „in sehr guter Verfassung“, sagte Statistik-Austria-Generaldirektor Tobias Thomas am Dienstag im Presseclub Concordia. „Insgesamt hat die Erwerbstätigkeit im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021 um 136.000 Erwerbstätige zugelegt.“ Die „Kehrseite der Medaille“ sei allerdings, dass auch die Anzahl der offenen Stellen deutlich gestiegen sei, nämlich laut Statistik Austria im Jahresdurchschnitt 2022 auf 206.500 – ein neuer Höchststand seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2009.

„Das sind knapp 73.000 mehr offene Stellen, als beim AMS gemeldet sind“, so Thomas. Traditionell würden hoch qualifizierte Jobs, aber auch offene Stellen der öffentlichen Hand weniger häufig beim AMS gemeldet. Die Offene-Stellen-Quote betrug 2022 4,8 Prozent und damit deutlich mehr als 2021 (3,5 Prozent).

Leere Arbeitsplätze
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Die Zahl der offenen Stellen ist laut Statistik Austria deutlich gestiegen

Offene Stellen in sämtlichen Wirtschaftsbereichen

Die Zahl der offenen Stellen steige in sämtlichen Wirtschaftsbereichen, sagte Thomas. „Bemerkenswert ist auch, dass 83 Prozent der ausgeschriebenen Stellen dabei Vollzeitstellen waren.“ Inzwischen könne man auch nicht mehr von einem Fachkräftemangel sprechen, betroffenen seien sämtliche Berufsgruppen, auch Büroarbeitskräfte und Hilfsarbeitskräfte. „Insofern kann man mittlerweile mit guter Begründung von einem durchgehenden Arbeitskräftemangel sprechen und nicht mehr von einem Fachkräftemangel.“

Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf geht davon aus, dass die Anzahl der offenen Stellen noch länger hoch bleiben wird. „Wir dürfen den Arbeitskräftemangel nicht als unabwendbar hinnehmen, denn die Folgen wären für die Zukunft unserer Wohlstandsentwicklung und die Finanzierbarkeit unseres Sozialsystems fatal“, sagte Kopf laut Mitteilung. Deshalb müsse man gegensteuern, etwa teilzeitbeschäftigten Frauen ermöglichen, länger zu arbeiten. Auch Überstunden müssten steuerlich attraktiver werden.

Zahl der Teilzeitbeschäftigten nimmt zu

Die Zahl der Teilzeitbeschäftigen stieg um 7,0 Prozent oder rund 88.900 Personen. Bei den Vollzeiterwerbstätigen gab es dagegen ein Plus von 1,6 Prozent bzw. 47.700 Personen, wie die Statistik Austria mitteilte. Jede zweite erwerbstätige Frau (50,7 Prozent) und jeder achte Mann (12,6 Prozent) gaben an, auf Teilzeitbasis zu arbeiten. „Bei den Frauen haben wir im Jahr 2022 erstmals die 50-Prozent-Marke überschritten“, sagte Matea Paskvan von der Statistik Austria.

Grafik zeigt Entwicklung der Teilzeitquote
Grafik: APA/ORF; Quelle: Statistik Austria

Eine Schlüsselrolle bei Frauen dürfte die Betreuung spielen. Zwei Drittel der Frauen nannten als Hauptgrund ihre Betreuungsaufgaben (39,5 Prozent) oder den Wunsch, nur eine Teilzeittätigkeit auszuüben (26,5 Prozent). Insgesamt ist laut Statistik Austria nur die Hälfte der Kinder in Betreuungseinrichtungen untergebracht, die sich mit Vollzeittätigkeiten vereinbaren lassen. Bei den Männern wurde als Hauptgrund für Teilzeit „kein Wunsch nach Vollzeittätigkeit“ angegeben. Insgesamt lag die Teilzeitquote bei 30,5 Prozent.

Kinderbetreuerin mit Kindern
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Für die meisten Frauen ist die Betreuung von Kindern Grund für Teilzeitarbeit

Anreize für Vollzeitarbeit gefordert

„Der Arbeits- und Fachkräftemangel gehört zu den zentralen Herausforderungen und wird ein Leitthema der kommenden Jahre sein“, sagte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer. Die Industrie schlägt deshalb steuerliche Erleichterungen für den Wechsel von Teilzeit in Vollzeit vor: „Zielführend wäre ein Freibetrag, beispielsweise in der Höhe von 5.000 Euro, der bei einem Wechsel von Teilzeit- auf Vollzeitarbeit einen Anteil des Einkommens von der Einkommenssteuer befreit.“ Außerdem sollte es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr geben.

NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker sprach sich einmal mehr für einen Vollzeitbonus in der Höhe von 100 Euro im Monat aus. Es müsse wieder einen deutlicheren finanziellen Unterschied machen, ob man Vollzeit oder Teilzeit arbeite. „Dazu sind aber nicht Menschen in Teilzeit zu bestrafen, wie es die Regierung vorgeschlagen hat, dazu muss sie dringend die Abgabenbelastung auf Vollzeit senken. Sonst würgt der Arbeitskräftemangel weiterhin jeden wirtschaftlichen Aufschwung ab“, so Loacker weiter.

Erwerbstätigkeit gesamt gestiegen

Die Erwerbstätigenquote, also der Anteil der Erwerbstätigen an allen Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, stieg von 72,4 auf 74,0 Prozent. Weiter unterdurchschnittlich war trotz eines Anstiegs die Erwerbstätigenquote der 55- bis 64-Jährigen mit 56,4 Prozent.

Bei den Frauen insgesamt gab es einen Anstieg auf knapp 70 Prozent, bei den Männern auf etwa 78 Prozent. Die Erwerbstätigenquote bei den in Österreich Geborenen lag bei 75,3 Prozent, bei den nicht in Österreich Geborenen waren es 70,2 Prozent.

Die Arbeitslosigkeit nach ILO-Definition sank um 62.600 auf 221.100 Personen im Jahr 2022. Die nicht saisonbereinigte Arbeitslosenquote lag mit 4,8 Prozent nach EU-Berechnung um 1,4 Prozentpunkte unter dem Vorjahreswert von 6,2 Prozent, nach nationaler Berechnung (AMS) lag die Arbeitslosigkeit in Österreich zuletzt bei sieben Prozent.

Unterschiede zwischen Männern und Frauen

Deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gab es hinsichtlich des gesuchten Arbeitszeitausmaßes: 87,0 Prozent der männlichen Arbeitslosen suchten überwiegend bzw. ausschließlich eine Vollzeittätigkeit, bei den Frauen waren es nur 48,1 Prozent.

Im vierten Quartal 2022 lag die Erwerbstätigenquote bei 74 Prozent. Das Gros der Erwerbstätigen (88 Prozent) ging laut Statistik Austria einer unselbstständigen Tätigkeit nach. 101.100 Teilzeitkräfte waren unfreiwillig unterbeschäftigt, davon waren deutlich mehr Frauen (70.000) als Männer (31.100) betroffen. Gegenüber dem Vorjahr gab es insgesamt etwas weniger Teilzeitunterbeschäftigte (minus 10.400).

Im Quartalsdurchschnitt arbeiteten Frauen 26,0 Stunden, Männer 33,1 Stunden in ihrer Haupttätigkeit, das ergab insgesamt eine durchschnittliche Wochenarbeitsleistung von 29,8 Stunden. 86.400 Nichterwerbspersonen ließen sich der „stillen Reserve“ zuordnen – also jenen Menschen, die zwar grundsätzlich wieder arbeiten wollen, aber momentan nicht aktiv nach einem Job suchen.