US-Drohne vom Typ MQ-9 Reaper während eines Testflugs
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Schwarzes Meer

Drohnenabsturz heizt USA-Russland-Streit an

Der Absturz einer US-Aufklärungsdrohne über dem Schwarzen Meer hat die Spannungen zwischen Washington und Moskau noch einmal verschärft. Beide Seiten machten einander für den Vorfall verantwortlich. Moskau bezeichnete das Verhalten der USA als „inakzeptabel“. Die USA warnten vor gefährlichen „Fehleinschätzungen“.

Nach Darstellung des US-Militärs wurde die Drohne über internationalem Gewässer zum Absturz gezwungen, nachdem russische Kampfjets am Dienstag Treibstoff auf die Drohne vom Typ MQ-9 Reaper abgelassen hatten und mit ihr kollidiert waren. Einer der Kampfjets habe den Propeller der Aufklärungsdrohne gestreift. „Das ist eine sehr heikle Phase in diesem Konflikt, da es sich um den ersten direkten Kontakt zwischen dem Westen und Russland handelt, von dem die Öffentlichkeit weiß“, sagte Elisabeth Braw vom American Enterprise Institute gegenüber Reuters.

Diese Begegnung sei Teil eines „Musters gefährlicher Aktionen russischer Piloten“ bei der Interaktion mit amerikanischen und verbündeten Flugzeugen im internationalen Luftraum, zitierte die „Washington Post“ US-Beamte. Bei solchen Provokationen könne es zu „Fehlkalkulation und unbeabsichtigter Eskalation“ zwischen den beiden Staaten kommen.

Neuer US-Vorwurf an Russland

Nach Angaben des US-Militärs ist über dem Schwarzen Meer ein russischer Kampfjet mit einer US-Drohne zusammengestoßen. Moskau weist den Vorwurf zurück.

Das Verhältnis zwischen den USA und Russland befinde sich in einem „bedauernswerten Zustand“, hieß es am Mittwoch vom russischen Präsidialamt. Es habe zu dem Drohnenvorfall keinen hochrangigen Austausch beider Seiten gegeben. Russland würde sich einem konstruktiven Dialog aber nie verweigern.

Russischer Botschafter einbestellt

Die USA beklagten, „unsicheres und unprofessionelles“ Handeln der russischen Seite habe den Vorfall verursacht. Die US-Regierung bemühte sich aber auffallend, nicht zu eskalieren. „Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat“, meinte etwa der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby.

Die US-Regierung bestellte den russischen Botschafter Anatoli Antonow ein. Dabei wolle man „starken Widerspruch gegen dieses gefährliche, unprofessionelle Abfangen“ der Drohne zum Ausdruck bringen, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price. Gegenüber der „Washington Post“ teilte Antonow mit, dass er „alle Unterstellungen der US-Seite kategorische zurückgewiesen“ habe. Das Vorgehen des US-Militärs so nahe an der russischen Grenze sei „inakzeptabel“.

Russischer Botschafter Anatoli Antonow verlässt das US-Außenministerium in Washington
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Der russische Botschafter Anatoli Antonow in Washington bei seinem Besuch im US-Außenministerium

Die russische Botschaft teilte aber auch offiziell mit, dass es wichtig sei, „dass die Kommunikationslinien offen bleiben“. Russland suche keine Konfrontation.

Moskau weist Vorwürfe zurück

Das russische Verteidigungsministerium wies jede Verantwortung für den Absturz zurück. Die Drohne sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, hieß es in einer von der Staatsagentur TASS verbreiteten Mitteilung. Vielmehr seien Kampfjets losgeschickt worden, als das US-Flugzeug mit ausgeschalteten Transpondern in Richtung der Staatsgrenze der Russischen Föderation fliegend entdeckt worden sei. Das sei eine Verletzung der „vorläufigen“ Grenze, die Moskau für seine „Militäroperation“ in der Ukraine festgelegt hatte.

Eine Alarmrotte der russischen Luftstreitkräfte sei aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei ins Meer gestürzt, lautete die Darstellung des russischen Militärs. „Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück.“

Kiew verteidigt US-Drohnen über Schwarzem Meer

Das Schwarze Meer sei kein Binnenmeer Russlands, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, anlässlich des Drohnenzwischenfalls. Er verteidigte die Präsenz der US-Drohnen. Anrainer des Schwarzen Meeres seien auch NATO-Mitglieder, darunter die Türkei und Rumänien, weshalb die US-Drohnen dort auf rechtlicher Grundlage agierten.

Drohne mit „Routineoperationen“

Botschafter Antonow habe den USA vorgeworfen, mit den Drohnen Aufklärungsdaten für die Ukraine zu sammeln, berichtete TASS. Russland gehe davon aus, dass die USA von weiteren Spekulationen in den Medien absähen „und ihre Einsätze in der Nähe der russischen Grenzen einstellen“. Via Telegram legte Antonow am Mittwoch nach: „Wir betrachten jede Aktion mit dem Einsatz von US-Waffen als offen feindlich.“

Die Drohne habe „Routineoperationen“ im internationalen Luftraum durchgeführt, hieß es zuvor vonseiten des US-Militärs. Pentagon-Sprecher Patrick Ryder lehnte ess aber ab zu sagen, ob die Drohne bewaffnet war und welchen konkreten Auftrag sie hatte. Das von der MQ-9 aufgezeichnete Video des Vorfalls muss einen Deklassifizierungsprozess durchlaufen, bevor die Behörden entscheiden, ob es veröffentlicht werden soll.

John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates
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John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, will keine weitere Eskalation

Zu einer möglichen Bergung des Fluggeräts äußerte sich das Pentagon nicht. Kirby sagte lediglich, die USA hätten Vorkehrungen getroffen, damit die Drohne nicht in fremde Hände gerate.

USA kritisieren unprofessionelles Vorgehen

Der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, betonte, Vorfälle dieser Art an sich seien nicht unüblich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite, das zu einem kompletten Verlust der Drohne geführt habe. US-Präsident Joe Biden sei über den Vorfall informiert worden.

Falls die Russen mit der Aktion die USA davon abhalten wollten, im internationalen Luftraum zu fliegen und zu operieren, dann werde diese Botschaft keinen Erfolg haben. „Denn das wird nicht geschehen“, sagte Kirby. „Wir werden weiterhin im internationalen Luftraum über internationalen Gewässern fliegen und operieren. Das Schwarze Meer gehört nicht einer einzelnen Nation.“

James Hecker, Kommandeur der US-Luftstreitkräfte in Europa und Afrika, forderte die Russen auf, „sich professionell und sicher zu verhalten“. Dieser Vorfall reihe sich ein in eine Serie von gefährlichen Aktionen russischer Piloten mit Flugzeugen der USA und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer.