Bürogebäude der Credit Suisse in Genf
IMAGO/IP3press/Vincent Isore
„Ausverkauf“

Credit Suisse kommt nicht aus Schlagzeilen

„Ausverkauf“, „ungebremster Kursrutsch“, „neues Allzeittief“: Schlagzeilen wie diese haben am Mittwoch einen dramatischen Kursverfall der Aktien der Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) begleitet. Hintergründe für die Schieflage der Bank gibt es viele – erst am Dienstag sorgte der mit Verspätung nachgereichte Geschäftsbericht für 2022, am Mittwoch eine vom Großaktionär Saudi National Bank (SNB) ausgeschlossene weitere Finanzhilfe für zusätzlichen Zündstoff.

Nach dem bereits zu Wochenbeginn begonnenen Sinkflug brachen die Aktien des krisengeplagten Instituts am Mittwoch zeitweise um mehr als 30 Prozent auf ein Allzeittief ein. Der Absturz löste an der Schweizer Börse (SIX) wiederholt Handelsstopps aus. Die Aktie erholte sich im Verlauf des Handelstages – mit einem Minus von über 24 Prozent und einem erstmals und weit unter zwei Franken pro Aktie liegenden Wert blickt die CS dennoch auf einen tiefroten Tag.

Konzernchef Ulrich Körner betrachtet die CS auch weiterhin als „eine starke Bank“. „Wir sind eine globale Bank unter Schweizer Regulierung, wir erfüllen und übertreffen im Grunde alle regulatorischen Anforderungen“, sagte Körner am Mittwoch in einem Interview des asiatischen Senders CNA.

Erinnerung an UBS-Rettung vor 15 Jahren

So wie Körner war auch Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann um Beruhigung bemüht. Doch auch wenn dieser etwaige staatliche Hilfe für die Bank als „kein Thema“ strikt ausschloss, wird mittlerweile auch das sehr wohl als Thema bereits intensiv debattiert.

Der Schweizer „Tagesanzeiger“ erinnerte dazu an die umgerechnet rund 60 Milliarden Euro schwere Rettung der 2008 im Zuge der Finanzkrise in schwere Turbulenzen geratene Schweizer Großbank UBS. „Nach der Finanzkrise waren sich Politik und Wirtschaft einig. Eine solche Hauruckaktion des Staates wie bei der UBS sollte nie mehr passieren“, so der „Tagesanzeiger“ mit der Anmerkung: „Jetzt, 15 Jahre später, stellt sich die Frage nach der Bankenrettung erneut.“

CS will bis zu 50 Mrd. Franken von Nationalbank

In der Nacht auf Donnerstag gab CS bekannt, bei der Schweizerischen Nationalbank (SNB) über 50 Milliarden Franken Kredit aufnehmen zu wollen. Zudem will sie eigene Schuldtitel gegen Barzahlung in Höhe von bis zu drei Milliarden Franken zurückkaufen. Mit diesen „entschlossenen Maßnahmen“ wolle die Bank die Liquidität vorsorglich stärken, hieß es von CS. Die Kreditaufnahme sei vollständig durch „erstklassige“ Vermögenswerte besichert.

Die SNB hatte davor der CS ihre Hilfe zugesichert. „Die SNB wird im Bedarfsfall der CS Liquidität zur Verfügung stellen“, teilten die Notenbank und die Finanzmarktaufsichtsbehörde Finma in einer gemeinsamen Stellungnahme Mittwochabend mit. Die CS erfülle die an systemrelevante Banken gestellten Anforderungen bezüglich Kapital und Liquidität. Die Finma und die SNB verfolgten die Entwicklungen sehr genau und stünden mit dem Schweizer Finanzministerium in engem Kontakt, um die Finanzstabilität sicherzustellen.

Weitere Bankenwerte in den roten Zahlen

Nach Angaben vom „Wall Street Journal“ („WSJ“) habe die Europäische Zentralbank (EZB) zudem die von ihr überwachten Banken hinsichtlich des Engagements bei der Credit Suisse kontaktiert. Neben der CS stürzten am Mittwoch auch etliche weitere Bankenwerte, beispielsweise mit der UBS auch die größte Schweizer Bank mit über acht Prozent, tief in die roten Zahlen ab. Wie Reuters mit Verweis auf mit der Sache vertraute Personen berichtete, seien die Probleme bei der CS allerdings wohl mehr hausgemacht als systemisch.

Es sehe so aus, als ob immer mehr besorgte Investoren und Gegenparteien die Credit Suisse als möglichen nächsten Wackelkandidaten betrachteten, sagte zuvor Neil Wilson, Marktanalyst beim Onlinebroker Markets. „Wenn die Credit Suisse in ernsthafte existenzielle Schwierigkeiten gerät, sind wir in einer ganz anderen Welt des Schmerzes. Sie ist wirklich zu groß, um zu scheitern.“

Saudis mit Umbau zufrieden

Treiber des Absturzes waren zunächst Sorgen, dass die vom Kollaps der kalifornischen Silicon Valley Bank (SVB) ausgelösten Schockwellen auf den Finanzmärkten die ohnehin schon geschwächte Credit Suisse in Mitleidenschaft ziehen könnten.

Am Mittwoch kamen die Äußerungen von SNB hinzu. Das Institut könne aus aufsichtsrechtlichen Gründen nicht mehr als zehn Prozent der Anteile halten, sagte Präsident Ammar al-Chudairi der Nachrichtenagentur Reuters in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview und ergänzte: „Ich glaube nicht, dass sie zusätzliches Geld brauchen.“ Mit dem Transformationsplan der Bank sei man zufrieden. Die saudische Bank ist erst seit Herbst 2022 im Rahmen einer Kapitalerhöhung neue Großaktionärin der CS und hält nach Angaben des Schweizer Finanzportals Cash 9,9 Prozent der Aktien.

Auch „sicherer Anker“ betroffen

Andere Anleger schließen dagegen nicht aus, dass die Credit Suisse Hilfe benötigen könnte. Auf einer Investorenkonferenz fragte ein Anleger UBS-Konzernchef Ralph Hamers, ob die größte Schweizer Bank zu einer möglichen Rettungsaktion bereit sei. Hamers sagte, er wolle keine hypothetischen Fragen beantworten, und fügte an: „Für uns ist wichtig, dass wir uns wirklich auf unsere Strategie konzentrieren, und das ist eine organische Strategie.“ Die Schweizerische Nationalbank wollte sich zur Lage der Credit Suisse nicht äußern.

Der „Tagesanzeiger“ verwies am Mittwoch indes auch auf den erst am Vortag veröffentlichte Jahresbericht der Schweizer CS-Tochter. Wie aus diesem hervorgehe, kämpfe die CS auch hier mit milliardenschweren Geldabflüssen. „Innerhalb eines Jahres haben Kundinnen und Kunden rund 28 Prozent ihrer Einlagen von der Großbank abgezogen. Das sind rund 51 Milliarden Franken (rund 52 Mrd. Euro, Anm.)“, so die Zeitung, der zufolge der Schweizer Heimatmarkt „bislang als sicherer Anker der kriselnden Großbank“ gegolten habe.

Mängel in Finanzberichterstattung

In dem am Dienstag mit Verspätung veröffentlichten Geschäftsbericht war schließlich auch von Mängeln in der internen Kontrolle bei der Finanzberichterstattung die Rede. Die CS wollte den Geschäftsbericht eigentlich schon am Donnerstag letzter Woche veröffentlichen. Doch eine Intervention der US-Wertpapieraufsicht SEC veranlasste das Institut, die Publikation aufzuschieben. Die SEC sah Klärungsbedarf bei technischen Aspekten der Buchführung und damit zusammenhängenden Kontrollmechanismen.

Die Bank gab nun bekannt, dass Vorkehrungen zur Ermittlung von Falschangaben in der Finanzberichterstattung ungenügend waren. Der Buchprüfer PricewaterhouseCoopers (PWC) kam zu einem ähnlichen Schluss. Dennoch bestätigte die Bank die Finanzergebnisse für die Geschäftsjahre 2022, 2021 und 2020.

Tiefgreifender Umbau

Das Management arbeite an einem Plan, um die Schwächen anzugehen. Dafür könnten beträchtliche Mittel notwendig sein, hieß es weiter. „Wir wollen sicherstellen, dass wir auch hier zu den Besten der Branche gehören“, sagte Körner.

Mit einem tiefgreifenden Umbau, der den Ausstieg aus Teilen des Investmentbankings und den Abbau von 9.000 Stellen vorsieht, will Körner die Credit Suisse zurück in die Spur bringen. Mit einem Verlust von 7,3 Milliarden Franken verzeichnete das Institut 2022 eines der schwächsten Jahre seiner 167-jährigen Geschichte. Vor allem die Kosten für die Sanierung und der Kollaps der Erträge im Investmentbanking lasteten auf dem Ergebnis. Auch im laufenden Jahr erwartet der Konzern einen erheblichen Vorsteuerverlust.