EU-Strommarktreform sorgt für Enttäuschung in Österreich

Die EU-Kommission hat es geschafft, mit ihrem Vorschlag für ein neues Strommarktdesign in Österreich viele Seiten zu enttäuschen. Für Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) ist die geplante Reform nicht „der große Wurf“, auch ÖGB und Arbeiterkammer können keine wesentlichen Änderungen erkennen, und Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf vermisst einen Notfallmechanismus für eine temporäre Entkoppelung von Strom und Gas.

„Der ganz große Umbruch ist es nicht“, lautete auch die erste Bilanz der Energieagentur-Energiemarktexpertin Karina Knaus. Allerdings sei es für eine abschließende Bewertung noch viel zu früh, so Knaus gegenüber der APA. „Es gibt einige Punkte, die noch nicht komplett ausdefiniert sind.“

Es sei zudem keine komplette Systemumstellung. Das wäre innerhalb nur eines Jahres – bis dahin soll die Reform umgesetzt werden – auch nicht möglich.

Beibehaltung von Merit-Order sorgt für Kritik

Die Beibehaltung des Merit-Order-Prinzips, bei dem der Strompreis immer von der Anlage bestimmt wird, die zur Deckung des Strombedarfs notwendig ist, sorgte am meisten für Kritik. Das Prinzip führt dazu, dass teuer produzierter Strom etwa aus Gaskraftwerken den gesamten Strompreis in die Höhe treibt.

Ziel sei es zwar gewesen, die Abhängigkeit der Strompreise von der kurzfristigen Preisentwicklung zu reduzieren, die kurzfristigen Preissignale seien aber für die Schaffung des europäischen Strombinnenmarktes von zentraler Bedeutung, hieß es dazu aus EU-Kreisen. Nun werden zusätzliche Mechanismen eingeführt, die eine längerfristige Preisplanung sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen ermöglichen.

Mehr Stabilität geplant

Der Vorschlag sieht vor, die kurzfristige Preisentwicklung über längerfristige Verträge abzufedern, einerseits zwischen Privaten, etwa einem Stromerzeuger und einem Unternehmen, andererseits durch „Differenzverträge“, mit denen EU-Länder für neue Investitionen auf dem Strommarkt sorgen können. Diese Verträge werden in manchen Ländern schon angewendet.

Für Verbraucher und Verbraucherinnen soll die Reform ein Recht auf fixe Strompreise für eine gewisse Zeit bringen. Außerdem sollen Stromverbraucher mehr als einen Tarif abschließen können, also z. B. einen Tarif für den allgemeinen Stromverbrauch eines Haushalts kombiniert mit variableren Stromtarifen für Wärmepumpen oder das Aufladen von Elektroautos. Geplant ist auch ein neues Recht für Stromverbraucher, erneuerbare Energie zu teilen, etwa mit Nachbarn.