SPÖ-Zentrale in der Wiener Löwelstraße
ORF/Christian Öser
SPÖ-Streit

„Kompromiss“ wirft viele Fragen auf

Die SPÖ wird in ihrem parteiinternen Streit über die Ausrichtung zwischen SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil eine Mitgliederbefragung und anschließend einen Parteitag abhalten. Der Kompromiss, der wie eine Lösung klingt, wirft jedoch viele Fragen auf. Die Reaktionen aus den Ländern zeigen, wie tief die Partei gespalten ist. Wie so oft liegt der Teufel im Detail.

Die offenen Fragen beginnen bereits bei der Organisation der Befragung. Aus Sicht der Parteiführung soll sie von der Parteizentrale organisiert werden. „Federführend“ werde die Bundesgeschäftsführung damit befasst sein, sagte Rendi-Wagner am Mittwochabend in einem Solostatement nach dem Vorstand.

Das stößt wiederum auf Skepsis bei Doskozil und anderen Landesorganisationen. Offenbar ist das Vertrauen in SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nicht ausreichend. Hier könnte auch der Keim eines späteren Streits liegen, so das Ö1-Morgenjournal am Donnerstag.

Keine Einigkeit über Zeitpunkt

Mehrere Länder hatten bereits am Vortag gesagt, es sei undenkbar, dass Rendi-Wagners Vertrauter Deutsch das Heft in der Hand haben werde. Auch darüber, ob die Befragung eher schneller – vor der Salzburger Landtagswahl am 23. April – oder erst danach durchgeführt werden soll, herrscht keine Einigkeit.

Rendi-Wagner sprach sich für ein schnelleres Vorgehen aus, Doskozil steht auf der Bremse und will das offenbar langsamer angehen. Auch die Abstimmungsmodalität – per Brief oder online – ist offen. Das genaue Prozedere wird vermutlich kommende Woche vom Präsidium in Abstimmung mit Doskozil festgelegt.

Ferner ist die Frage offen, wer in dem von Doskozil angekündigten Team vertreten sein wird. In der Partei meistgenannte Namen waren der frühere Bundesgeschäftsführer Max Lercher und Umweltsprecherin Julia Herr. Klar ist, dass man jetzt nicht neue Mitglieder rekrutieren kann, um die Abstimmung so zu beeinflussen. Die Stimme abgeben kann nur jemand, der bereits ein Jahr zahlendes Mitglied ist.

Rumoren in den Ortsgruppen

In den SPÖ-Ortsgruppen rumort es offenbar teils, wie das Beispiel Oberösterreich zeigt. Der Bürgermeister von Steyr, Markus Vogl, warnte im Gespräch mit dem ORF Oberösterreich vor dem Frust der Funktionäre. Doskozil habe als Landeshauptmann Verdienste im Land, Rendi-Wagner als Person durchaus Sympathien. „Was aber jetzt passiert, hat beide massiv beschädigt, und die Basis trägt das einfach nicht mehr mit“, so Vogl – mehr dazu in ooe.ORF.at.

„Runder Tisch“: Showdown in der SPÖ

Es diskutierten Alois Stöger, Mitglied im Bundesparteivorstand und ehem. Gesundheitsminister, Franz Schnabl, stv. Bundesparteivorsitzender SPÖ und ehem. Landeschef Niederösterreich, Josef Kalina, Kommunikationsberater und ehem. Bundesgeschäftsführer der SPÖ, sowie Katrin Praprotnik, Politikwissenschaftlerin, Karl-Franzens-Universität Graz.

Die Wiener SPÖ stellte sich auch am Mittwoch hinter Rendi-Wagner. Landesparteichef und Bürgermeister Michael Ludwig erneuerte seine Unterstützung. „Es wird keinen Wahlkampf geben“, so Ludwig. Stattdessen werde es „Gesprächsbedarf“ zu „inhaltlichen Fragen“ geben. „Wir sind eine Partei, wo die Menschen sehr interessiert sind an politischen Inhalten. Diese Diskussionen werden geführt werden, und von daher ist heute ein sehr guter Beginn eines Verfahrens, das wir gemeinsam einstimmig beschlossen haben“, so Ludwig – mehr dazu in wien.ORF.at.

Kaiser: Entscheidung muss akzeptiert werden

Der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser sagte, die Entscheidung zu einer Mitgliederbefragung und einem Parteitag müsse nun von allen akzeptiert werden – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Auch aus der Steiermark hieß es, man sei froh, dass die Entscheidung einstimmig gefallen sei. Das Ergebnis solle bindend sein. Jetzt hätten Doskozil und Rendi-Wagner die Möglichkeit, ihre Ideen für die Zukunft darzulegen, so der steirische SPÖ-Chef Anton Lang. Er werde den Mitgliedern keine Wahlempfehlung geben – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Dornauer: Karten liegen auf dem Tisch

Tirols SPÖ-Landesparteivorsitzender Georg Dornauer will sich im Duell um die Spitze offenbar vorerst auf keine Seite schlagen. Auf Anfrage sagte er am Donnerstag: „Die Karten liegen auf dem Tisch, und das ist gut so. Beide haben sich erklärt, und es hat sich für mich klar abgezeichnet, dass es auch um eine inhaltliche Ausrichtung der Partei gehen wird.“

Mit dem Ergebnis der Präsidiums- und Vorstandssitzung vom Mittwoch, eine Mitgliederbefragung und einen Parteitag durchzuführen, zeigte er sich gegenüber der APA „zufrieden“. Er sei „grundsätzlich sehr zuversichtlich“. Die Entscheidung über die inhaltliche Ausrichtung der Partei sei eine „wichtige Grundlage für die Zukunft. Unsere Mitglieder und die Funktionäre am Parteitag werden darüber entscheiden“, sagte Dornauer.

Er hatte sich vor den Sitzungen mit Äußerungen in der Öffentlichkeit eher zurückgehalten. Zuletzt hatte er aber wiederholt Rendi-Wagner die Stange gehalten und sie unterstützt.

Vorarlberg fordert „Nägel mit Köpfen“

Die SPÖ in Vorarlberg etwa begrüßte die Entscheidung, die Mitglieder zu befragen. „Ich denke, das ist eine gute Lösung, hinter der wir alle stehen müssen“, so Landesparteichefin Gabriele Sprickler-Falschlunger. Es müssten „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden. Wenn dann eine Entscheidung gefallen sei, müssten diese alle respektieren, so Pircher.

In Zeiten wie diesen sei es für die Sozialdemokratie sehr wichtig, dass sie die Ängste und Sorgen der Menschen verstehe und Lösungen bereit habe. Das sei wichtiger, als sich mit internen Streitigkeiten zu beschäftigen. Vorarlberg hat 1.100 SPÖ-Mitglieder – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Filzmaier zum Ausgang der SPÖ-Sitzungen

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier bewertete den Ausgang der SPÖ-Sitzungen.

Filzmaier: Etappensieg für Doskozil

In den jüngsten Beschlüssen der SPÖ sieht Politikwissenschaftler Peter Filzmaier gegenüber ORF.at einen „Etappensieg“ Doskozils. Doskozil habe mit der Mitgliederbefragung jedenfalls erreicht, was er wollte, so Filzmaier. Doch werde sich erst am danach folgenden Parteitag zeigen, ob die jeweilige Anhängerschaft der beiden das Ergebnis der Mitgliederbefragung berücksichtigen oder erneut mit Streichungen agieren werde – wie das etwa beim letzten Parteitag der SPÖ im Falle Rendi-Wagners der Fall war (sie wurde Mitte 2021 mit nur 75 Prozent wiedergewählt, obwohl sie keinen Gegenkandidaten hatte).

In der Folge werde man sehen, so Filzmaier, ob die jeweils andere Seite nur „Lippenbekenntnisse“ gemacht habe oder „das Ergebnis wirklich akzeptiert“. Falls nicht, stehe man „genau so bekleckert da wie vorher“. Mit der Mitgliederbefragung sei der Disput zwischen Rendi-Wagner und Doskozil freilich prolongiert. Man habe vor dem Sommer „zwei bis drei Wochen Wahlkampf“ um die Gunst der Parteibasis vor sich, und dieser „Wahlkampf“ müsse in der Öffentlichkeit ausgetragen werden, allein aufgrund der hohen Anzahl der Mitglieder.

„Jedes Ende ist besser als kein Ende“

Die Stimmungslage in der Parteibasis sei klar: „Jedes Ende ist besser als kein Ende“, so Filzmaier gegenüber ORF.at. Aus Sicht der Basis sei diese Lösung „das kleinere Übel“. Die Frage sei aber, ob man die Reihen danach auch wieder schließen könne. Die Frage nach einem Alternativkandidaten sei ein „rein theoretisches Modell“. „Wenn es diese Person geben würde, dann hätte man diese Person ja schon längst ins Spiel gebracht“, nun gebe es ein absolutes Zeitlimit dafür. Wenn Rendi-Wagner und Doskozil „auf Tour seien“, sei der „Zug abgefahren“, so Filzmaier.

Der Ausgang der Mitgliederbefragung ist nicht vorhersehbar, sagte Filzmaier in der ZIB2. Man könne nicht abschätzen, wie weit sich die aktuell rund 140.000 Menschen mit SPÖ-Parteibuch beteiligen. Bekannt sei nur, dass sie überdurchschnittlich alt, also „rein statistisch“ schon in Pension seien, und der Osten Österreichs – also Wien und Niederösterreich – besonders stark vertreten seien.