Die EZB von außen
Reuters/Heiko Becker
Trotz Bankturbulenzen

EZB hält an kräftiger Zinserhöhung fest

Im Kampf gegen die enorm hohe Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitzins am Donnerstag erneut kräftig um 0,5 Punkte angehoben – auf nunmehr 3,5 Prozent. Das beschloss der Rat der Notenbank in Frankfurt. Seit der Zinswende im Juli 2022 ist es die mittlerweile sechste Zinsanhebung in Folge. Diese erfolgt in einer Phase tagelanger heftiger Finanzmarktturbulenzen.

Die EZB war in ihren Beratungen vor der schwierigen Aufgabe gestanden, die Stabilität des Finanzsystems zu sichern und gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit im Kampf gegen die anhaltend hohe Inflation zu bewahren. „Wir sind entschlossen, die Inflation zu bekämpfen. Das sollte nicht angezweifelt werden“, sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Den Bankensektor des Euro-Raums bezeichnete sie als „widerstandsfähig“.

Der Einlagensatz, den Kreditinstitute erhalten, wenn sie Geld bei der EZB parken, steigt nach der Entscheidung des EZB-Rats auf 3,0 Prozent. Seit der Kursänderung der EZB im Juli profitieren Sparer und Sparerinnen von steigenden Zinsen für Tages- und Festgeld. Allerdings mindert die hohe Inflation die Erträge. Apropos Inflation: Dazu gab sich die EZB einmal mehr entschlossen, mittelfristig das Zweiprozentziel zu erreichen.

EZB-Präsidentin Christina Lagarde
Reuters/Heiko Becker
EZB-Chefin Lagarde bei der Pressekonferenz in Frankfurt

SVB-Kollaps und weltweite Schockwellen

Die EZB-Entscheidung stand unter dem Eindruck jüngster Entwicklungen. Denn hatte es in der Vorwoche noch als fix gegolten, dass die EZB die Zinsen erneut um 0,5 Prozentpunkte erhöht, waren zuletzt vermehrt Zweifel an einer Anhebung aufgekommen. Ursächlich war der Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB) in den USA, der weltweit Schockwellen an den Börsen und Sorgen um die Stabilität des Bankensektors ausgelöst hatte.

EZB erhöht Leitzins auf 3,5 Prozent

Die Europäische Zentralbank hat am Donnerstag den Leitzins um 0,5% erhöht.

In Europa geriet daraufhin die schon zuvor angeschlagene Schweizer Credit Suisse (CS) in ernsthafte Turbulenzen. Die CS gehört zu den 30 größten Banken weltweit, die als „too big to fail“ eingestuft werden. Ihre Insolvenz hätte eine verheerende Auswirkung auf die Finanzstabilität und die Weltwirtschaft, daher liegt der Fokus darauf, solchen Banken zu helfen, um das System zu stützen – ein zentraler Grund dafür, dass die Schweizer Notenbank der CS mit einer milliardenschweren Kreditlinie unter die Arme greift.

Grafik zeigt Leitzinsentwicklung seit 2000
Grafik: APA/ORF; Quelle: APA

Machte CS-Stützung Weg für EZB-Zinsschritt frei?

Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf einen ungenannten Insider beruft, hat sich die EZB erst nach dem Rettungspaket für die CS zu ihrem erneuten großen Zinsschritt entschlossen. Auch die Stabilisierung der Finanzmärkte habe eine Rolle gespielt, sagten drei dem EZB-Rat nahestehende Personen der Nachrichtenagentur.

Battisti (ORF) zur Erhöhung des Leitzinses

Leiterin der ZIB-Wirtschaftsredaktion Barbara Battisti erklärt die Folgen der Erhöhung des Leitzinses durch die Europäische Zentralbank.

„Bankensektor ist viel, viel stärker als 2008“

Der Kollaps mehrerer kleinerer US-Banken und Sorgen um die CS hatten Erinnerungen an die weltweite Finanzkrise infolge der Pleite der Lehman-Bank vor rund 15 Jahren geweckt. „Der Bankensektor ist viel, viel stärker als 2008“, betonte Lagarde. Der Sektor sei widerstandsfähig, Kapital- und Liquiditätspositionen seien solide.

Die EZB verfüge zudem über alle geldpolitischen Instrumente, um das Finanzsystem des Euro-Raums wenn erforderlich mit Liquiditätshilfen zu unterstützen. Trotz der Unsicherheit im Bankensektor hatten viele Volkswirtinnen und Volkswirte damit gerechnet, dass die EZB an dem in Aussicht gestellten kräftigen Zinsschritt festhält.

Dennoch war es für die EZB keine einfache Zinsentscheidung, denn höhere Zinsen gelten als Mittel gegen die Inflation – sie wirken aber auch bremsend auf das Wirtschaftswachstum. Da hohe Zinsen unter anderem zu der jüngsten Schieflage in den USA geführt haben, war die Entscheidung der EZB eine Herausforderung. Mit ihrer Entscheidung orientiert sich die Zentralbank nun an ihren schon zuvor gemachten Ankündigungen zur Zinserhöhung.

Inflation im Euro-Raum zuletzt leicht rückgängig

Zwar ließ die Inflation im Euro-Raum zuletzt leicht nach – sie sank im Februar auf 8,5 Prozent von 8,6 Prozent im Jänner. Doch das EZB-Ziel einer Teuerung von 2,0 Prozent liegt immer noch weit entfernt. Zudem nahm die Kernrate, in der die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert bleiben, im Februar auf 5,6 Prozent zu – nach 5,3 Prozent im Jänner. Das bereitet Sorgen, könnte das doch Hinweise darauf geben, dass der starke Preisschub womöglich noch länger anhält als bisher gedacht.

EZB-Chefin Lagarde ließ den weiteren Kurs im Kampf gegen den anhaltend starken Preisschub aber offen: „Das hohe Maß an Unsicherheit unterstreicht die Bedeutung eines datenabhängigen Ansatzes für unsere Zinsentscheidungen“, sagte die Notenbank-Chefin. Die jüngsten Spannungen an den Finanzmärkten hätten die Unsicherheiten gesteigert. „Das ist der Grund, warum wir das Prinzip der Datenabhängigkeit verstärken“, ergänzte Lagarde.

Konjunkturerholung im Euro-Raum erwartet

Doch hellen sich die Konjunkturaussichten im Euro-Raum aus Sicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde auf. Die Wirtschaft dürfte sich im Verlauf der kommenden Quartale erholen, so Lagarde. Die Industrieproduktion dürfte anziehen, da sich die Angebotsbedingungen verbesserten. Zudem arbeiteten viele Firmen große Auftragsbestände ab. Auch der Arbeitsmarkt bleibe voraussichtlich robust.

Im Schlussquartal 2022 stagnierte die Wirtschaft im Euro-Raum. Zuletzt gewann sie im Februar aber wieder an Schwung. Jüngste Konjunkturdaten, wie der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft, fielen positiv aus und deuten für das erste Quartal auf ein Wachstum hin.