WMO- und IPCC-Hauptsitz in Genf (Schweiz)
IMAGO/GFC Collection
Großer Synthesebericht

Klare Warnung von Weltklimarat erwartet

Der UNO-Weltklimarat (IPCC) hat in den vergangenen gut 18 Monaten drei Arbeitsgruppenberichte über den Forschungsstand zur Klimakrise vorgelegt. Die wichtigsten Thesen wurden nun in einer einwöchigen Sitzung Punkt für Punkt von Vertreterinnen und Vertretern der 195 Mitgliedsländer abgesegnet. Am Montag werden die Erkenntnisse präsentiert – klar ist schon jetzt: Das Fenster für Maßnahmen zur Eindämmung der Erderhitzung ist klein und schließt sich schnell.

„Die kommenden Jahre werden entscheidend sein für den Verlauf des Klimawandels in diesem Jahrhundert“, hatte IPCC-Chef Hoesung Lee zum Auftakt der am Freitag beendeten IPCC-Plenarsitzung gewarnt. „Wir wissen, dass wir vor einer Katastrophe stehen“, wurde auch die stellvertretende UNO-Generalsekretärin Ligia Noronha deutlich. „Wir sind nicht auf Kurs, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen.“ Die Verhandlungen der mehr als 600 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft und Politik hätten schon Freitag enden sollen, dauerten aber bis Sonntagabend.

Schon die jüngsten drei Berichte, die zwischen Sommer 2021 und Frühjahr 2022 veröffentlicht wurden, waren alarmierend: Der Klimawandel verläuft schneller und folgenschwerer als bisher angenommen. Selbst im günstigsten Szenario mit starken Maßnahmen zum Klimaschutz dürfte das Ziel, die Erwärmung möglichst unter 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, schon ab den 2030er Jahren zumindest eine Weile nicht erreicht werden.

Erreichen der Klimakipppunkte nur schwer zu vermeiden

Der nun erwartete, rund 3.000 Seiten starke Synthesebericht soll wesentlich deutlicher werden und so vehement wie nie zuvor die Gefahr betonen, dass jene Kipppunkte erreicht werden, an denen eine kaskadenartige Verschlimmerung der Klimakrise in Gang gerät. So würden etwa Permafrostgebiete bei ihrem Auftauen riesige Mengen des Treibhausgases Methan freisetzen, und durch das Abschmelzen der weißen Eisflächen würde die Erde noch mehr Sonnenlicht absorbieren.

„Atlas des menschlichen Leidens“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bezeichnete den im Februar 2022 veröffentlichten Berichtsteil der IPCC-Arbeitsgruppe II als „Atlas des menschlichen Leidens“. Zwischen 3,3 und 3,6 Milliarden Menschen sind nach Einschätzung der Berichtsautoren „hochgradig anfällig“ für die Folgen der Erderwärmung, darunter Hitzewellen, Trinkwassermangel und die Ausweitung von Tropenkrankheiten. Zur Mitte des Jahrhunderts werden viele Küstenstädte und Inselstaaten jährlich Überschwemmungen erleben, wie sie früher nur einmal im Jahrhundert vorkamen.

Schon jetzt wirkt sich der Klimawandel negativ auf die körperliche Gesundheit von Menschen aus. In den Regionen, in denen entsprechende Daten erfasst werden, ist auch die Zunahme klimabedingter psychischer Probleme feststellbar. Die Berichtsautoren heben hervor, dass der Klimawandel ohnehin benachteiligte Menschen wie Indigene besonders schwer trifft.

Der Weltklimarat (IPCC)

Der Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde 1988 von der UNO-Umweltorganisation (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Seine Aufgabe ist es, die Politik neutral über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaveränderung und über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren. Dem IPCC gehören 195 Staaten an.

„Die sich häufenden wissenschaftlichen Beweise sind eindeutig: Der Klimawandel ist eine Bedrohung für das menschliche Wohlergeben und die Gesundheit des Planeten“, schlussfolgerte der IPCC vergangenes Jahr. Mit weiteren Verzögerungen bei Klimaschutz und Klimaanpassung verpasse die Menschheit „ein kleines und sich schnell schließendes Fenster der Möglichkeit, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern“.

Ökosysteme am Abgrund

Bisher absorbieren und speichern Pflanzen, Wälder und Böden fast ein Drittel des Treibhausgasausstoßes der Menschen. Die intensive Ausbeutung der Ressourcen durch den Menschen setzt aber CO2, Methan und Stickstoffoxid frei. Die Landwirtschaft verbraucht außerdem 70 Prozent der Süßwasservorkommen der Erde.

Auch die Meere sorgen für einen bewohnbaren Planeten, indem sie ein Viertel des CO2-Ausstoßes der Menschheit absorbieren und mehr als 90 Prozent der durch Treibhausgase erzeugten Wärme. Doch das hat Folgen: Die Meere versauern, was potenziell ihre CO2-Aufnahmefähigkeit senkt. Der Anstieg der Temperaturen an der Meeresoberfläche sorgt für häufigere und heftigere Tropenstürme.

Abschied von fossilen Energieträgern nötig

Der IPCC kommt zu dem Schluss, dass die Erde nur als lebenswerter Planet erhalten werden kann bei „schnellen und tiefgreifenden und in den meisten Fällen sofortigen Reduzierungen des Treibhausgasausstoßes in allen Bereichen“, darunter Verkehr, Landwirtschaft, Industrie und Energieerzeugung.

Konkret heißt das, dass die Nutzung von Kohlekraftwerken ohne CO2-Abscheidung bis zum Ende des Jahrzehnts um 70 bis 90 Prozent zurückgefahren werden muss. Bis 2050 muss die Menschheit CO2-neutral sein und Überschüsse des Treibhausgasaustoßes mit entsprechenden Technologien aus der Atmosphäre entfernen.

Aber auch ihren Methanausstoß muss die Menschheit zurückfahren, mahnt der IPCC. Das zweitwichtigste Treibhausgas nach CO2 wird unter anderem durch Lecks bei der Produktion fossiler Brennstoffe sowie in der Landwirtschaft freigesetzt. Die Methankonzentration in der Atmosphäre ist bereits so hoch wie seit mindestens zwei Millionen Jahren nicht mehr.

Die gute Nachricht ist, wie der IPCC betont, dass es gute Alternativen zu klimaschädlichen fossilen Energieträgern gibt. Und deren Kosten seien in den vergangenen Jahren drastisch gesunken.