Ein MiG-29-Kampfjet der slowakischen Luftwaffe
IMAGO/Belga/Yorick Jansens
Nach Polen

Slowakei will Ukraine Kampfjets schicken

Nach Polen will nun auch die Slowakei Kampfjets des Typs MiG-29 in die Ukraine schicken. Das habe seine Regierung entschieden, teilte Ministerpräsident Eduard Heger am Freitag mit. Verteidigungsminister Jaroslav Nad konkretisierte, es gehe um zehn komplette Maschinen. Zusätzlich liefere man dem von Russland angegriffenen Nachbarland auch drei Maschinen ohne Motor zum Ausschlachten und weitere Ersatzteile, Munition und einen Teil des Luftabwehrsystems Kub.

Einen genauen Termin nannte Heger nicht. Nad sagte, es sei „vorrangig, der Ukraine bei der Rettung von Menschenleben zu helfen“. Der Nachrichtenagentur TASR sagte er: „Das ist der hauptsächliche Grund dafür, dass wir der Ukraine die MiGs geben, die wir sowieso nicht mehr verwenden können.“ Dass die Slowakei der Ukraine ihre Flugzeuge übergeben will, hatten Heger und Nad bereits mehrfach angekündigt.

„Wir stehen auf der richtigen Seite der Geschichte,“ sagte Heger. Befürchtungen, dass die Slowakei mit diesem Schritt in den Krieg in der Ukraine hineingezogen werden könnte, wies er zurück. Laut dem Ministerpräsidenten wurde ein entsprechendes internationales Abkommen von der Regierung einstimmig angenommen. Das Kabinett habe völlig in Einklang mit der slowakischen Verfassung entschieden, Staatspräsidentin Zuzana Caputova sei von allem unterrichtet.

Ein MiG-29-Kampfjet der slowakischen Luftwaffe
AP/CTK/Alexandra Mlejnkova
Ein MiG-29-Kampfjet der slowakischen Luftstreitkräfte

Langes Tauziehen um Beschluss

Unklar war bis zuletzt, wie der Beschluss erfolgen soll. Die konservativ-populistische Minderheitsregierung wurde Mitte Dezember durch ein Misstrauensvotum gestürzt und amtiert nur noch kommissarisch. Nach bisher vorherrschender Rechtsauffassung dürfte sie daher keine längerfristig wirksamen Entscheidungen treffen.

Heger und Nad hatten daher zunächst angekündigt, im Parlament eine Verfassungsänderung zu erwirken. Als sich abzeichnete, dass es dafür keine ausreichende Mehrheit unter den Abgeordneten gibt, änderten sie ihre Meinung wieder.

Slowakei hofft auf Kompensierungen

Für die Lieferung ihrer Kampfjets in die Ukraine erhofft sich die Slowakei Kompensierungen in Millionenhöhe. Ein Teil sollte von der EU kommen, der Hauptteil in Form von neuer Technik aus den USA, gab kürzlich Verteidigungsminister Naď bekannt. Einzelheiten wollte er vorerst nicht veröffentlichen.

Die MiGs befinden sich offenbar derzeit noch in der Slowakei. Laut Medienberichten waren ukrainische Techniker bereits auf dem Militärflughafen Sliac, um festzustellen, in welchem Zustand die Flugzeuge sind und welche Anpassungen notwendig sein werden.

Das NATO-Land Slowakei verfügt derzeit über keine eigenen einsatzfähigen Kampfflugzeuge. Die Lieferung von längst bestellten neuen Maschinen aus den USA hat sich verzögert. Der slowakische Luftraum wird daher von den Nachbarländern Polen, Tschechien und jüngst auch Ungarn geschützt.

Polen will vier MiG-29 übergeben

Zuvor hatte am Donnerstag der polnische Präsident Andrzej Duda mitgeteilt, in den kommenden Tagen vier MiG-29 an die Ukraine zu übergeben. Weitere MiG-29 würden derzeit gewartet und für einen späteren Transfer vorbereitet, sagte Duda am Donnerstag in Warschau nach einem Treffen mit dem tschechischen Präsidenten Petr Pavel. Eine entsprechende Entscheidung habe die Führung des Landes getroffen, die Regierung habe daraufhin einen Beschluss verabschiedet.

Duda sagte weiter, die polnische Luftwaffe verfüge derzeit über etwa ein Dutzend MiG-29, die Anfang der 90er Jahre aus den Beständen der DDR übernommen worden seien. „Sie sind weiterhin die ganze Zeit als funktionierende MiGs für unsere Luftabwehr im Einsatz.“ Die an die Ukraine abgegebenen Maschinen sollen durch moderne Kampfjets ersetzt werden, die Polen in Südkorea und den USA orderte.

Ukrainische Forderung seit Monaten

Die Ukraine fordert seit Monaten neben Panzern und Artillerie auch Kampfflugzeuge vom Westen, um die von Russland besetzten Gebiete zurückerobern zu können. Die Slowakei und Polen, die Teil der NATO-Ostflanke sind, sind wichtige Unterstützer der benachbarten Ukraine. Andere Verbündete wie die USA und Deutschland unterstützen die Ukraine mit Waffen, lehnen eine Lieferung von Kampfflugzeugen aber bisher ab, insbesondere die von Kiew erbetenen aus westlicher Bauart stammenden F-16.

Teils hatte es in diesen Ländern heftige Debatten über Kampfjets für die Ukraine gegeben. Von anderen Staaten gibt es bisher keine Zusagen, insbesondere zu den von Kiew erbetenen aus westlicher Bauart stammenden F-16.

USA: Ändert nichts an unserer Analyse

Die polnische Entscheidung ändere nichts an der Ablehnung einer solchen Lieferung durch die USA, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, John Kirby. „Das ändert nichts an unserer Analyse. Das steht nicht zur Debatte“, sagte Kirby am Donnerstag und verwies darauf, dass US-Präsident Joe Biden eine Lieferung von Kampfjets vom Typ F-16 an die Ukraine öffentlich abgelehnt hatte.

Der Sprecher der ukrainischen Armee, Jurij Ihnat, hatte nach der Ankündigung aus Warschau erklärt: „Die MiGs werden unsere Probleme nicht lösen, wir brauchen F-16. Aber die MiGs werden unsere Kapazitäten stärken.“

Kreml kritisiert „Eskalation“

Der Kreml kritisierte die von Polen und der Slowakei angekündigten Kampfjetlieferungen an die Ukraine als Eskalation. „Es versteht sich, dass diese Technik im Rahmen der militärischen Spezialoperation der Vernichtung unterliegt“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Freitag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge.

Analyse: Das bedeutet Polens Lieferung von Kampfjets

Die ORF-Korrespondenten Thomas Langpaul und Paul Krisai analysieren, was die Entscheidung Polens, Kampfjets an die Ukraine zu liefern, für die USA und Russland bedeutet.

Die Kampfjets können aus Sicht von Peskow den Kriegsverlauf nicht ändern. Sie würden der Ukraine und dem ukrainischen Volk nur zusätzliche Not bescheren, so der Kreml-Sprecher. „Das ist nur noch ein Beispiel dafür, wie eine ganze Reihe von Mitgliedsländern der NATO ihre direkte Beteiligung am Konflikt erhöht“, kommentierte Peskow Mitteilungen über die geplanten Waffenlieferungen.

Litauen: Wichtige Entwicklung

Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda begrüßte die Ankündigung des Nachbarlands Polen, Kampfjets zu liefern. „Das ist eine wichtige Entwicklung, die den Kampf der Ukraine gegen den Aggressor erheblich stärken wird“, schrieb er am Donnerstag auf Twitter. „Entschlossenheit versetzt Berge. Wahre Führung bringt den Sieg der Ukraine und Frieden in Europa näher“, schrieb Nauseda weiter.

Erste Diskussion kurz nach Invasionsbeginn

Die Diskussion über die polnischen MiG-29 war schon 2022 kurz nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine aufgekommen. In der vergangenen Woche hatte Duda gesagt, sein Land wolle die MiG-29 im Rahmen einer internationalen Koalition an die Ukraine übergeben. Nähere Angaben zu dieser Koalition machte er nun allerdings nicht.

Der polnische Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte im Februar bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine NATO-Entscheidung als Voraussetzung genannt. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin sagte, sein Land werde andere nicht abhalten, Kampfjets zu liefern.

Estland und Litauen schicken Waffen und Ausrüstung

Die baltischen Staaten Estland und Litauen beschlossen am Donnerstag weitere Militärhilfe für die Ukraine. Die estnische Regierung beschloss die Lieferung von halbautomatischen Gewehren, Scharfschützengewehren, Visieren, Ferngläsern, Munition, anderer Ausrüstung, Patrouillenbooten und Wärmebildkameras. Litauens neues Hilfspaket umfasse 155-Millimeter-Munition, Fahrzeuge und Truppenverpflegung, schrieb Verteidigungsminister Arvydas Anusauskas auf Twitter.

Damit steigt Estlands Militärhilfe für die Ukraine nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Tallinn auf einen Gesamtwert von fast 400 Millionen Euro. Litauens Militärhilfe soll bald 450 Millionen Euro erreichen.