Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Udo Landbauer (FPÖ)
APA/Helmut Fohringer
Niederösterreich

ÖVP-FPÖ-Pakt „ganz eigene Dimension“

In Niederösterreich gehen ÖVP und FPÖ für die kommenden fünf Jahre ein Bündnis ein. Das am Freitag präsentierte Arbeitsübereinkommen kam nicht überraschend, scheiterten doch schon zuvor die Verhandlungen mit der SPÖ. Inhaltlich sei man sich mit der FPÖ näher, hieß es. Nach Ansicht von Politologen Peter Filzmaier befindet sich die Zusammenarbeit aber in einer „ganz eigenen Dimension“.

Der Grund dafür liegt in der Vergangenheit. Schon im Vorwort des FPÖ-Wahlkampfprogramms hieß es: „Niederösterreich hat Besseres verdient als die ÖVP.“ In der heißen Phase des Wahlkampfes nannten die Freiheitlichen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) „Mutter der Impfpflicht“ und plakatierten sie als „Moslemmama“. Selbst nach der Wahl wollte die FPÖ mit dem „System Mikl-Leitner“ nichts zu tun haben. Eine Zusammenarbeit mit der ÖVP unter der Landeshauptfrau wurde ausgeschlossen.

Die Zeiten der Angriffe sind vorbei, die FPÖ will mit der ÖVP unter Mikl-Leitner für die nötigen Mehrheiten in der Landesregierung sorgen. Das sorgte für zum Teil scharfe Reaktionen von der politischen Konkurrenz. Insbesondere auf die ÖVP prasselte wegen ihrer Entscheidung, mit den Blauen zusammenzuarbeiten, Kritik nieder.

Die FPÖ stehe für eine „menschenverachtende Politik“, hielt etwa die SPÖ fest. Wer auf die Idee komme, mit „Klimaleugnern und Hetzern einen Pakt einzugehen, hat die Liebe zum Land verloren“, urteilten die Grünen. Ähnliche Kritik äußerte auch NEOS. SOS-Mitmensch plant eine Protestaktion in St. Pölten. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) sprach sich offen gegen die ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit aus.

„In Politik geht es um Macht“

Die einzige logische Erklärung, warum die ÖVP mit der FPÖ und die FPÖ mit der ÖVP zusammenarbeiten möchte, so Filzmaier, sei dem Machtkalkül geschuldet. „In der Politik geht es um Macht“, sagt der Politexperte, wobei er Macht als neutralen Begriff verstanden haben will. „Jeder mit jedem gilt bekanntlich nicht nur auf Länderebene und ist kein Alleinstellungsmerkmal von ÖVP und FPÖ. Wenn man seine Politik durchsetzen will, muss man an der Macht sein.“

Obwohl in Oberösterreich, wo ebenfalls per Proporz regiert wird, bereits ein Arbeitsübereinkommen zwischen ÖVP und FPÖ existiert, sei die „Dimension in Niederösterreich schon eine ganz eigene“. Das, was Landbauer im Wahlkampf über Mikl-Leitner sagte, habe es in Oberösterreich nicht gegeben. Nicht vergessen dürfe man außerdem die NS-Liederbuchaffäre der Burschenschaft von Landbauer und die menschenverachtenden Aussagen von FPÖ-Landesrat Waldhäusl. „Das muss eine Partnerschaft ja auch erst mal verdauen“, so Filzmaier.

ÖVP und FPÖ: Details zu Regierungspakt

Seit Freitag steht es nun fest: in Niederösterreich wird es nach der Landtagswahl künftig ein Arbeitsüberkommen zwischen der ÖVP und der FPÖ gegeben. Am frühen Nachmittag wurden die Details zur künftigen Zusammenarbeit im Land präsentiert.

Der umstrittene Politiker wird der künftigen Landesregierung nicht mehr angehören. Stattdessen soll Waldhäusl jetzt das Amt des Zweiten Landtagspräsidenten übernehmen – mehr dazu in noe.ORF.at. „Wir regieren nicht in andere Parteien hinein und wir verlangen, dass andere Parteien nicht bei uns hineinregieren“, sagte Landbauer am Freitag. Mikl-Leitner hatte Waldhäusl mehrmals kritisiert, zuletzt als er Wiener Schülern und Schülerinnen mit Migrationshintergrund zu verstehen gab, sie seien unerwünscht.

„Starke freiheitliche Handschrift“

Jetzt sprach die Landeshauptfrau in Bezug auf die Zusammenarbeit mit den Blauen von einer „tragfähigen“ Brücke. Es sei jedenfalls keine Liebesbeziehung, „aber es soll eine tragfähige Arbeitsbeziehung werden“. Laut Landbauer sei im Arbeitsübereinkommen eine „starke freiheitliche Handschrift“ erkennbar. Er soll Landeshauptfrau-Stellvertreter werden. Die ÖVP werde das möglich machen, sagte Mikl-Leitner an. Die FPÖ kündigte an, bei der Wahl von Mikl-Leitner ungültig zu wählen. Damit reichen der ÖVP-Chefin die Stimmen des ÖVP-Klubs.

Von 2018 bis 2023 hatte die ÖVP jeweils ein Arbeitsabkommen mit der SPÖ und der FPÖ. Damals hatte die Partei allerdings noch eine absolute Mehrheit, die ihr das Regieren deutlich vereinfachte. Auf die anderen Parteien war sie de facto nicht angewiesen. Bei der Wahl Ende Jänner verlor die ÖVP die Absolute und stellt nun nur noch vier der neun Regierungsmitglieder. Die FPÖ gewann zwei Sitze in der Landesregierung dazu und vereint drei Landesräte auf sich. Die SPÖ konnte trotz Verluste ihre zwei Landesräte halten.

„Es wird spannend zu sehen, wie die ÖVP mit der für sie ungewohnten Situation umgehen wird“, betont Filzmaier. Denn während man in den vergangenen fünf Jahren den einzigen Landesrat der Freiheitlichen in seinem Bereich toleriert habe, steht die ÖVP unter Mikl-Leitner einer FPÖ gegenüber, die man nicht ignorieren kann. „Inhaltlich sind die Differenzen zwischen einer Mitte-rechts-Partei und einer rechten Partei nicht groß. Aber wie soll auf Basis gegenseitiger Verwerfungen das Programm, das man sich vornimmt, abgearbeitet werden?“

Regierung mit Verwerfungen

Die ÖVP argumentierte zuletzt, dass die FPÖ ohnehin nur die zweite Wahl gewesen sei. Zuerst habe man mit der Drittplatzierten, der SPÖ, gesprochen. Das allein sage ja schon alles über das Verhältnis zur FPÖ, meinte Mikl-Leitner. Es gebe Unterschiede und sie verstehe, wenn viele Wähler und Wählerinnen ob der Konstellation irritiert sind, besonders wegen der vergangenen Wochen. Aber nun wolle man gemeinsam Politik für Leistungsträgerinnen und Leistungsträger machen, sagte sie.

Wöginger (ÖVP) zu Nehammers Vision

ÖVP-Klubobmann August Wöginger spricht zu Karl Nehammers (ÖVP) Rede an die Nation.

Das Arbeitsübereinkommen in Niederösterreich passt derzeit aber auch ins Narrativ der Bundes-ÖVP. Dort hatte sich Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) mit seiner Rede „Zur Zukunft der Nation“ inhaltlich klar von den Grünen abgegrenzt und dabei gleichzeitig Richtung FPÖ geschielt. In einem späteren Hintergrundgespräch wollte der ÖVP-Chef selbst keine Vorzeichen für eine künftige Koalition herauslesen. Es gebe sowohl Überschneidungen mit der FPÖ als auch mit der SPÖ, sagte er.

ÖVP-Klubchef August Wöginger ließ sich im ORF-„Report“ auf keine Koalitionsvariante festmachen. „Wir können ja nicht generell eine Partei ausschließen, das bringt ja nichts. Es entscheiden ausschließlich die Wähler, wer mit wem eine Regierung bilden kann“, sagte er. Die Bundes-ÖVP werde Mikl-Leitner jedenfalls dankbar sein, meint Filzmaier. „Sie hat der ÖVP die Diskussion über eine mögliche Koalition mit der FPÖ nach der Wahl 2024 zum Teil jetzt schon abgenommen.“

Die Landes-SPÖ hingegen befinde sich jetzt in einem Zwiespalt, sagt Filzmaier. Wegen des Proporzsystems sitzt sie zwar in der Regierung, kann aber jederzeit von ÖVP und FPÖ überstimmt werden. „Die SPÖ wird sich überlegen müssen, wie sie ihre Arbeit nun auslegt“, so der Politologe. Ob es noch ein eigenes Arbeitsübereinkommen mit der ÖVP geben wird, ist ungewiss.