Frachtschiffe vor Istanbul
AP/Khalil Hamra
In letzter Minute

Getreideabkommen verlängert

Russland und die Ukraine haben den von der UNO und der Türkei zwischen den Kriegsparteien vermittelten Getreidedeal, der Hungersnöte in Afrika und Asien verhindern soll, im letzten Moment verlängert. Stunden vor Auslaufen des Deals gaben die UNO und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan offiziell die Verlängerung bekannt. Russlands Präsident Wladimir Putin flog unterdessen auf die russisch besetzte Krim.

Weder die UNO noch Erdogan bestätigten zunächst allerdings, bis wann es verlängert wird. Ohne eine Einigung wäre das Abkommen am Sonntag ausgelaufen. Kiew hatte zuvor gemeldet, das Abkommen werde um 120 Tage verlängert. Russischen Angaben vor wenigen Tagen zufolge sollte es bloß um 60 Tage verlängert werden. Laut britischen Angaben informierte Moskau alle Vertragsparteien, dass die Verlängerung für 60 Tage gültig sei.

Die Vereinbarung zur Schwarzmeer-Getreideinitiative war unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli 2022 zustande gekommen und sieht eine Freigabe der ukrainischen Häfen und einen Korridor im Schwarzen Meer für den Getreideexport vor. Russland hatte nach Beginn seines Angriffskrieges am 24. Februar 2022 monatelang ukrainische Getreideausfuhren blockiert.

Weltweite Unsicherheit

Die Ukraine und Russland sind wichtige Lieferanten von Weizen, Gerste, Sonnenblumenöl und anderen Nahrungsmitteln für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens. Vor Beginn des Krieges war Russland außerdem der weltweit größte Exporteur von Düngemitteln. Der Ausfall dieser Lieferungen nach der russischen Invasion im Februar 2022 trieb die Lebensmittelpreise weltweit in die Höhe und schürte die Sorge vor einer Hungerkrise in ärmeren Ländern.

Getreideabkommen wird verlängert

Russland und die Ukraine haben sich auf eine Verlängerung des Getreideabkommens geeinigt. Das bestätigte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag. Das im Sommer 2022 unter Vermittlung der UNO und der Türkei vereinbarte und im Herbst um weitere 120 Tage verlängerte Abkommen zur Wiederaufnahme der Getreideexporte wäre morgen ausgelaufen.

„Entscheidend für weltweite Versorgung“

„Nach unseren Gesprächen mit beiden Seiten haben wir die Verlängerung des Abkommens erreicht, das am 19. März auslaufen sollte“, sagte Erdogan bei einer Zeremonie zur Eröffnung einer Einrichtung in Canakkale im Westen der Türkei. Er dankte der Ukraine, Russland und den Vereinten Nationen für ihre Bemühungen um die Aufrechterhaltung des Abkommens, das er als „von entscheidender Bedeutung für die Stabilität der weltweiten Lebensmittelversorgung“ bezeichnete. Mehr als 800 Schiffe hätten im Rahmen des Abkommens bisher 25 Millionen Tonnen Getreide transportiert, sagte der türkische Staatschef.

Zusätzlich gab es eine Vereinbarung mit Russland, die den Export russischer Nahrungs- und Düngemittel erleichtern sollte. Russland hat immer wieder gedroht, die Abkommen platzen zu lassen, und begründete das unter anderem damit, dass seine eigenen Exporte von Getreide und Dünger weiter durch westliche Sanktionen behindert würden.

Putin überraschend auf Krim

Kreml-Chef Wladimir Putin flog unterdessen auf die Schwarzmeeer-Halbinsel Krim. Anlass ist der neunte Jahrestag der international nicht anerkannten russischen Annexion der Krim. Das Staatsfernsehen verbreitete Bilder, auf denen der Kreml-Chef bei der Eröffnung einer Kunstschule für Kinder in Sewastopol zu sehen war.

Es ist der erste Besuch des russischen Präsidenten auf der Krim zum Jahrestag der Annexion seit 2020. Seit Beginn des von ihm befohlenen Angriffskrieges gegen die Ukraine meidet der russische Präsident allgemein frontnahe Gebiete. Ende 2022 testete er immerhin die Befahrbarkeit der Krim-Brücke, die durch einen Anschlag im Herbst schwer beschädigt worden war.

Haftbefehl gegen Putin

Reisen ins Ausland könnten für Putin künftig unterdessen schwieriger und riskanter werden. Einen Tag nach der Ausstellung eines Haftbefehls gegen Putin durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wurde diese Entscheidung von führenden westlichen Politikern erwartungsgemäß begrüßt. US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Entscheidung als „sehr starkes Signal“, der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach von einer „historischen Entscheidung“.

Der Haftbefehl des Gerichts war am Freitag wegen der Verschleppung Tausender ukrainischer Kinder nach Russland im Ukraine-Krieg ergangen. Putin sei mutmaßlich „persönlich verantwortlich“ für die „unrechtmäßige Deportation“ der ukrainischen Kinder auf russisches Territorium, erklärte der IStGH, und sprach von einem Kriegsverbrechen. Auch gegen die Kinderrechtsbeauftragte des russischen Präsidenten, Maria Alexejewna Lwowa-Belowa, wurde Haftbefehl erlassen.

Mehr Risiko bei Reisen in Vertragsstaaten

Moskau bezeichnete den Haftbefehl als „bedeutungslos“, da es die Zuständigkeit des Gerichts nicht anerkennt. Laut Chefankläger Karim Khan könnte Putin nun verhaftet werden, wenn er in einen der 123 Vertragsstaaten des IStGH reist. Allerdings ist das Gericht dabei auf deren Kooperation angewiesen, da es über keine eigenen Polizeikräfte zur Umsetzung des Haftbefehls verfügt.

Bereits in der Vergangenheit haben die Länder nicht immer kooperiert – vor allem, wenn es sich um einen amtierenden Staatschef handelte. Allerdings könnte ein Besuch Putins für solche Länder auch einen Imageschaden bedeuten, und es könnte die Beziehungen zu westlichen Ländern belasten. Ob der Haftbefehl tatsächlich eine Wirkung entfalten wird und wenn ja, welche, ist derzeit freilich noch offen.