Johanna Mikl-Leitner und Udo Landbauer
APA/Georg Hochmuth
ÖVP-FPÖ-Pakt

Covid-Politwende mit Fragezeichen

Im niederösterreichischen Arbeitsübereinkommen hat die ÖVP im Bereich der Pandemiepolitik den FPÖ-Forderungen nachgegeben. Das wird angesichts der ÖVP-internen Macht der Landespartei voraussichtlich Folgen für die geplante Aufarbeitung der Pandemiebekämpfung auf Bundesebene – und den Umgang mit möglichen künftigen Pandemien – haben. Bei der Umsetzung konkreter Maßnahmen, insbesondere der Rückzahlung von Strafen wegen Verstößen gegen Lockdown-Regeln, gibt es laut Experten viele Fragezeichen.

ÖVP und FPÖ werden in den nächsten Jahren zusammenarbeiten, obwohl die Freiheitlichen ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner formal gesehen nicht wiederwählen werden. Mit Nichtabgabe ihrer Stimmen werden die Freiheitlichen freilich die Wiederwahl allein mit ÖVP-Stimmen im Landtag ermöglichen. Vor der Wahl hatte FPÖ-Chef Udo Landbauer dezidiert ausgeschlossen, Mikl-Leitner zu wählen. Die künftige Zusammenarbeit wird wesentlich auch auf der Umsetzung des Kapitels eins des Paktes fußen. Es ist der „Aufarbeitung“ der „Schäden“, die durch „Pandemie und eine Reihe von Maßnahmen“ entstanden seien, gewidmet.

Der Verfassungsjurist Karl Stöger äußerte in der ZIB1 Samstagabend allerdings Zweifel an der Umsetzbarkeit eines der zentralen Punkte in diesem Kapitel und sieht rechtlich eine „ziemliche Herausforderung“. Laut dem Arbeitsübereinkommen sollen jene Strafen, die auf Grundlage von Bestimmungen, die später vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden, vom Land zurückerstattet werden. Die Strafen seien vom Land allerdings im Namen des Bundes verhängt worden, so Stöger. Letztlich müsse daher der Bund entscheiden, ob zurückgezahlt werde. Außerdem sei nicht klar, ob es dafür eine ausreichende Rechtsgrundlage gebe, so Stöger.

ÖVP-FPÖ-Pakt bringt CoV-Strafenrückzahlung

Im Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich nimmt das Thema CoV eine wichtige Stellung ein. Unter anderem ist vorgesehen, dass verfassungswidrige CoV-Strafen zurückgezahlt werden.

Auch laut Verfassungsjurist Heinz Mayer fehlt die Rechtsgrundlage für eine solche Rückzahlung. Denn dass nur Strafen jener Bescheide, deren Grundlage vom VfGH als rechtswidrig aufgehoben wurde, rückerstattet werden sollen, ändere daran nichts, so Mayer gegenüber der „Presse“. Solche Aufhebungen hätten nur Wirkung für die Zukunft, nicht aber rückwirkend.

30 Millionen und viele Anwendungen

Offen ist, wie bewusst ÖVP und FPÖ jeweils die möglichen Probleme bei der Umsetzung waren oder sind. Unklar ist auch, wie Zahlungen aus dem geplanten Fonds, der für die nächsten beiden Jahre mit immerhin 30 Mio. Euro gefüllt wird, erfolgen werden. Neben einer Überprüfung der Maßnahmen soll dieses Geld auch für Beratung und medizinische und psychotherapeutische Therapie bei individuellen Schäden und Mehraufwendungen durch Heimunterricht oder Nachhilfe verwendet werden. Wie die Förderrichtlinien dann formuliert werden und die Vergabe von Förderungen in der Praxis aussieht, dürfte noch für einige Debatten sorgen.

Egal, was von dem im Kapitel „Corona“ vereinbarten Teil wie umgesetzt wird – das politische Signal dürfte jedenfalls seine Wirkung entfalten. Immerhin ist die ÖVP Niederösterreich auch nach den deutlichen Verlusten weiterhin die stärkste Landespartei. Bundeskanzler Karl Nehammer, er kommt aus Niederösterreich, wird das bei seinem auf Bundesebene beabsichtigten „Gräben zuschütten“-Projekt wohl berücksichtigen. Auch im Kontext dessen, dass aus den vergangenen drei Jahren Lehren für den Umgang mit möglichen künftigen Pandemien gezogen werden sollen, ist der niederösterreichische ÖVP-FPÖ-Pakt relevant.

Mayr-Bohusch (ORF) zum ÖVP-FPÖ-Pakt

Andreas Mayr-Bohusch (ORF) ist zu Gast im Studio und spricht über das Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich. Dabei nimmt das Thema CoV eine bedeutende Stellung ein.

Neue Kritik an ÖVP wegen Pakt mit FPÖ

Die Kritik an der Zusammenarbeit der ÖVP mit den Freiheitlichen riss unterdessen auch am Samstag nicht ab. Das Internationale Auschwitz Komitee sieht in der ÖVP-FPÖ-Zusammenarbeit in Niederösterreich ein „bitteres Signal“. Für Überlebende des Holocaust und deren Angehörige sei das „empörend und grauenerregend“, so Vizepräsident Christoph Heubner – mehr dazu in noe.ORF.at.

Besonders in der Kulturbranche regt sich breiter Unmut. Das wurde auch bei der Festivaleröffnung von Imago Dei in Krems deutlich. Schriftsteller Robert Menasse meinte, er könne nicht verstehen, wie die ÖVP, die sich christlichen Grundwerten verpflichtet fühle, mit einer solchen FPÖ zusammenarbeite. Aber vielleicht verstehe er zu wenig vom Christentum, so Menasse ironisch. Sein Kollege Doron Rabinovici verwies darauf, dass die niederösterreichische noch rechtsextremer sei als die Bundespartei – mehr dazu in noe.ORF.at.

Waldhäusl-Abschied als Landesrat

In einer Personalie setzte sich wohl die ÖVP gegenüber der FPÖ durch: Der bisherige freiheitliche Landesrat Gottfried Waldhäusl, der immer wieder mit Aussagen gegen Asylwerber und Migrantinnen auffiel – und zuletzt gegenüber einer Wiener Schulklasse – wird in der kommenden schwarz-blauen Zusammenarbeit überraschend nicht mehr Landesrat sein. Stattdessen wird er Zweiter Landtagspräsident. Im Interview mit Ö1 zeigte er sich damit einverstanden – mehr dazu in noe.ORF.at.