Hauptquartier der Credit Suisse in Zürich
Reuters/Denis Balibouse
„Schicksalstag“

Zähes Ringen um Zukunft der Credit Suisse

In der Schweiz ist von einem „Schicksalstag“ die Rede: Das Ringen um die Zukunft der angeschlagenen Schweizer Großbank Credit Suisse (CS) verläuft zäh – im Raum steht ja eine Übernahme der CS durch den Konkurrenzen UBS. Bei den Verhandlungen von Banken, Behörden und Regierung soll noch vor Börsenstart am Montag eine Lösung her – doch diese zeichnet sich nicht ab: Ein Angebot hat die UBS laut Medienberichten schon auf den Tisch gelegt, was – so wird kolportiert – bei der CS für „blankes Entsetzen“ sorgte. Auch eine Verstaatlichung gilt als nicht mehr ausgeschlossen.

„Financial Times“ („FT“) und Bloomberg berichteten, dass die UBS angeboten habe, ihren kleineren Rivalen für bis zu eine Milliarde Dollar zu kaufen. Offenbar nach Meinung der CS viel zu wenig. So berichtete Bloomberg, dass die CS das Angebot zurückgewiesen hat. Zur Einordnung: Am Freitag war die Schweizer Großbank an der Börse noch rund acht Mrd. Franken wert. Die Schweizer Behörden planten, die Gesetze zu ändern, um eine Aktionärsabstimmung über die Transaktion zu umgehen, schrieb die „FT“.

Wie die „FT“ unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Quellen berichtete, arbeiten die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Schweizer Finanzmarktaufsicht (FIMNA), CS und UBS weiter mit Hochdruck daran, noch im Laufe des Sonntags eine Lösung für eine komplette oder teilweise Übernahme zu finden. Bereits seit den frühen Morgenstunden hält die Regierung nach einem Treffen am Vortag erneut eine Dringlichkeitssitzung ab.

UBS bemüht sich offenbar um Staatsgarantien

Üblicherweise könne eine Übernahme schnellstens in sechs Wochen vollzogen werden, berichtete der SRF. Während dieser Frist sollen Aktionäre eines betroffenen Unternehmens konsultiert werden, hieß es. Gleichzeitig berichteten „FT“ und Bloomberg von Forderungen, die seitens der UBS zur Übernahme gestellt werden. Zentral dabei solle das Gewähren von finanziellen Sicherheiten in der Höhe von sechs Milliarden Dollar (etwa 5,6 Mrd. Euro) seitens des Bundes sein.

Bund zieht offenbar Verstaatlichung in Betracht

Auch eine weitere Variante zeichnete sich am Nachmittag ab: So zieht der Bund als Alternative zur Übernahme durch die UBS die teilweise oder vollständige Verstaatlichung der Credit Suisse in Betracht, wie Bloomberg unter Berufung auf informierte Kreise berichtete. Die Situation sei sehr volatil und könne sich weiter verändern, zitierte Bloomberg die Personen. Die Schweizer Regierung will mehreren Berichten zufolge am Sonntagabend eine Pressekonferenz abhalten.

Die Regierung steht jedenfalls unter Druck: Die CS zählt zu den 30 weltweit systemrelevanten Banken („too big to fail“) – fällt sie aus, hätte das schwerwiegende Folgen für das Finanzsystem. Als einfachste Lösung, dieses Szenario abzuwenden, gilt die Übernahme durch die UBS. Und das vor allem deswegen, weil diese auch am raschesten umgesetzt werden kann. Wie die „FT“ berichtete, soll seitens der SNB und der Finanzmarktaufsicht eine „beschleunigte Fusion“ vorbereitet werden.

Müssen Anleihegläubiger zahlen?

Zur Rettung der CS könnten Insidern zufolge auch die Anleihegläubiger in die Pflicht genommen werden. Die Schweizer Behörden prüfen, ihnen in einem solchen Fall Kosten aufzubürden, wie zwei mit der Situation vertraute Personen zur Nachrichtenagentur Reuters sagten. Die europäischen Aufsichtsbehörden hätten einem solchen Schritt gegenüber jedoch Bedenken. Sie befürchteten, dass das das Vertrauen der Anleger in den europäischen Finanzsektor untergraben könnte.

Reuters-Angaben zufolge hegen Vertreter beider Banken gewichtige Vorbehalte gegen einen Zusammenschluss. Bei UBS gehe es allen voran um Bedenken, den eingeschlagenen und derzeit erfolgreichen Lauf mit der Übernahme einer krisengeschüttelten Bank zu gefährden. Zudem hat die UBS etwaigen Übernahmegerüchten bisher immer eine Absage erteilt. Erst im Jänner vermisste UBS-Verwaltungsratschef Colm Kelleher ein „überzeugendes Szenario“ für eine solche Transaktion.

Offenbar „massiver“ Druck aus dem Ausland

Doch soll der Druck von ausländischen Notenbanken auf die Schweizerische Notenbank sehr hoch sein – der SRF schrieb von „massiven Drohungen“. Die ausländischen Zentralbanken würden ihren Banken in den entsprechenden Ländern namentlich verbieten, mit der CS weiter Geschäfte zu tätigen, sollte deren Rettung nicht gelingen. Reuters berichtete unter Verweis auf einen Insider von „mindestens vier großen Banken“, die beschlossen hätten, Geschäfte mit der CS im Falle eine Nichtrettung einzuschränken.

London gibt offenbar grünes Licht für Übernahme

Wie unterdessen der britische Sender Sky News berichtete, sollen die britischen Bankenaufsichtsbehörden die Übernahme bereits abgesegnet haben. Die Bank of England habe den anderen Nationalbanken und der UBS signalisiert, dass sie die Notfalltransaktion, die die beiden Bankengiganten ankündigen wollten, unterstützen werde, hieß es bei Sky News.

UBS könnte Credit Suisse übernehmen

In der Schweiz könnte die angeschlagene Großbank Credit Suisse von UBS, der größten Bank der Schweiz, übernommen werden. Die UBS fordert für diese Notübernahme aber Staatsgarantien.

Größte und zweitgrößte Schweizer Bank

Eine vollständige Fusion der größten mit der zweitgrößten Schweizer Bank würde eines der größten systemrelevanten Finanzinstitute in Europa schaffen. Die Bilanzsumme der UBS belief sich 2022 auf umgerechnet 1.030 Milliarden Euro, die der CS auf umgerechnet rund 535 Milliarden Euro. Die UBS hatte 2022 einen Gewinn von umgerechnet rund sieben Milliarden Euro erwirtschaftet. Die CS wies dagegen einen Verlust von umgerechnet 7,4 Mrd. Euro aus.

Absage von BlackRock

Man sei „nicht an Plänen beteiligt, die Credit Suisse ganz oder teilweise zu übernehmen, und hat auch kein Interesse an einer solchen Übernahme“, hieß es Reuters-Angaben zufolge unterdessen vom US-Investmentkonzern BlackRock. Diesem wurde von der „FT“ zuvor ebenfalls ein Interesse an einer CS-Übernahme nachgesagt.

„Die Gerüchteküche rund um Credit Suisse brodelt“, so SRF mit Verweis auf die „Aufteilungsszenarien“, die seit Tagen durch diverse Medien geistern. Sollte es zu einer Aufteilung der Bank kommen, werde Schweizer Medienberichten zufolge etwa der Deutschen Bank, aber auch der Schweizer Raiffeisen-Gruppe und der Zürcher Kantonalbank Interesse an bestimmten CS-Geschäftsbereichen nachgesagt.

Hilfszusage und neuerlicher Kurseinbruch

Die SNB hatte erst in der Nacht auf Donnerstag mit einem Eingriff der Großbank CS unter die Arme gegriffen. Sie stellte bis zu 50 Milliarden Schweizer Franken (50,7 Milliarden Euro) für das zweitgrößte Geldinstitut des Landes zur Verfügung. Diese Intervention sorgte für eine vorübergehende Beruhigung der Lage, reichte aber offenbar nicht aus, um die Abwärtsspirale zu brechen.

So setzt nicht nur die Flucht der Privatkunden der Zürcher Bank zu, auch das Geschäft mit anderen Finanzinstituten wird zunehmend schwierig. Mindestens vier große Häuser, darunter die Deutsche Bank und Societe Generale, haben ihre Geschäfte mit CS oder deren Wertpapieren eingeschränkt, wie fünf Personen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit erklärten.

Trotz der umfassenden SNB-Unterstützung brach auch der Kurs der CS am Freitag erneut ein. Der Marktwert der Bank hatte in dieser Woche bereits einen heftigen Rückschlag erlitten, nachdem die Pleite zweier Banken in den USA die Furcht vor Ansteckung befeuerte und es in der Folge zu Kurseinbrüchen vieler Banken kam.

Erinnerung an Swissair-Debakel

Nun dürfte sich die Zukunft der Credit Suisse wohl über das laufende Wochenende entscheiden, so die „Neue Zürcher Zeitung“ („NZZ“), die in diesem Zusammenhang auch auf die Belegschaft der Bank verwies. Allein im Raum Zürich sei mit dem Schicksal der Bank auch das Schicksal von mehr als 10.000 gut bezahlten Jobs verbunden. „Die CS existiert seit 167 Jahren und war der Stolz von Zürich“, erinnerte schließlich das Branchenportal Inside Paradeplatz, wo für die CS gleichzeitig ein „Grounding 2.0“ befürchtet wird.

Auch viele andere Schweizer Medien erinnerten zuletzt an die Swissair-Pleite im Jahr 2001, die nach den Worten des Finanzportals Cash „bis heute als nationale Schande bezeichnet wird“. Parallelen zu der CS heute ortet Cash aber auch in einem weiteren „Debakel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte“ – konkret der 2008 im Sog der Finanzkrise ins Trudeln geratenen und in Folge mit einem 60-Milliarden-Hilfspaket geretteten UBS.