Ausgetrockneter Egger Alm See in Kärnten
ORF.at/Christian Körber
Zeit drängt

1,5 Grad schon in 2030er Jahren erreicht

In seinem neuen Synthesebericht hat der Weltklimarat (IPCC) so deutlich wie nie zuvor gezeigt: Ohne eine tiefgreifende und schnelle Verringerung der klimaschädlichen Treibhausgasemissionen wird noch in diesem Jahrzehnt das 1,5-Grad-Limit überschritten. Mit heftigen Folgen – nicht nur für die Natur, sondern auch für die Menschheit selbst. Doch es gibt auch gute Nachrichten.

Fast alle Szenarien für den kurzfristigen Treibhausgasausstoß der Menschheit sagten eine Erderwärmung um 1,5 Grad im Zeitraum 2030 bis 2035 voraus, so der IPPC-Bericht, der am Montag im schweizerischen Interlaken vorgestellt wurde. Aktuell liegt die durchschnittliche Erwärmung bei etwa 1,1 Grad, in Österreich sogar bei rund zwei Grad.

Die Emissionen sollten daher bereits jetzt zurückgehen und müssen bis 2030 um fast die Hälfte gesenkt werden, wenn die Erwärmung wie vereinbart auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit (1850 bis 1900) begrenzt werden soll.

Traktor auf trockenem Feld
APA/Helmut Fohringer
Schon jetzt sind die Folgen der Klimakrise spürbar – schnelles Handeln ist gefragt

Verheerende Folgen von mehr als 1,5 Grad Erwärmung

Die Folgen von mehr als 1,5 Grad Erwärmung wären verheerend: Fortgesetzte Emissionen würden dazu führen, dass alle wichtigen Komponenten des Klimasystems weiter beeinträchtigt werden. Mit jedem weiteren Schritt der globalen Erwärmung werden die Veränderungen bei den Extremen zunehmen, heißt es in der „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“.

„Die Klimazeitbombe tickt“

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres hat den neuen Synthesebericht des Weltklimarats (IPCC) als „Überlebensleitfaden für die Menschheit“ bezeichnet. Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, in Reichweite zu halten, sei ein „Quantensprung bei den Klimamaßnahmen“ in allen Bereichen und in allen Ländern notwendig. „Die Menschheit steht auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt schnell“, so Guterres in einer Videobotschaft.

„Die Klimazeitbombe tickt“

„Die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre ist so hoch wie zuletzt vor zwei Millionen Jahren. Die Klimazeitbombe tickt“, sagte UNO-Generalsekretär Antonio Guterres. „Aber der heutige IPCC-Bericht ist ein Leitfaden zur Entschärfung der Klimazeitbombe. Er ist ein Überlebensleitfaden für die Menschheit.“ Er nahm dafür die Industrieländer, die auch historisch für den größten Teil der Emissionen von Treibhausgasen (THG) verantwortlich sind, in die Pflicht.

„Insbesondere müssen sich die Staats- und Regierungschefs der Industrieländer verpflichten, Netto-Null (Klimaneutralität) so nah wie möglich am Jahr 2040 zu erreichen. Alle sollten darauf abzielen, diese Grenze zu respektieren. Das kann geschafft werden.“ Aufstrebende Volkswirtschaften sollten 2050 anpeilen.

Denn: „Die Menschheit steht auf dünnem Eis – und dieses Eis schmilzt schnell.“ Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens in Reichweite zu halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei ein „Quantensprung bei den Klimamaßnahmen“ in allen Bereichen und in allen Ländern notwendig.

Ausgetrocknetes Bachbett
ORF.at/Dominique Hammer
Um durchschnittlich 1,1 Grad stiegen die Temperaturen bisher – in Österreich sogar um rund zwei Grad

Schnelle und nachhaltige THG-Reduktion gefordert

Laut IPCC-Bericht sind bereits jetzt einige künftige Veränderungen unvermeidlich oder gar unumkehrbar, aber mit einer schnellen und nachhaltigen globalen THG-Reduktion könnten sie begrenzt werden, heißt es in der Zusammenfassung der drei Arbeitsgruppenberichte.

Weltklimarat (IPCC)

Das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) wurde 1988 von der UNO-Umweltorganisation (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Seine Aufgabe ist es, die Politik neutral über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaveränderung und über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren. Dem IPCC gehören 195 Staaten an.

Doch fünf Jahre nach der ersten Publikation sei die Herausforderung noch größer, denn die Treibhausgasemissionen stiegen weiter, und die aktuellen Pläne seien unzureichend, um den Klimawandel zu bekämpfen, warnte der IPCC. Die Klimakrise schreitet schneller voran, und die Folgen sind stärker als zunächst gedacht, heißt es dort weiter. In Zukunft könnte die Klimakrise also eskalieren.

Auswirkungen auf alle Lebensbereiche

Der Klimawandel habe bereits die Ernährungssicherheit verringert und die Wasserversorgung beeinträchtigt. Die bereits weit verbreiteten negativen Auswirkungen und die damit verbundenen Verluste und Schäden (Loss and Damage), die bei Natur und Menschen verursacht wurden, hätten sich zudem ungleich über Systeme, Regionen und Sektoren verteilt.

Wirtschaftliche Schäden durch die Klimakrise wurden in Sektoren wie Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Energie und Tourismus festgestellt. In städtischen Gebieten wurden nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, den Lebensunterhalt und wichtige Infrastrukturen festgestellt.

Erwärmung kann rückgängig gemacht werden

Der Weltklimarat wies aber auch darauf hin, dass die Erwärmung im Falle eines Überschreitens eines bestimmten Niveaus, etwa der 1,5-Grad-Grenze, trotzdem schrittweise wieder reduziert werden könne. Nötig wäre dazu aber ein negativer globaler Netto-CO2-Ausstoß, der nicht nur erreicht, sondern auch aufrechterhalten werden müsste.

Der Weltklimarat legte in den vergangenen gut 18 Monaten drei Arbeitsgruppenberichte über den Forschungsstand zur Klimakrise vor. Der 3.000 Seiten starke Synthesebericht fasst eine Reihe von Analysen der vergangenen Jahre und damit Hunderttausende Fachartikel zusammen. All die genannten Aussagen wurden jeweils mit „hohem Vertrauen“ von den Wissenschaftlern quantifiziert. Die wichtigsten Thesen wurden nun in einer einwöchigen Sitzung Punkt für Punkt von Vertreterinnen und Vertretern der 195 Mitgliedsländer abgesegnet.

„Effektive und gerechte Klimamaßnahmen zu etablieren wird nicht nur die Verluste und Schäden für Natur und Menschen verringern, es wird auch weitreichendere Vorteile bringen“, sagte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee bei der Präsentation. Der neue Sachstandsbericht seines Gremiums zeige, dass, „wenn wir jetzt handeln, wir immer noch eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für alle sicherstellen können“.