Ukrainische Artillerieeinheit im Feld
Reuters/Oleksandr Ratushniak
Neues EU-Munitionspaket

Eine Million Artilleriegeschoße für Ukraine

Die EU-Staaten wollen verhindern, dass der Ukraine im russischen Angriffskrieg die Munition ausgeht. Am Montag einigten sich die zuständigen EU-Ministerinnen und -Minister darauf, der Ukraine in den kommenden zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschoße zu liefern. Um die Kosten gerecht zu verteilen, sollen rund zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert werden. Österreich will im Zuge der gemeinsamen Beschaffung seine eigenen Bestände auffüllen.

Das Geld für die Waffenlieferungen soll aus der Friedensfazilität kommen. Bei ihr handelt es sich um ein Finanzierungsinstrument, über das die EU bereits derzeit Waffen und Ausrüstung liefert sowie die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte fördert.

Von den zwei Milliarden Euro soll eine Milliarde für Rückerstattungen an jene Mitgliedsstaaten genutzt werden, die zügig aus ihren eigenen Beständen an das von Russland angegriffene Land liefern. Die zweite Milliarde soll gemeinsame Beschaffungsprojekte voranbringen. Die Idee ist, dass durch Sammelbestellungen Preise gedrückt und Bestellungen beschleunigt werden.

Hintergrund der neuen Pläne sind Sorgen, dass der Ukraine in der nächsten Zeit wichtige Munition fehlen könnte. Dabei geht es insbesondere um Artilleriegeschoße im Kaliber 155 Millimeter. Die EU-Kommission und der Außenbeauftragte Josep Borrell hatten deshalb kürzlich einen Plan vorgelegt, wie mögliche Lieferungen beschleunigt werden könnten. Darin war auch noch davon die Rede gewesen, dass bis zu 90 Prozent der Kosten für die Munition aus EU-Mitteln übernommen werden sollten. Dagegen hatte es jedoch von mehreren Ländern Widerstand gegeben, weil die Quote bisher deutlich niedriger lag.

EU-Munitionspaket für Ukraine

Siebzehn EU-Länder und Norwegen haben sich darauf geeinigt, der Ukraine im kommenden Jahr eine Million neue Artilleriegeschoße zu liefern.

Österreich hofft auf Synergieeffekte

Außenminister Alexander Schallenberg und Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (beide ÖVP) vertraten Österreich bei der Sitzung. Die Bundesregierung will über eine gemeinsame Beschaffung von Munition auf EU-Ebene die eigenen Lagerbestände auffüllen.

Artilleriegeschoße bei einer NATO-Übung
Reuters/Andreas Gebert
Die Munition vom Kaliber 155 kann in verschiedenen Geschützen verwendet werden

„Natürlich müssen Mitgliedsstaaten schauen, dass ihre eigenen Bestände weiterhin ausreichend gefüllt sind“, sagte Schallenberg am Montag vor dem Treffen mit seinen EU-Amtskollegen. Durch die gemeinsame Beschaffung hoffe man auf Synergieeffekte und Verbilligungen, da würde sich Österreich gerne beteiligen.

„Wir haben am 24. Februar (2022, Anm.) erlebt, dass die Situation sich ändern kann, dass die Welt weit gefährlicher und weit konfrontativer werden kann“, so Schallenberg im Hinblick auf den Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine vor rund einem Jahr. „Das Wunschdenken, dass man mit leeren Kasernen, leeren Munitionsbeständen in dieser Welt bestehen kann, hat sich als falsch erwiesen“, ergänzte er. Österreich als neutrales Land werde keine Munition an die Ukraine liefern, sondern eben seine eigenen Bestände füllen.

Nehammer: Keine militärische, aber humanitäre Hilfe

Details zu der Bestellung wollte Tanner noch nicht nennen. „Das wird sich dann zeigen“, sagte die Verteidigungsministerin am Nachmittag in Brüssel. Dass durch die Munitionsbestellung Österreichs Nachteile für die Ukraine entstehen, sieht die ÖVP-Ministerin nicht. „Nein, überhaupt nicht, man darf nicht übersehen, dass wir im eigenen Land auch Notwendigkeiten haben“, sagte sie auf eine entsprechende Frage.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sagte dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Montag weitere Unterstützung Österreichs zu. „Als neutrales Land können und werden wir keine militärische Unterstützung leisten, aber was wir können, ist humanitäre Hilfe, um das Leid der Menschen in der Ukraine zu lindern und schwer verletzte Frauen und Kinder in Österreich zu behandeln“, sagte Nehammer bei einem Telefonat mit Selenskyj.

Selenskyj dankt EU und USA für Militärhilfe

In seiner täglichen Videobotschaft bedankte sich Selenskyj bei der EU für die neue militärische Hilfe. „Vorgesehen sind rasche Lieferungen und auch die Produktion von Munition“, so der ukrainische Präsident. Er bedankte sich auch bei den USA, die laut Selenskyj ein neues Verteidigungspaket für 350 Millionen US-Dollar (326 Millionen Euro) zum Kauf neuer Waffen und Munition geschnürt haben. „Das stärkt die Überzeugung, dass wir geeint sind, dass die Bewegung hin zum Sieg über den Terrorstaat nicht zu stoppen ist“, so der ukrainische Präsident.

Gewaltiger Munitionsverbrauch

Die russischen Streitkräfte feuern nach Zahlen aus einem Hintergrundpapier der Regierung Estlands durchschnittlich zwischen 600.000 und 1,8 Millionen Schuss Artilleriemunition pro Monat ab, die Ukraine hingegen nur 60.000 bis 210.000 Schuss. Die aktuelle Produktionskapazität der europäischen Rüstungsindustrie liegt den Angaben zufolge derzeit bei 20.000 bis 25.000 Schuss pro Monat. Möglich wäre eine Ausweitung auf 175.000 Schuss.

Dabei wird nach Einschätzung westlicher Experten auch auf russischer Seite die Munition knapp. Der Chef der russischen Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, klagte bereits wiederholt über fehlende Artilleriegeschoße und Patronen.

Russland will das Thema nach eigenen Ankündigungen auch beim Moskau-Besuch von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ansprechen. Zu den Gesprächen soll auch Verteidigungsminister Sergej Schoigu hinzugezogen werden. Dass der chinesische Staatschef Russlands Präsident Wladimir Putin ähnliche Hilfe zusagen könnte, galt allerdings als unwahrscheinlich. China müsste westliche Sanktionen befürchten, sollte es Russland Waffen liefern.