Sitzung von Bundeshauptleuten und GECKO
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GECKO und Politik

Verhältnis war oft schwierig

Die gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination (GECKO) löst sich mit 31. März drei Monate vor Ablauf ihres Mandates auf. Einige Mitglieder des Gremiums hatten im Vorfeld angekündigt, ihre Tätigkeit frühzeitig zu beenden, und unter anderem „politische Entwicklungen“ als Grund genannt. Gänzlich friktionsfrei war das Verhältnis zwischen dem Gremium und der Politik allerdings von Beginn an nicht.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war Montagabend dem Vorschlag einer Mehrheit der GECKO-Mitglieder nachgekommen, diese vorzeitig aufzulösen. Der „Kurier“ hatte zuvor berichtet, dass die GECKO-Mitglieder Generalmajor Thomas Starlinger, der Virologe Andreas Bergthaler sowie der Simulationsforscher Niki Popper die Kommission vor Ende ihrer Laufzeit verlassen wollten.

In dem Zeitungsbericht war davon die Rede, dass der Sager von Bundeskanzler Nehammer, man sei während der Pandemie zu „expertenhörig gewesen“, für heftige Irritationen bei ihnen gesorgt habe. Den tatsächlichen Ausschlag hätten aber die Entwicklungen in Niederösterreich gegeben. Dort hatten ÖVP und FPÖ in ihrem Arbeitsübereinkommen beschlossen, alle Werbemaßnahmen für die Coronavirus-Impfung einzustellen und CoV-Strafen zurückzuzahlen.

Unmut über Regierung

In der Wissenschaft sorgt der Umgang der Politik mit der Expertise von Beratern in der GECKO-Kommission zunehmend für Unmut. Das Gremium hat sich aufgelöst.

Bergthaler: „Politischen Entwicklungen“ geschuldet

Bergthaler bestätigte am Dienstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, dass er und andere Mitglieder in der Sitzung ihren Austritt aus der Kommission im April angekündigt hatten. „Meine Beweggründe waren politischen Entwicklungen geschuldet“, so Bergthaler, „die für mich mit dem ursprünglichen Beratungsmandat nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Ein weiterer Grund war der unklare Arbeitsauftrag bis zum geplanten Ende des Gremiums im Juni.“ Das habe auch damit zu tun, dass es „gefühlt“ die „akute Krise in der Form nicht mehr gibt“, so Bergthaler weiter.

Popper: „Man hört die Lauten und Polternden“

Simulationsforscher Popper schloss sich Bergthalers Argumenten nach eigenen Angaben an. Auch er habe seinen Abschied für April avisiert. Es seien mittlerweile Modelle für (aus formalen Gründen) in GECKO stellbare Fragen weniger sinnvoll, schrieb er auf Twitter. Andere Fragen „sind jetzt wichtiger, wie Interaktion von Covid-19 mit anderen Infektionen“ und die integrierte Versorgung zwischen Spitälern und Ärztinnen und Ärzten.

Andererseits schätze er die Entwicklung außerhalb des Gremiums „kritisch ein“, so Popper weiter. „Man hört die Lauten und Polternden (von allen Seiten). Wissenschaft soll aber dabei helfen, dass die Leisen gehört werden. Ich sehe die Gefahr, dass unsere Fortschritte in Gecko tlw. wieder verloren gehen“, twitterte er. Der Infektiologe Herwig Kollaritsch sagte gegenüber der ZIB, er habe seit Dezember keine wesentliche Arbeit mehr für GECKO leisten können, die Niederschlag in einer politischen Entscheidung gefunden habe.

Angesiedelt im Kanzleramt

GECKO war im Dezember 2021 per Ministerratsbeschluss gegründet worden. Geleitet wird das Gremium von Katharina Reich, Generaldirektorin für die öffentliche Gesundheit, und Generalstabschef Rudolf Striedinger. Angesiedelt ist die Kommission, der rund 20 Expertinnen und Experten angehören, im Bundeskanzleramt.

Als Aufgaben der Kommission definiert wurden die Vorhersage der Pandemieentwicklung, das Formulieren von „Empfehlungen für politische Entscheidungen“ sowie die Sicherstellung eines bundesweit koordinierten Vorgehens insbesondere in den Bereichen Impfen, Testen und Arzneimittelversorgung.

Wissenschaftler Eberl über die Pandemie

Zur politischen Aufarbeitung der CoV-Pandemie spricht Jakob-Moritz Eberl im Studio. Die Stimmung in der Bevölkerung habe sich gedreht.

Kritik an Zusammensetzung des Gremiums

Im Gremium vertreten sind nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, sondern etwa auch Wirtschaftskammer-Generalsekretär Karlheinz Kopf und Volker Schörghofer vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger. Die Zusammensetzung sorgte auch für Kritik.

„Die Krisenkoordination GECKO, die ja als Vorzeigegremium gilt, ist nur mit ein paar unabhängigen Wissenschaftlern besetzt, sonst sitzen dort Personen aus der Ärztekammer, Apothekerkammer, Sozialversicherung etc. Personen, die eine eigene Agenda verfolgen", sagte der Epidemiologe Gerald Gartlehner der „Presse“.

Bundeskanzler Nehammer bedankte sich Montagabend „ausdrücklich für den ehrenamtlichen Einsatz der Expertinnen und Experten, die die Bundesregierung in dieser schweren Zeit begleitet, mit ihrer Expertise unterstützt und beraten haben“. GECKO-Leiter Striedinger hatte nach der Sitzung am Montag gemeint, er fühlte sich von der Politik nicht missachtet: „Der Bundeskanzler hat immer auf uns gehört“, sagte er – aber jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, wo man zum Urteil gekommen sei, dass die Beratungsarbeit nicht mehr nötig ist.

Energie „in keinem Verhältnis zur Wirkung“

Das Verhältnis zwischen dem Gremium und der Politik war allerdings von Anfang an nicht immer einfach. Am 22. Dezember 2021 verkündete Reich angesichts der damals herannahenden Omikron-Welle Verschärfungen, darunter eine Vorverlegung der Sperrstunden. Die Vorschläge der Gruppe seien von Bund und Ländern einhellig angenommen worden, betonte Reich.

Was folgte, war heftige Kritik insbesondere aus der Wirtschaft. Einzelne GECKO-Mitglieder sollen sich laut Medienberichten damals schon unzufrieden damit gezeigt haben, von der Politik bei der Verkündung unpopulärer Maßnahmen vorgeschickt zu werden.

Ein weiterer Streitpunkt folgte im Frühjahr 2022. Trotz hoher Infektionszahlen gab die Regierung umfangreiche Öffnungsschritte bekannt. Die Kommission wurde im Vorfeld offenbar nicht konsultiert, was für Unmut sorgte. „Es bestand die Gefahr, dass das eine Alibiaktion der Regierung ist und wir nur als Feigenblatt verwendet, um nicht zu sagen, missbraucht zu werden“, zitierte der Innenpolitikjournalist Josef Votzi damals in seiner „Trend“-Kolumne einige GECKO-Mitglieder. „Dieser Verdacht beginnt sich nun mehr als zu bestätigen.“

Foitik kehrte Kommission den Rücken

ÖVP-Bildungsminister Martin Polaschek berief sich bei seiner Entscheidung, die Maskenpflicht an Schulen fast gänzlich abzuschaffen, gar auf die „Gesamteinschätzung“ von GECKO. Mitglieder des Gremiums widersprachen umgehend. Einer davon war der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, Gerry Foitik, der GECKO vor ziemlich genau einem Jahr den Rücken kehrte.

Generaldirektorin für öffentliche Gesundheit Katharina Reich
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GECKO-Leiterin Reich: Gremiumsmitglieder äußerten Unmut darüber, „Feigenblatt“ für politische Entscheidungen zu sein

Foitik begründete seinen Abgang in der ZIB2 nicht nur mit dem „gelegentlichen“ Eindruck, dass GECKO von der Politik instrumentalisiert wurde. Als ersten Grund nannte er, dass er in seiner Rotkreuz-Funktion an Empathie und Solidarität mit den Schwächsten orientiert sei – aber derzeit „oft nur achselzuckend zur Kenntnis genommen wird“, dass wöchentlich rund 200 Menschen an Covid-19 sterben. Zudem sei ihm klar geworden, dass die in GECKO gesteckte Energie „in keinem vernünftigen Verhältnis zur Wirkung stand“.

Rauch: Zeitpunkt „natürlich kein Zufall“

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) würdigte am Dienstag die Arbeit der Fachleute. Dabei sprach er auch Anfeindungen von außen an, die bis zur Leugnung naturwissenschaftlicher Fakten und vielfach bestätigter Forschungsergebnisse gegangen seien. Das sei „unerträglich“, so Rauch.

„Die Empfehlung der Mitglieder, das Gremium aufzulösen, ist selbstverständlich zur Kenntnis zu nehmen. Dass dies zu einem Zeitpunkt passiert, an dem wissenschaftliche Erkenntnisse von einer Landesregierung infrage gestellt werden, ist natürlich kein Zufall“, sagte er – wohl mit Blick auf Niederösterreich.

Im ÖVP-FPÖ-Arbeitsübereinkommen wurde unter anderem vereinbart, dass das Land Niederösterreich keine weiteren Werbemaßnahmen für die CoV-Impfung durchführt. „Die Impfung hat Tausende Menschenleben in Österreich gerettet. Das werde ich auch in Zukunft deutlich sagen“, betonte Rauch.

Kickl sieht überfälligen Schritt

FPÖ-Chef Herbert Kickl bezeichnete den Schritt der vorzeitigen GECKO-Auflösung am Dienstag als „längst überfällig“. Dieser komme aber „wie so vieles dieser schwarz-grünen Bundesregierung beim Thema Covid viel zu spät und kann Geschehenes sicherlich nicht ungeschehen machen“.

„Deshalb fordern wir Freiheitliche eine echte Aufklärung der Corona-Geschehnisse und Verflechtungen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss und laden nach wie vor alle Parteien dazu ein“, so Kickl.