Pflaster nach Impfung
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CoV-Impfwerbung

Niederösterreichs Gegenkurs als Symbol

Niederösterreich will künftig nicht mehr für die Coronavirus-Impfung werben. Der Plan gilt als weiteres Symbol einer CoV-Politik mit blauer Handschrift. In der Praxis dürften sich die Auswirkungen allerdings in Grenzen halten – kann doch auch der Bund für die Impfung im Land werben. Ob und in welchem Ausmaß die Regierung zusätzliche Impfkampagnen durchführen wird, ist noch unklar.

In den vergangenen Jahren wurde die Coronavirus-Pandemie von einigen Werbemaßnahmen begleitet. Ein Babyelefant musste als Maßeinheit für den Mindestabstand herhalten, die Kampagne „Schau auf dich, schau auf mich“ setzte auf den Solidaritätsgedanken: Wer sich an die Maßnahmen hält, schützt sich und die Mitmenschen. Mit dem Verschwinden der gesetzlichen CoV-Regeln wurden diese Kampagnen quasi obsolet. Die Covid-19-Impfung wurde aber weiterhin sowohl regional als auch bundesweit beworben.

Die Frage, wie es mit der Impfwerbung weitergeht, hatten jedenfalls ÖVP und FPÖ in Niederösterreich für sich schon entschieden: „Das Land Niederösterreich wird keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung durchführen.“ Die Absicht, die Schutzimpfung nicht mehr zu bewerben, ist nur ein Teil des gesamten Coronavirus-Kapitels im ÖVP-FPÖ-Arbeitsübereinkommen. Von vielen Fachleuten werden die Maßnahmen als Schwenk der Coronavirus-Politik interpretiert, die nun federführend von den Freiheitlichen vorangetrieben werde.

„Verletzung der Schutzpflicht des Staates“

Neben rechtlichen Zweifeln an der Umsetzung der Pläne (insbesondere bei der Rückzahlung von Covid-Strafen) wurde das Kapitel Coronavirus im Arbeitsübereinkommen vonseiten der Wissenschaft scharf kritisiert. Die Bioethikkommission, ein Beratungsgremium des Bundeskanzlers, hatte in einem Papier erst kürzlich von „politischen Verlautbarungen“ gesprochen, die zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse negieren würden. Die Richtung, die in Debatten eingeschlagen wird, sei „höchst bedenklich, teilweise geradezu unethisch“.

Ohne das niederösterreichische Vorhaben beim Namen zu nennen, schrieb die mit renommierten Expertinnen und Experten besetzte Kommission, dass die Ablehnung einer öffentlichen Propagierung der CoV-Impfung als Verletzung der Schutzpflicht des Staates einzustufen sei. Fehlende öffentliche Information könnte nämlich dazu führen, „dass wirksame Instrumente zum Schutz vulnerabler Gruppen in Misskredit geraten, und dadurch indirekt eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung bewirken“.

Werbung in, aber nicht von Niederösterreich

Für Medizinrechtler Karl Stöger hat die angekündigte Maßnahme in erster Linie einen „starken symbolischen Wert“. Denn grundsätzlich kann der Bund auch weiterhin für die Coronavirus-Impfung auf dem gesamten Bundesgebiet werben, sagt der Rechtsprofessor der Universität Wien im Gespräch mit ORF.at. Das Land Niederösterreich habe durch das Arbeitsübereinkommen lediglich bekräftigt, für die Impfung selbst keine Kampagne mehr durchzuführen. Ein Werbeverbot sei hingegen nicht möglich, so Stöger.

Start der Vorarlberger Impfkampagne „Wir wollen wieder“
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Während der Pandemie wurde in den Ländern für die Impfung geworben

Der niederösterreichische Plan könnte allerdings das „zielgerichtete Werben“ des Bundes erschweren. Der Staat habe aktiv Bemühungen zu ergreifen, um das menschliche Leben zu schützen, sagt Stöger. Unter solchen Bemühungen könne auch das Informieren über Impfungen fallen. „Während der Pandemie erhielten Gemeinden und Länder Geld, um ihre Kampagnen durchzuführen. Künftig müsste sich der Bund in Niederösterreich selbst darum kümmern.“

Überhaupt stellt sich die Frage, wie weit ÖVP und FPÖ den Begriff „Werbemaßnahmen“ dehnen werden. Denn das Land, niedergelassene Ärzte sowie die Ärztekammer in Niederösterreich werden wohl auch weiterhin über das Impfangebot im Bundesland informieren. Weil viele Impfzentren schon geschlossen wurden bzw. bald schließen werden, wird sich das Impfen früher oder später dann gänzlich in den niedergelassenen Bereich verlagern.

Fraglich, ob zusätzlich geworben wird

Nicht vergessen werden darf, dass der Bund seit dem Impfstart im Dezember 2020 auf diversen Plattformen sowohl über die Impfung als auch über die Wege zur Impfung aufklärt. Das gehört zu den Aufgaben des Gesundheitsministeriums. Freilich kamen die Werbekampagnen nicht immer gut an. Kritik gab es an den Kosten, dem Nutzen und der inhaltlichen Aufmachung. Manchmal waren sie für Fachleute auch zu zögerlich und zu spät.

Die derzeit über den Bund laufende Kampagne „#GemeinsamGeimpft“ existiert seit März 2022. Auf der entsprechenden Website wird jedoch prominent das „Ende des Krisenmodus“ beschrieben. „Die Website Gemeinsamgeimpft.at wird jedenfalls bis 30. Juni betrieben, was danach mit der Website passiert, befindet sich derzeit in Abklärung“, hält das Gesundheitsministerium auf ORF.at-Nachfrage fest. Auf Basis der aktuellen Impfempfehlungen werden bis Ende Juni weiterhin Erinnerungsschreiben versandt.

Plakat mit dem Angebot zur Corona-Impfung in Salzburg
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Wenn der Bund möchte, kann er auch ohne Länder Impfwerbungen durchführen

Mit Ende Juni enden alle Coronavirus-Maßnahmen, das entsprechende Gesetz wird nicht mehr – wie in den vergangenen CoV-Pandemiejahren üblich – verlängert. Derzeit seien laut Gesundheitsministerium „keine zusätzlichen Maßnahmen zur Bewerbung der Corona-Schutzimpfung geplant“. Was in Sachen Impfwerbung nach dem Sommer passiert, ist noch unklar. „Ausschlaggebend hierfür sind die epidemiologischen Entwicklungen (Infektionsgeschehen, Entwicklung der Virusvarianten etc.) in den kommenden Monaten, Empfehlungen des nationalen Impfgremiums sowie Empfehlungen auf EU-Ebene“, so das Ministerium.

Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) hatte zumindest mit Blick auf Niederösterreich zuletzt gemeint, dass er „weiterhin“ für die Coronavirus-Impfung eintreten werde, „weil sie vor allem auch ältere Personen, die besonders gefährdet sind, gut vor Long Covid schützt“. Im Herbst, so betonte er, werde es seitens des Ministeriums auch für Niederösterreich einen Auffrischungsaufruf geben.

Viel „Symbolik“ in Niederösterreich

„Der Bund kann selbstverständlich in Niederösterreich werben“, sagt Verwaltungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck. Dass ein Bundesland für sich selbst explizit ausgeschlossen hat, für eine Impfung zu werben, sei vielmehr eine „Symbolik“, die man durchaus hinterfragen könne. Denn auf der praktischen Ebene sei es eindeutig: Selbst wenn ein Bundesland nicht mehr möchte, der Bund kann dort trotzdem für die Schutzimpfung werben und die Bevölkerung damit motivieren, sich zu impfen.

Spannender sei die Frage, ob die Bundesregierung die Bundesländer dazu verpflichten kann, selbst Werbemaßnahmen durchzuführen. Über die mittelbare Bundesverwaltung seien die Landeshauptleute der Regierung und ihren Mitgliedern gegenüber zwar weisungsgebunden, sagt der Jurist. Weil in diesem Bereich aber die gesetzliche Grundlage fehlt, könnte es für den Gesundheitsminister schwierig werden, den Ländern eigenständige Kampagnen aufzutragen.

Zumindest indirekt gab es diesen Fall im Sinne eines Anreizsystems. Im Zuge der Impfpflicht, die letztlich nie umgesetzt wurde, erhielten die Gemeinden und Städte 75 Millionen Euro, um bis Ende Dezember 2022 für die Impfung online, im Printbereich oder persönlich zu werben. Die Zweckbindung wurde im November allerdings aufgehoben. Die Gemeinden und Städte konnten das Geld behalten, selbst wenn sie bis dato nicht für die Impfung geworben hatten. Jene, die das doch taten, konnten das Geld zurückfordern.