Paetongtarn Shinawatra
AP/Sakchai Lalit
Vor Wahl in Thailand

Tochter von Ex-Premier mit Zug zur Macht

Am 14. Mai wird in Thailand gewählt. Große Chancen werden dabei der Oppositionskandidatin Paetongtarn Shinawatra prognostiziert. In einer aktuellen Umfrage liegt sie klar voran. Doch hinter ihr steht eine umstrittene Milliardärsfamilie. Die hat Thailands Politik in den letzten 20 Jahren zwar entscheidend geprägt, musste gleichzeitig aber auch Korruptionsvorwürfe verantworten.

Mit dem Ziel, neue Premierministerin von Thailand zu werden, geht Paetongtarn Shinawatra in die kommende Parlamentswahl. Vor Kurzem hatte sie sogar erklärt, sie wolle bei der Wahl einen Erdrutschsieg erzielen. In einer jüngsten Umfrage des National Institute of Development Administration (NIDA) lag die Kandidatin der größten Oppositionspartei Pheu Thai mit 38,2 Prozent Zuspruch immerhin an erster Stelle. Damit liegt sie klar vor der Oppositionskandidatin der Move-Forward-Partei, Pita Limjaroenrat (15,75 Prozent) und dem derzeitigen Premierminister Thailands, Prayuth Chan-ocha (15,65 Prozent), der sich mit der Partei United Thai Nation der Wiederwahl stellt.

Paetongtarn Shinawatra ist für viele Thailänderinnen und Thailänder keine Unbekannte. Die 36-Jährige ist in der Bevölkerung vor allem durch ihren Nachnamen bekannt. Die Shinawatras sind eine Milliardärsfamilie, die seit Beginn der 2000er Jahre das Land politisch mitgestaltet haben. Ihr größtes Aushängeschild ist der ehemalige Premierminister und Vater der jetzigen Kandidatin, Thaksin Shinawatra.

Die Ära der Shinawatras

Thaksin Shinawatra hatte sich in der Telekommunikationsbranche einen Namen gemacht und wurde damit zu einem der reichsten Männer Thailands. Bei der Wahl 2001 feierte er mit seiner Partei Thai-Rak-Thai-Partei (TRT) einen Erdrutschsieg und wurde anschließend Premierminister.

Besonders auf dem Land und bei den Wählerinnen und Wählern der Arbeiterklasse war der mittlerweile 73-Jährige sehr beliebt. Von vielen Menschen der Mittel- und Oberschicht wurde er allerdings verabscheut. Sie warfen ihm unter anderem Vetternwirtschaft und populistischen Stimmenkauf vor.

2006 putschte sich das Militär an die Macht und verbot seine Thai-Rak-Thai-Partei. Als ihm unter anderem eine Haftstrafe drohte, floh Thaksin Shinawatra ins Ausland, wo er seitdem im Exil lebt. Beobachterinnen und Beobachter sagten, dass er im Hintergrund aber weiter die Politik Thailands beeinflusst.

Marionette ihres Bruders

Die politische Ära der Shinawatra-Dynastie sollte allerdings nicht vorbei sein. 2011 trat die Schwester des ehemaligen Premiers, Yingluck Shinawatra, mit der zuvor neu gegründeten Partei Pheu Thai an und konnte die Wahl klar für sich entscheiden. Sie wurde damit zur ersten weiblichen Regierungschefin des Landes.

Vor allem in den ländlichen Hochburgen im Norden und Nordosten Thailands konnte Yingluck Shinawatra mit Pheu Thai eine große Mehrheit erringen. Die Politik war für die heute 55-jährige allerdings Neuland. Sie kam wie schon ihr Bruder Thaksin aus der Wirtschaft. Für viele Kritikerinnen und Kritiker der Opposition galt sie lange auch als Marionette ihres Bruders.

Thaksin Shinawatra und Yingluck Shinawatra
APA/AFP/Asahi Shimbun/Yasuhiro Sugimoto
Die Geschwister Thaksin Shinawatra (links) und Yingluck Shinawatra (rechts) leben heute beide im Ausland im Exil

2014 wurde sie wegen Amtsmissbrauchs vom thailändischen Verfassungsgericht des Amtes enthoben. Im Jahr darauf wurde sie wegen Korruption angeklagt und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. Wie schon zuvor ihr Bruder, setzte sie sich ins Ausland ab, wo sie seitdem im Exil lebt.

Trotz allem bei vielen beliebt

Obwohl Thaksin Shinawatra und seine Schwester Yingluck beide aus dem Amt gedrängt wurden, konnten sie durchaus auch politische Erfolge einfahren. Vor allem die Wirtschaft in Südostasiens zweitgrößter Volkswirtschaft verzeichnete einen Anstieg unter ihnen.

Napon Jatusripitak, Gastwissenschaftler am ISEAS-Yuso-Ishak-Institut in Singapur sagte gegenüber dem britischen „Guardian“, die frühere Partei von Thaksin Shinawatra, Thai-Rak-Thai, „war die einzige Partei, die konkrete Maßnahmen umgesetzt hat, die das Leben für viele Menschen in großem Umfang verbesserte“. Das habe einen nachhaltigen Einfluss auf die politischen Präferenzen der Menschen.

Mit Putsch an die Macht

Nachdem Yingluck Shinawatra aus dem Amt der Premierministerin entfernt worden war, nahm erneut das thailändische Militär die Zügel in die Hand und putschte sich 2014 an die Macht. An vorderste Stelle trat dabei der General Prayuth Chan-ocha, der das Land seitdem regiert.

Die Militärputsche 2006 und 2014 waren nicht die ersten in der Geschichte Thailands. Seit 1932 mit einem Staatsstreich des Militärs der Übergang von einer absoluten zur konstitutionellen Monarchie eingeleitet worden war, gab es zwölf weitere Putsche des Militärs. Das parlamentarische System wurde dabei immer mehr auf das thailändische Militär zugeschnitten.

Im Jahr 2019 wurde General Prayuth Chan-ocha dann auch erstmals in einer offiziellen Wahl in seinem Amt als Regierungschef bestätigt. Wie demokratisch diese Wahlen jedoch abliefen, ist fraglich. Thailand wird im Democracy Index 2021 der Beratungsfirma Economist Intelligence Unit immerhin nur als „mangelhafte Demokratie“ eingestuft.

Prayuth Chan-ocha
Reuters/Athit Perawongmetha
Der aktuelle Premierminister General Prayuth Chan-ocha putschte sich 2014 an die Macht

Rufe nach Veränderung

Besonders bei der jungen Bevölkerung ist die Sehnsucht nach Veränderung groß. Sie fordern demokratische Rechte und Fortschritt in ihrem Land. Eine Partei, der sich viele zuwandten, war die Future-Forward-Partei. Bei ihrem ersten Antreten bei der Parlamentswahl 2019 konnte sie auf Anhieb 80 der 500 Sitze erringen.

Nach einem Gerichtsentscheid einige Monate nach der Wahl wurde die Partei allerdings verboten. Daraufhin folgten Massendemonstrationen, angeführt von Schülern und Studierenden. Der Ausbruch der Pandemie und die darauffolgenden, wirtschaftlichen Auswirkungen verstärkten die Proteste weiter.

Menschen protestieren in Bangkok 2020
Reuters/Soe Zeya Tun
Bei den Protesten 2020 forderte die junge Bevölkerung mehr demokratische Rechte ein

Die Proteste richteten sich aber vor allem gegen die promilitärische Regierung von Prayuth Chan-ocha. Sie forderten ein Ende der Verfolgung von regierungskritischen Personen und Veränderungen der Verfassung. Viele Demonstrierende brachen damals auch ein jahrelanges Tabu und forderten, die Macht des Monarchen einzuschränken.

Wenn ein Wahlsieg nicht ausreicht

Für Paetongtarn Shinawatra und ihre Partei Pheu Thai stehen die Chancen nicht schlecht, die Wahl am 14. Mai klar zu gewinnen. Ob sie damit aber die promilitärische Regierung ablösen kann, ist noch unklar. Neben dem Repräsentantenhaus und seinen 500 Mitgliedern hat nämlich auch der aus 250 Personen bestehende Senat etwas mitzureden. Und der wurde von Premierminister Prayuth Chan-ocha und seiner Regierung ernannt.

Titipol Phakdeewanich, ein Politikanalytiker der Ubon-Ratchathani-Universität, hielt gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters den Senat für „einen der wichtigsten Entscheider in der kommenden Wahl, der im Ernstfall wahrscheinlich für den promilitärischen Kandidaten stimmen würde“.

Die aussichtsreichste Kandidatin Paetongtarn Shinawatra müsste also höchstwahrscheinlich mit einer der anderen etablierten Parteien zusammenarbeiten und darüber hinaus auch gemeinsam mehr als 75 Prozent der Stimmen erringen, um den militärtreuen Senat zu übertrumpfen.