Großbritanniens König Charles III
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Proteste in Frankreich

Macron verschiebt Besuch von Charles III.

Für Sonntag ist ein Besuch des britischen Königs Charles III. in Frankreich geplant gewesen. Angesichts der schweren Proteste gegen Frankreichs Pensionsreform wird die Visite nun verschoben, wie es am Freitag in Paris hieß. Paris und London seien nach einem Telefonat zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und Charles darin übereingekommen.

„Wir würden es nicht ernst meinen und es würde uns an gesundem Menschenverstand fehlen, wenn wir Seiner Majestät dem König und der Königin vorschlagen würden, inmitten der Demonstrationen zu einem Staatsbesuch zu kommen“, sagte Macron am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel. Der Besuch solle bald nachgeholt werden, womöglich schon zu Beginn des Sommers. Charles solle später in Frankreich empfangen werden, „unter Bedingungen, die unserer Freundschaft entsprechen“, teilte der Elysee-Palast mit.

Der Buckingham-Palast bestätigte, dass die Reise von Charles und Königin Camilla nach Frankreich verschoben wurde. „Ihre Majestäten freuen sich sehr auf die Gelegenheit, Frankreich zu besuchen, sobald ein Datum gefunden ist“, hieß es in einer Mitteilung. Der Staatsbesuch in Deutschland von Mittwoch bis Freitag nächster Woche findet dagegen wie geplant statt.

Massenstreiks vereiteln König-Charles-Besuch

Den anhaltenden Massenprotesten der Franzosen gegen die Pensionsreform von Präsident Macron fällt der Staatsbesuch von König Charles zum Opfer. Der Monarch wäre am Sonntag in Paris zu einem dreitägigen Aufenthalt erwartet worden.

Macron hatte den britischen König unter anderem zu einem Staatsbankett ins Schloss Versailles einladen wollen. Geplant war außerdem eine Zugsfahrt nach Bordeaux, wo der König mit Biowinzern zusammentreffen wollte. Das war von Gegnern der Pensionsreform angesichts der sozialen Krise als unangemessen kritisiert worden.

Besuch mit Symbolkraft

Zuvor hatte Frankreich noch erklärt, den britischen König ab Sonntag trotz der gewalttätigen Ausschreitungen zu einem Staatsbesuch empfangen zu wollen. „Wir sind sehr fokussiert. Wir sind bereit, ihn unter hervorragenden Bedingungen zu empfangen“, hatte Innenminister Gerald Darmanin gegenüber CNews TV gesagt. Es hatte auch Gerüchte gegeben, ein Teil des Besuchsprogramms könne wegen der anhaltenden Proteste angepasst werden.

Auch der Bürgermeister von Bordeaux, Pierre Hurmic, hatte erklärt, die Absage des Besuchs des Königs in Bordeaux würde die Anarchisten nur anspornen. „Den Besuch von König Charles in Bordeaux absagen? Ich möchte den Krawallmachern dieses Geschenk nicht machen.“ Eine Quelle aus dem Buckingham-Palast hatte jedoch bereits angedeutet, die Proteste könnten die Logistik des ersten Besuchs von Charles, seit er Monarch ist, beeinträchtigen.

Prince Charles und Emanuel Macron im Jahr 2020 mit Regenschirmen in der Hand
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Charles und Macron 2020 im regnerischen London

Macron hatte gehofft, dass der Besuch einen symbolischen Schritt in den Bemühungen der beiden Länder darstellen würde und eine Möglichkeit, nach Jahren schlechter Beziehungen in der Post-Brexit-Ära ein neues Kapitel aufzuschlagen. Stattdessen hätte der Besuch, wenn er stattgefunden hätte, angesichts der gewaltsamen Ausschreitungen zu einer großen Blamage werden können.

Gewaltsame Proteste auf Frankreichs Straßen

In Paris sprach das Innenministerium von 119.000 Demonstrierenden am Donnerstag und die Gewerkschaft CGT zuletzt von 800.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Aus der zweitgrößten französischen Stadt Marseille berichteten die Gewerkschaften von 280.000 Protestierenden, in Bordeaux gingen den Angaben zufolge 110.000 und in Nantes 80.000 Menschen auf die Straße. Innenminister Darmanin zufolge waren in Erwartung der Proteste rund 12.000 Polizisten abgestellt worden – 5.000 davon alleine in Paris.

Darmanin sprach am Freitag im Sender CNews von 457 Festnahmen. Etwa 440 Polizisten und Gendarmen seien bei Ausschreitungen verletzt worden. Allein in Paris habe es etwa 900 Feuer am Rande der Proteste gegeben.

Paris: Festnahmen nach gewaltsamen Protesten

In Paris sind nach gewaltsamen Protesten über 80 Personen festgenommen worden. Im Zentrum der Stadt kam es bei einer anfänglich friedlichen Kundgebung gegen die Pensionsreform zu Zusammenstößen. Die Polizei setzte Tränengas ein, die Filiale einer Schnellimbisskette wurde geplündert und etliche Fenster eingeschlagen. Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Regierung unter Präsident Emmanuel Macron.

Wut über Anhebung des Pensionsalters

Die Proteste richten sich gegen die schrittweise Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Regierung unter Macron. Außerdem soll die Zahl der nötigen Einzahlungsjahre für eine volle Pension schneller steigen. Damit soll eine drohende Finanzierungslücke der Pensionskasse abgewendet werden. Die Gewerkschaften halten das Projekt für ungerecht und brutal.

Demo in Paris
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Der Demonstrationszug auf dem Place de la Bastille in Paris

Festnahmen in Paris

Im Zentrum von Paris kam es bei einer anfänglich friedlichen Kundgebung zu Zusammenstößen, nachdem Einsatzkräfte von kleinen „Schwarzer Block“-Gruppen mit Wurfgeschoßen angegriffen und Müllcontainer in Brand gesetzt wurden. Die Polizei setzte Tränengas ein, eine Filiale einer Schnellimbisskette wurde geplündert. Schaufensterscheiben wurden eingeworfen, Bänke demoliert. Innenminister Darmanin schrieb am Abend von mehr als 120 verletzten Einsatzkräften und mehr als 80 Festnahmen.

Frankreich: Präsident Macron unter Druck

In Frankreich kam es erneut zu Protestmärschen und Ausschreitungen. Präsident Emmanuel Macron gerät mit seinen Pensionsreformplänen immer stärker unter Druck.

Tumulte gab es auch in mehreren anderen Städten. In Bordeaux setzten die Demonstranten das Portal des Rathauses in Brand. Dort und auch in Nantes feuerte die Polizei Tränengasgranaten auf Demonstrierende. In Rennes setzte sie Wasserwerfer ein. In Lorient wurde laut der Zeitung „Ouest-France“ durch Wurfgeschoße der Hof einer Polizeiwache in Brand gesetzt. Am Pariser Flughafen Roissy-Charles de Gaulle brach ein wilder Streik aus, Protestierende blockierten die Zufahrt zu einem Terminal.

Rathaus in Bordeaux in Flammen
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Das brennende Portal des Rathauses in Bordeaux

Reform durch Parlament gedrückt

Es war der erste Protesttag gegen die Reform, seit Premierministerin Elisabeth Borne auf Anweisung Macrons zur Durchsetzung der Reform auf den Verfassungsparagrafen 49.3 zurückgegriffen hatte. Demzufolge kann ein Gesetz ohne Schlussabstimmung im Parlament verabschiedet werden, wenn die Regierung ein anschließendes Misstrauensvotum übersteht. Am Montag war die Regierung bei einem solchen Votum knapp ihrem Sturz entgangen.

Seit die Pläne bekanntwurden, kam es immer wieder zu Generalstreiks und Demonstrationen, die meist friedlich verliefen. Seit aber Macrons Regierung die Reform in der vergangenen Woche durch einen Verfahrenskniff unter Umgehung einer Abstimmung im Parlament auf den Weg gebracht hatte, hat der Widerstand an Schärfe gewonnen.

„Allgemeines Interesse des Landes“

Macron hatte in den vergangenen Wochen geschwiegen, am Mittwoch rechtfertigte er die Reform schließlich in einem Interview mit den Sendern TF1 und France 2 TV. Dort sagte er, dass die Pensionsreform „bis zum Jahresende“ in Kraft treten soll. „Wir warten noch auf das Urteil des Verfassungsrats“, so Macron. Der Verfassungsrat könnte Teile der Reform kippen, doch wann er entscheidet, ist unklar.

Arbeiter bestreiken Öldepot in Fos-sur-Mer
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Arbeiterinnen und Arbeiter bestreiken ein Öldepot in Fos-sur-Mer

„Wir verlangen von den Menschen eine Anstrengung. Das ist nie beliebt.“ Aber, so Macrons Rechtfertigung: „Zwischen den Umfragen und der Kurzfristigkeit und dem allgemeinen Interesse des Landes entscheide ich mich für das allgemeine Interesse des Landes.“ Die Reform sei notwendig, die meisten europäischen Länder hätten bereits für ein höheres Pensionsantrittsalter gestimmt.

Viele Leute seien wütend, sagte der CGT-Vorsitzende Philippe Martinez am Tag nach Macrons Aussagen. Die Situation sei explosiv. Er und andere Gewerkschaftsführer riefen zur Ruhe auf, zeigten sich aber verärgert über Macrons „provokative“ Kommentare. Laurent Berger, Chef von Frankreichs größter Gewerkschaft CFDT, sagte dem Sender BFM TV, Macrons Äußerungen hätten die Wut verstärkt.

„Er ist derjenige, der das Land in Brand setzt“

„Er ist derjenige, der das Land in Brand setzt“, sagte Celine Verzeletti von der Gewerkschaft CGT dem Radiosender France Inter. Am Mittwoch hatte Macron in einem Fernsehinterview sein Vorhaben verteidigt. Zudem verglich er die Proteste mit dem 6. Jänner 2021, dem Tag des Sturms auf das Kapitol in Washington.

Macron selbst vermied am Donnerstag den Kontakt zur Öffentlichkeit und stellte sich bei seiner Ankunft auf dem EU-Gipfel in Brüssel entgegen den Gepflogenheiten nicht Reporterinnen und Reportern.