Justizministerium: Zur Festnahme Putins verpflichtet

Ungarn will den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin ignorieren. Dafür gebe es keine rechtliche Grundlage, hieß es aus Budapest. Auf ORF.at-Nachfrage teilte das heimische Justizministerium heute mit, dass Haftbefehle des IStGH umzusetzen und Gesuchte festzunehmen seien.

„Keine Person steht über dem Recht, was konkret bedeutet, dass jedes einzelne Verbrechen lückenlos aufgeklärt werden muss. Es darf keine Straffreiheit geben“, hielt das Ressort fest. Für die Vertragsparteien des Römer Statuts – also auch für Österreich – bestehe eine Kooperationsverpflichtung: „Haftbefehle des Gerichtshofs sind umzusetzen, und von dem Gerichtshof Gesuchte sind festzunehmen.“

Der IStGH hatte vergangenen Freitag einen Haftbefehl gegen Putin erlassen. Es bestünden „vernünftige Gründe“ für die Annahme, dass der Staatschef für die als Kriegsverbrechen einzustufende Verschleppung von Kindern auf russisches Territorium „persönlich verantwortlich“ sei. Der Strafgerichtshof wird von 123 Staaten getragen, Russland ist nicht darunter.

Ressort: Immunität schützt nicht

Das Justizministerium verweist in seiner Stellungnahme auf ein Urteil des IStGH aus dem Jahr 2019, wonach die oft zitierte Immunität für Staatsoberhäupter nicht vor Festnahmen im Ausland gilt. Anlass für die Entscheidung war der seit 2009 geltende Haftbefehl gegen den früheren sudanesischen Machthaber Omar al-Baschir.

Trotz ihrer Mitgliedschaft beim Römischen Statut lieferten sowohl Südafrika als auch Jordanien Baschir nicht nach Den Haag aus. Ihm werden Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord in der westlichen Region Darfur zur Last gelegt. Der Ex-Machthaber sitzt heute in einem sudanesischen Gefängnis.

Eine Kooperation mit dem Internationalen Strafgerichtshof sei eine „Selbstverständlichkeit“, sagt Strafrechtsprofessor Frank Höpfel im Gespräch mit ORF.at. Der Gerichtshof sei bei der Umsetzung von Haftbefehlen nämlich auf die Vertragsstaaten und deren nationale Behörden angewiesen. Als Ad-litem-Richter von 2005 bis 2008 unterstützte Höpfel in einzelnen Prozessen das ständige Richtergremium am IStGH.

Vereinbarung zwischen EU und IStGH

Angesprochen auf Ungarns Weigerung, Putin festzunehmen, sagte der Menschenrechtsexperte Manfred Nowak zur APA, dass „natürlich alle Staaten dazu verpflichtet sind, sich daran (Römisches Statut, Anm.) zu halten, das ist rechtlich bindend“.

Zwischen der Europäischen Union und dem Internationalen Strafgerichtshof gibt es darüber hinaus seit 2006 ein Abkommen, das die EU und ihre Mitgliedsstaaten zur Zusammenarbeit mit dem IStGH verpflichtet, „einschließlich der unverzüglichen Vollstreckung von Haftbefehlen“, heißt es darin.

Sollte Putin also nach Ungarn reisen und tatsächlich nicht festgenommen werden, dann hätte die EU-Kommission Möglichkeiten, Ungarn wegen Vertragsverletzung zu klagen, so Nowak. Der Experte hält es aber für „völlig undenkbar“, dass der russische Präsident bei einem möglichen Besuch in Ungarn nicht verhaftet würde.