Bild zeigt Jovenel Moise an einer Hauswand
AP/Odelyn Joseph
Präsidentenmord in Haiti

Erstes Schuldbekenntnis in US-Prozess

Nach dem Mord an Haitis Staatschef Jovenel Moise hat es vor einem US-Gericht ein erstes Schuldbekenntnis gegeben. Der 50 Jahre alte Rodolphe Jaar gestand ein, dass er „materielle Unterstützung und Ressourcen“ in dem Wissen geliefert habe, dass diese für die Entführung und Ermordung von Moise gedacht seien.

Der Geschäftsmann Jaar, der die haitianische und die chilenische Staatsbürgerschaft besitzt, ist der erste von elf Verdächtigen, die Staatsanwälte im Süden von Florida wegen Beteiligung an dem Mordanschlag angeklagt haben. Nach seiner Festnahme in Haitis Nachbarland Dominikanische Republik war er im Jänner 2022 an ein Gericht in Miami überstellt worden.

Der 53 Jahre alte Staatschef Moise war am 7. Juli 2021 von kolumbianischen Söldnern in seinem Privathaus in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince erschossen worden. Sein Personenschutz schritt nicht ein. Laut Jaars Schuldbekenntnis hatte er das kolumbianische Mordkommando beherbergt und es mit Waffen ausgerüstet. Jaar droht nun lebenslange Haft. In der Hoffnung, seine Strafe zu verringern, sagte Jaar zu, bei der Aufklärung der Tat mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten.

Staatsanwaltschaft: Geld- und Machtgier als Motiv

Nach Angaben des Staatsanwalts für den südlichen Bezirk von Florida – der in Haiti geborene Markenzy Lapointe – wurde der Mord an Moise aus Geld- und Machtgier begangen. Zu den Verdächtigen zählen der Venezolaner Antonio Intriago und der Kolumbianer Arcangel Pretel Ortiz. Die beiden Manager der in Miami ansässigen Sicherheitsfirma CTU sollen geplant haben, Moise zu entführen und an seiner Stelle den US-Haitianer Christian Sanon zum Präsidenten des Karibiklandes zu machen.

Im Gegenzug wollte der nun ebenfalls in den USA angeklagte Sanon den beiden lukrative Aufträge beim Aufbau von Infrastruktur und zur Beschaffung von Militärausrüstung und Sicherheitspersonal zuschanzen. Nachdem eine Entführung von Moise misslang, beschlossen Intriago und Pretel Ortiz laut US-Staatsanwaltschaft, den haitianischen Präsidenten von 20 von der CTU angeheuerten Kolumbianern ermorden zu lassen.

Vor Ermordung mehr als zwei Jahren per Dekret regiert

Moise war vor seiner Ermordung rund fünfeinhalb Jahre im Amt, nachdem sein Vorgänger Michel Martelly zurückgetreten war. Die beiden letzten Jahre seiner Präsidentschaft regierte er allerdings per Dekret, nachdem das Land keine Wahlen abgehalten hatte, was zur Auflösung des Parlaments führte. Die Opposition warf ihm Korruption und den Aufbau einer Diktatur vor. So erließ Moise etwa ein Dekret, das die Befugnisse der Justiz einschränkte. Zugleich schuf er einen Geheimdienst, der nur dem Präsidenten untersteht.

Moise selbst hatte die Anschuldigungen stets bestritten und auf eine Verfassungsreform gedrängt, mit der er nach eigenen Angaben für mehr politische Stabilität sorgen wollte. Innerhalb von vier Jahren wechselte er den Regierungschef siebenmal aus. Unter seiner Präsidentschaft verschärften sich die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in dem Land mit elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern.

Warnung vor Hungersnot

Seine Ermordung vor mittlerweile fast zwei Jahren heizte die politische Instabilität weiter an. Nur einen Monat nach dem Anschlag auf den Präsidenten wurde der Karibikstaat überdies von einem starken Erdbeben heimgesucht, das Hunderte Menschenleben forderte. Dabei kämpft das Land bis heute mit den Folgen des verheerenden Erdbebens von 2010 und dem Hurrikan „Matthew“, der 2016 eine Spur der Verwüstung zog.

Erst am Freitag warnten die Vereinten Nationen, dass die Hungerkrise in Haiti nach jahrelanger politischer Instabilität, Bandengewalt und wirtschaftlichen Problemen einen kritischen Punkt erreicht habe. Laut UNO-Welternährungsprogramm (WFP) hat sich die Zahl der Menschen, die nicht genug zu essen haben, seit 2016 verdreifacht. Etwa die Hälfte der Bevölkerung wisse oft nicht, wie sie ihre nächste Mahlzeit besorgen können.

1,8 Millionen Menschen von ihnen drohe eine Hungersnot, sagte der WFP-Direktor in Haiti, Jean-Martin Bauer, in einem Videogespräch für Pressevertreter in Genf. Das WFP brauche dringend 125 Millionen US-Dollar (gut 116 Mio. Euro), um die Schwächsten in den nächsten sechs Monaten unterstützen zu können. Die Arbeit der Hilfsorganisationen werde überdies durch eine grassierende Bandenkriminalität erschwert, so der WFP-Direktor.

Die Weltgemeinschaft dürfe nicht vergessen, dass bei der Suche nach einer politischen Lösung die humanitäre Lage berücksichtigt werden müsse. „Die Haitianer können nicht an einem demokratischen Prozess teilnehmen, wenn sie Hunger haben“, sagte Bauer. Die fehlende Nahrungsmittelversorgung sei einer der Hauptgründe für die Bandenkriminalität. Schlüssel für eine politische Lösung sei umfangreiche humanitäre Hilfe.