El Nejmeh Platz in Beirut
IMAGO/VWPics/Lucas Vallecillos
Zwischen den Zeiten

Farce um Zeitumstellung im Libanon

Für Verwirrung sorgt dieses Jahr die Zeitumstellung im Libanon. Quasi in letzter Minute entschied die Regierung des Landes, den Beginn der Sommerzeit um einen Monat – bis zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan – zu verschieben. Doch nicht alle Institutionen hielten sich an die Vorgabe, was die Menschen im Libanon nun gewissermaßen zwischen den Zeitzonen stehen lässt.

In dem kleinen Mittelmeer-Land werden die Uhren normalerweise am letzten Sonntag im März eine Stunde vorgestellt, was mit den meisten europäischen Ländern übereinstimmt. Am Donnerstag gab die libanesische Regierung jedoch die Entscheidung des geschäftsführenden Premierministers Nadschib Mikati bekannt, den Beginn der Sommerzeit auf den 21. April zu verschieben.

Mikati gab offiziell keine Begründung für die Verschiebung an. Der Entscheidung war jedoch ein Treffen des Premiers mit dem Parlamentssprecher Nabih Berri vorausgegangen. Auf einem Video des Treffens, das lokalen Medien zugespielt wurde, ist zu sehen, wie Berri Mikati bittet, die Sommerzeit zu verschieben. Das würde Muslimen helfen, ihr Fasten im Ramadan eine Stunde früher brechen zu können, so der Parlamentspräsident.

Najib Mikati
Reuters/Mohamed Azakir
Premier Mikati sorgte mit seiner Entscheidung für Protest – und Verwirrung

Der Hintergrund: Das Fastengebot im Ramadan gilt immer von Sonnenaufgang bis -untergang. Würden die Uhren bereits jetzt eine Stunde nach vor gestellt, würde der Sonnenuntergang „später“ stattfinden als während der Normalzeit.

Widerstand von Kirche

Der Libanon gilt einerseits als Beispiel dafür, wie eine multikonfessionelle Gesellschaft im Nahen Osten funktionieren kann. Andererseits werden in dem kleinen Land, in dem per Verfassung und „Nationalpakt“ die höchsten politischen Ämter zwischen den religiösen Gruppen aufgeteilt werden, auch regelmäßig die weiterhin bestehenden gesellschaftlichen Gräben sichtbar.

Menschen in der Saint George Maronite Cathedral
Reuters/Mohamed Azakir
Für die maronitische Kirche gilt bereits die Sommerzeit

Auch die Debatte über die Verschiebung der Sommerzeit begann sich entlang religiöser Bruchlinien zu entfalten. Viele christliche Politiker und Institutionen, einschließlich der größten Kirche des Landes – der maronitischen Kirche – lehnten die Umstellung ab.

Aber auch private Unternehmen, wie etwa die TV-Sender LBCI und MTV, stellten ihre Uhren in der Nacht auf Sonntag eine Stunde vor. Viele Privatschulen kündigten ebenfalls an, sich nicht an die Vorgabe der Regierung zu halten.

Fluglinie probiert doppelte Zeitrechnung

Die libanesische Fluglinie Middle East Airlines entschied sich für einen Mittelweg. Zwar würden die Uhren weiterhin auf Normalzeit gestellt bleiben, zugleich würden jedoch die Flugpläne bereits auf Sommerzeit umgestellt, um Probleme im internationalen Flugverkehr zu verhindern. Auf Twitter kursierte ein Video, wie auf dem Flughafen von Beirut zwei Uhren nebeneinander zwei Uhrzeiten anzeigen.

Zeitenstreit zwischen Religionen im Libanon

Wegen Uneinigkeit über den rechten Zeitpunkt für die Zeitumstellung gibt es nun im Libanon zwei verschiedene Uhrzeiten.

Die beiden Mobilfunknetzbetreiber des Landes forderten wiederum die Bevölkerung auf, die Uhren auf ihren Mobiltelefonen auf manuell einzustellen, da ansonsten die Zeit automatisch umgestellt werde. Die Vorgabe der Regierung sei zu kurzfristig gekommen, um den automatischen Wechsel noch zu stoppen, hieß es.

Termine um acht und um neun zur gleichen Zeit

Öffentliche Einrichtungen sind hingegen an die Entscheidung der Regierung gebunden – was für manche Menschen im Libanon zu kuriosen Terminkollisionen führen dürfte. Die Nachrichtenagentur AP brachte etwa das Beispiel einer japanischen Mitarbeiterin einer NGO in Beirut. „Ich habe einen Termin um acht Uhr und einen Kurs um neun Uhr, die nun zur gleichen Zeit stattfinden“, so Haruko Naito gegenüber AP. Der spätere Termin findet bei einer Behörde statt, die sich an die Vorgabe der Regierung hält. Der frühere Termin ist bei einer privaten Sprachschule, die auf die Sommerzeit umstellen wird.

Flugzeug der Middle East Airline
AP/Hussein Malla
Die nationale Fluglinie versucht einen Kompromiss

Land in der Krise

Im Libanon wird mittlerweile über eine „muslimische Zeit“ und eine „christliche Zeit“ gescherzt. Dabei halten Kritikerinnen und Kritiker Premier Mikati vor, er wolle mit der Causa nur von den größeren wirtschaftlichen und politischen Problemen des Landes ablenken.

Der Libanon befindet sich inmitten der schlimmsten Wirtschaftskrise seiner Geschichte, die das Land seit über drei Jahren fest im Griff hat. Verschärft wurde diese durch die CoV-Pandemie und die verheerende Explosion im Hafen von Beirut im August 2020. Drei Viertel der Bevölkerung leben nach UNO-Angaben in Armut. Das libanesische Pfund verliert seit Monaten drastisch an Wert. IWF-Beamte warnten kürzlich, dass das Land auf eine Hyperinflation zusteuern könnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.

Auch politisch steckt das Mittelmeer-Land in der Krise. Die politische Führung kann sich nicht auf einen neuen Präsidenten einigen. Bis Ende Oktober hatte Michel Aoun den Posten inne. Er schied danach aber planmäßig aus dem Amt. Die Regierung von Regierungschef Mikati ist zudem nur noch geschäftsführend im Amt und deswegen nur eingeschränkt handlungsfähig.