Der neue schottische Regierungschef Humza Yousaf
Reuters/Russell Cheyne
Schottland

Vertrauter Yousaf folgt Sturgeon nach

In Schottland steht der Nachfolger von Nicola Sturgeon fest: Humza Yousaf soll neuer Regierungschef werden. Wie die Regierungspartei SNP am Montag mitteilte, wählten die Mitglieder den regionalen Gesundheitsminister zum neuen Parteichef. Als stärkste Kraft im Regionalparlament hat die Schottische Nationalpartei (SNP) das Anrecht auf den Posten des „First Minister“. Der 37-Jährige gilt als enger Vertrauter Sturgeons und dürfte ihren Kurs fortsetzen.

„Ich fühle mich wie der glücklichste Mann der Welt“, sagte Yousaf in Edinburgh. Sein Land als „First Minister“ regieren zu dürfen werde die größte Ehre seines Lebens sein. Er wolle ein Regierungschef für alle Schottinnen und Schotten sein. Er soll am Dienstag vom Regionalparlament in Edinburgh zum Regierungschef gewählt werden.

Mit Yousaf rückt erstmals ein Muslim an die Spitze des nördlichen britischen Landesteils mit etwa 5,5 Millionen Einwohnern. Die SNP strebt die Unabhängigkeit von Großbritannien an. Obwohl vergleichsweise jung, hat der studierte Politologe bereits viel Regierungserfahrung gesammelt. Nachdem er zunächst jahrelang als Staatssekretär wirkte, wurde er 2018 Justizminister. 2021 wechselte Yousaf ins Gesundheitsministerium. Kritiker machen ihn für den maroden Zustand des Gesundheitsdiensts mitverantwortlich.

Knappes Ergebnis

Im Rennen um Sturgeons Nachfolge setzte sich Yousaf gegen Finanzministerin Kate Forbes und Ex-Kabinettsmitglied Ash Regan durch. Die 32-jährige Forbes geriet zuletzt wegen ihrer christlich-religiösen Einstellung gegen gleichgeschlechtliche Ehen auch innerhalb ihrer eigenen Partei in die Kritik. Die Parteibasis der SNP wird politisch eher links der Mitte verortet.

Von 72.169 wahlberechtigten Mitgliedern gingen laut SNP 50.494 Stimmzettel ein, auf denen der Bewerber und die beiden Bewerberinnen gereiht werden mussten. Yousaf erhielt 24.336 Stimmen als erste Präferenz. Die Stimmen der drittplatzierten Regan wurden im nächsten Schritt aussortiert, nach der Neuverteilung der Zweitpräferenzstimmen erhielt er 26.032 Stimmen, was 52,1 Prozent der Stimmen entspricht.

Die Kandidatinnen für schottischen Regierungsvorsitz, Ash Regan, Kate Forbes und Humza Yousaf
APA/AFP/Andy Buchanan
Ash Regan, Humza Yousaf und Kate Forbes (v. l. n. r.)

Das knappe Ergebnis könnte sich als Bürde für Yousaf erweisen, meinen Beobachter. Allerdings dürfte mit der Wahl die bestehende Zusammenarbeit der SNP mit den Grünen bestehen bleiben. Diese hatten angekündigt, die Zusammenarbeit zu überdenken, sollte Forbes gewählt beiden.

Überraschender Rücktritt

Sturgeon hatte am 15. Februar überraschend ihren Rücktritt bekanntgegeben. Mehr als acht Jahre lang stand sie an der Spitze des Kabinetts in Edinburgh. Damit war sie die am längsten amtierende schottische Regierungschefin. Sie folgte nach dem gescheiterten schottischen Unabhängigkeitsreferendum 2014 auf ihren damaligen Parteikollegen Alex Salmond, der mittlerweile mit Sturgeon zerstritten ist und eine neue Partei, Alba, gegründet hat.

Im Ringen um eine Unabhängigkeit Schottlands vom Vereinigten Königreich musste Sturgeon zuletzt mehrere Dämpfer hinnehmen: London blockiert eine von ihr angestrebte weitere Abstimmung über die Frage, ob Schottland Teil des Vereinigten Königreichs bleiben soll oder nicht. Zudem verloren die Unabhängigkeitsbefürworter vor dem höchsten britischen Gericht. Der Supreme Court urteilte, dass das schottische Regionalparlament kein Recht hat, ohne Zustimmung der britischen Regierung eine Volksabstimmung anzusetzen.

Sturgeon zuletzt unter Druck

Sturgeon sagte, sie sei enttäuscht von der Entscheidung, akzeptiere sie aber. Unabhängigkeit müsse auf legalem und demokratischem Wege erreicht werden. Sie hatte den Wunsch nach einer neuen Abstimmung mit dem Ausgang des Brexit-Referendums im Jahr 2016 begründet, bei dem eine deutliche Mehrheit der Schotten gegen den inzwischen erfolgten Austritt Großbritanniens aus der EU gestimmt hatte.

Zudem belastete zuletzt der Streit über ein kontroverses Gendergesetz die schottische Regierung. Mit dem Gesetz, für das das schottische Parlament im vergangenen Jahr gestimmt hatte, soll unter anderem die Pflicht eines medizinischen Gutachtens als Voraussetzung für eine Änderung des Geschlechtseintrags entfallen. Das Mindestalter für einen Antrag soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

Bleibt SNP so stark?

Abzuwarten bleibt, ob Yousaf in die Fußstapfen der kämpferischen Sturgeon treten kann. Profitieren könnte vor allem die Labour-Partei. Die größte Oppositionspartei im britischen Unterhaus, die gegen eine Unabhängigkeit ist, hatte in den vergangenen Jahren in Schottland viele Stimmen an Sturgeons SNP verloren, die ähnliche sozialdemokratische Positionen vertritt. Nun könnte Labour die Nutznießerin eines möglichen Führungsstreits in der SNP sein und einem klaren Sieg bei der britischen Parlamentswahl 2024 näher rücken.