Sozialhilfe: VfGH kippt Einschränkung auf Sachleistungen

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in seinen jüngsten Beratungen mehrere Bestimmungen bei der Sozialhilfe aufgehoben. Verfassungswidrig ist es, dass die Länder für die Deckung eines erhöhten Wohnbedarfs (oder um besondere Härtefälle zu vermeiden) ausschließlich Sachleistungen gewähren dürfen – wie im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) aus dem Jahr 2019 festgelegt.

Das SH-GG bestimmt, dass der Wohnbedarf, also der Aufwand für Miete und Betriebskosten, durch die allgemeinen Sozialhilfeleistungen abzudecken ist. Darüber hinaus kann ein höherer Wohnbedarf nur als Sachleistung – wie direkte Zahlungen des Sozialhilfeträgers an den Vermieter – gewährt werden (Wohnkostenpauschale).

Laut VfGH-Aussendung ist es sachlich „nicht gerechtfertigt und widerspricht daher dem Gleichheitsgrundsatz, dass diese Zusatzleistungen ausnahmslos als Sachleistungen gewährt werden dürfen“.

Auch Bestimmung aus Wien verfassungswidrig

Aufgehoben wurde vom VfGH auch eine Bestimmung des Wiener Mindestsicherungsgesetzes (WMG). Die Höhe von Sozialhilfeleistungen bemisst sich nach dem Richtsatz für die Zuerkennung einer Ausgleichszulage zu einer Pensionsleistung nach dem ASVG. Mit dem SH-GG aus dem Jahr 2019 hat der Bund Höchstgrenzen für Sozialhilfeleistungen festgelegt.

Die monatlichen Geldleistungen für Personen, die in einer Haushaltsgemeinschaft leben, dürfen maximal 70 Prozent dieses Ausgleichszulagenrichtsatzes (netto, verringert um den Krankenversicherungsbeitrag) betragen. Das WMG sieht hingegen vor, dass der Höchstsatz 75 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes beträgt. „Dies verstößt gegen die im SH-GG festgelegten Höchstsätze und ist daher verfassungswidrig.“

SPÖ: Gesetz „endgültig kübeln“

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) begrüßte das VfGH-Erkenntnis und lud den Koalitionspartner ÖVP ein, die Reform insgesamt zu überdenken. „Dazu wird es jedenfalls weitere Gespräche brauchen“. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass die türkis-blaue Reform der Sozialhilfe eine offene Wunde im österreichischen Sozialsystem ist“, so Rauch.

Caritas-Präsident Michael Landau begrüßte die Entscheidung: „Besonders in Zeiten von Rekordinflation und steigenden Mieten hat das bisherige Vorgehen die Situation von Menschen, die Sozialhilfe beziehen, zusätzlich verschärft“, sagte er in einer Aussendung. Landau betonte jedoch die weiterhin aufrechte Forderung der Caritas nach einer Reform des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes.

SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch kritisierte das Gesetz als solches: „Ein Gesetz, das Armut organisiert, statt Armut zu verhindern, ist insgesamt ein Problem. Seit Bestehen dieses Gesetzes hebt der VfGH eine Bestimmung nach der anderen auf. Es wird Zeit, dass wir dieses Gesetz in dieser Form endgültig kübeln.“

Wien nimmt Erkenntnis „mit Freude zur Kenntnis“

Die Stadt Wien nahm das Erkenntnis „mit Freude zur Kenntnis“. „Dass der Verfassungsgerichtshof den Zwang zur Sachleistung des Bundesgesetzgebers aufgehoben und das Wiener Mindestsicherungsgesetz in diesem wesentlichen Punkt bestätigt hat, bestärkt uns in unserer bisherigen Vorgehensweise“, meinte Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ).

Die FPÖ wiederum bemängele, dass die Einschätzung des VfGH an der Lebensrealität vorbeigehe, so Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch. Immer wieder gebe es Fälle, in denen Mieterinnen und Mieter nicht in der Lage seien, die vorhandenen finanziellen Mittel so einzuteilen, dass sie den Wohnbedarf decken können. In derartigen Fällen könne durch Sachleistungen garantiert werden, dass diese Menschen trotzdem weiterhin ein Dach über dem Kopf haben.