Neuer IHS-Chef: Fachkräftemangel ohne Migration nicht lösbar

Um den Fachkräftemangel zu lindern, brauche es mit Blick auf Arbeitsmigration „eine Veränderung in den Köpfen“ und in der Verwaltung. Das sagte der designierte Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, heute bei seinem ersten öffentlichen Auftritt in seiner neuen Rolle in Österreich.

„Wir werden nicht ohne Migration über die Runden kommen, aber wir werden auch nicht ausschließlich mit Migration über die Runden kommen“, so der deutsche Ökonom.

Man stehe bei der Anwerbung von internationalen Fachkräften im Wettbewerb mit anderen Ländern. Zumindest in der Verwaltung in Deutschland herrsche hier aber noch oft eine Abwehrhaltung vor, so Bonin, der mit 1. Juli neuer IHS-Chef wird.

Mit Bezug auf die Debatte über Langzeitarbeitslose sei es nicht so, dass die große Mehrheit der Betroffenen nicht arbeiten will. „Die kann nicht arbeiten“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Es lägen sehr oft Drogen- oder Schuldenprobleme vor, aber auch fehlende Qualifizierung und Alter gehörten zu den vorliegenden Gründen für die Arbeitslosigkeit.

Neben Prävention müsse hier versucht werden, diese Menschen mit Beschäftigungsprogrammen abseits des ersten Arbeitsmarktes zu aktivieren.

Fokus auf Sozialpolitik

Vergleichbare Wortmeldungen darf man wohl auch in der Zukunft erwarten, wenn der Ökonom mit den Forschungsschwerpunkten Arbeitsmarkt und Sozialpolitik IHS-Chef ist. „Ich werde nicht nur reden, wenn ich gefragt werde. Ich werde auch aktiv meine Stimme erheben, wenn ich glaube, etwas zu sagen zu haben“, sagte Bonin.

Doch man solle nicht immer eindeutige Antworten erwarten. Die empirische Evidenz bestehe immer nur aus Puzzlestücken, die dann vielleicht ein Gesamtbild ergeben. Dieses sei typischerweise widersprüchlich.

Angeblichen Gerüchten in sozialen Netzwerken, dass er ein Parteibuch habe, trat Bonin entgegen. Auch wenn er als Bürger politische Meinungen haben, werde er diese bei seiner Arbeit hintanstellen. „Der Markt regelt nicht alles, aber der Staat auch nicht“, fasste er seine Grundposition zusammen.

Aktuell ist Bonin noch Forschungsdirektor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn und lehrt als Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Kassel.

Noch kein „Österreich-Insider“

Sein erster Eindruck sei, dass die Politik in Österreich stärker als in Deutschland polarisiert ist. Bonin sagte aber, dass er noch kein „Österreich-Insider“ sei und froh, noch bis 1. Juli Zeit zum Einarbeiten zu haben. In seiner dann beginnenden Rolle als IHS-Chef solle man sich keine Revolution im Institut erwarten, sondern eher eine Evolution.

Er wolle aber mehr Querschnittsthemen mit einer großen gesellschaftlichen Relevanz etablieren. Dazu gehörten die Dekarbonisierung, die Digitalisierung, die Demografie und die Polarisierung. Das IHS war seit Jänner 2021, als Martin Kocher Wirtschaftsminister für die ÖVP wurde, ohne fixen Chef dagestanden.