Logo der Raiffeisen Bank International an der Zentrale in Wien
ORF.at/Christian Öser
Zunehmender Druck

RBI prüft Russland-Geschäft

Die Raiffeisen Bank International (RBI) hat angekündigt, ihre Russland-Geschäfte zu untersuchen. Das sagte RBI-Chef Johann Strobl am Donnerstag bei der Jahreshauptversammlung der Bank in Wien. Dabei wolle man zwei mögliche Vorgehensweisen prüfen: einen Verkauf und eine Abspaltung.

In Übereinstimmung mit den lokalen und internationalen Gesetzen und Vorschriften sowie in Absprache mit den zuständigen Behörden werde die RBI ihre Geschäfte in Russland unter die Lupe nehmen, so Strobl.

Dabei wolle man einen möglichen Verkauf bzw. eine Abspaltung der Russland-Geschäfte der RBI in Betracht ziehen. Beides würde laut Strobl zu einer Ausgliederung aus dem Mutterkonzern führen. Zudem werde die RBI die Geschäftstätigkeiten in Russland weiter reduzieren.

Einige Bankgeschäfte sollen aufrecht bleiben

Einige Bankgeschäfte müssten jedoch aufrechterhalten werden, um die Bedingungen für eine Banklizenz zu erfüllen. Das habe mit den laut Strobl sehr komplexen russischen Marktbedingungen für Unternehmen zu tun. Die lokalen und internationalen Gesetze und Vorschriften, die den Verkauf von Unternehmen in Russland regeln, würden einem ständigen Wandel unterliegen.

Zudem würde die RBI ihre Kunden weiter unterstützen, versicherte Strobl. Man habe eine Fürsorgepflicht für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf allen Märkten, darunter 9.000 Personen in Russland.

RBI könnte Russland-Geschäft abgeben

Die Raiffeisen Bank International (RBI) prüft zwei mögliche Strategien für ihr Russland-Geschäft: einen Verkauf und eine Abspaltung. Beide Möglichkeiten würden zu einer Entkonsolidierung aus dem Konzern führen, sagte Bankchef Johann Strobl am Donnerstag auf der Jahreshauptversammlung.

Zeitplan noch unklar

Bis wann nun tatsächlich eine Entscheidung getroffen wird, ließ der RBI-Chef weiter offen. Er bat um Verständnis, dass die Prüfung äußerst komplex sei. „Wir verstehen die Dringlichkeit zu handeln, die der Krieg geschaffen hat“, so Strobl.

Ein hochrangiger Raiffeisen-Manager sagte, es gebe zwei ernstzunehmende Interessenten für die russische Tochterbank, einer davon komme aus Russland. Eine Abspaltung würde etwa vier bis sieben Monate dauern und bedürfe der Zustimmung der Aktionäre, ein Verkauf könnte schneller gehen.

Bei einer Abspaltung würden die RBI-Aktionäre dann zwei Aktien besitzen, eine für die RBI und eine zweite für das Russland-Geschäft. Das abgespaltene Geschäft könnte dann an der Wiener Börse oder einer anderen europäischen Börse gelistet sein. In beiden Fällen benötige die Bank die Zustimmung der jeweiligen Behörden.

Kritik an Medienberichten

Bereits vor dem RBI-Chef hatte sich am Donnerstagvormittag auch RBI-Aufsichtsratsvorsitzender Erwin Hameseder zu Wort gemeldet und sich auf Ukrainisch insbesondere bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der ukrainischen Tochterbank für ihre Arbeit unter „unvorstellbaren Bedingungen“ bedankt.

Kritik übte Hameseder an Medienberichten über die Russland-Aktivitäten der Bank. „Nun erleben wir, dass die RBI aus der völlig risikolosen Behaglichkeit einzelner Redaktionsstuben heraus belehrt wird und ihr unmoralisches Verhalten vorgeworfen wird“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende. Vorwürfe, dass RBI der Verlockung des Geldes erlegen und sich am Krieg bereichern wollte, bezeichnete er als „inhaltlich falsch wie moralisch überheblich“.

Hameseder machte aber auch klar, dass ein etwaiger Verkauf der Russland-Tochter äußerst schwierig sein würde. „Der Marktwert unserer Beteiligung, für die sich in der aktuellen Lage kaum ein wünschenswerter Käufer finden lässt, ist drastisch gesunken“, sagte er.

„Völkerrechtswidriger Angriffskrieg“

In seiner Rede am Donnerstag bezog RBI-Chef Strobl wiederholt klar Position zum Krieg in der Ukraine und sprach von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine“. „Dass so ein sinnloser Krieg in Europa möglich ist, hat unser Vorstellungsvermögen bei Weitem gesprengt und macht uns traurig“, sagte er. Das unermessliche Leid der Menschen in der Ukraine sei nicht in Worte zu fassen, so der RBI-Chef und verwies auch auf humanitäre Projekte seiner Bank für Ukrainerinnen und Ukrainer.

Zwischenruf bei Hauptversammlung

Nachdem bereits vor Beginn der Hauptversammlung einige Dutzend Ukrainer vor dem Veranstaltungsort demonstriert hatten, kam es gegen Ende von Strobls Präsentation zu einem Zwischenruf eines wahrscheinlich ukrainischen Aktivisten, der die RBI auf Russisch als „Terroristen“ und „Kriegsverbrecher“ beschimpfte. „Es tut mir leid für die Unterbrechung. Sie sehen – man kann trotz all dieser Hilfen immer noch unzufrieden sein, und das muss ich auch zur Kenntnis nehmen“, reagierte der RBI-Chef wenig begeistert.

Druck der EZB

Zuletzt kam die heimische RBI wegen ihres Russland-Geschäfts laut Insidern auch von der Europäischen Zentralbank (EZB) zunehmend unter Druck. Die EZB verlangte von der Bank zwar keinen sofortigen Rückzug aus dem Land, pochte aber auf einen Plan, wie das Bankgeschäft dort aufgegeben und die Risiken bewältigt werden können, sagten fünf mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters.

Einer der Insider sagte, der Plan könnte einen Verkauf bzw. die Schließung der Tochterbank in Moskau beinhalten. Die Bank sei der Forderung der EZB aber bis zuletzt nicht nachgekommen und habe auch keine Absicht gezeigt, das zu tun. Die EZB hatte alle betroffenen Banken nach Kriegsbeginn aufgefordert, das Russland-Geschäft „so weit wie möglich zu reduzieren und abzubauen“.

Auch ein Jahr nach Kriegsausbruch in der Ukraine hatte sich zuletzt bei der RBI keine Entscheidung zum Russland-Geschäft abgezeichnet. Die RBI blieb bei ihrem stets wiederholten Statement: Man prüfe alle Optionen. Zuletzt hatten Berichte über einen möglichen Deal mit der russischen Sberbank – Tausch der Russland-Tochter für die europäischen Sberbank-Werte – für Schlagzeilen gesorgt.

Hauptversammlung parallel zu Selenskyj-Rede

Parallel zur Jahreshauptversammlung der RBI hielt der ukrainische Präsidenten Wolodymyr Selenskyj per Videoschaltung eine Rede im österreichischen Parlament. Das Russland-Geschäft der RBI wurde zuletzt auch seitens der Ukraine hart kritisiert.

Selenskyj hatte seinerseits in einem Erlass Sanktionen gegen die russische Leasingtochter der RBI sowie gegen den Vorstandsvorsitzenden der russischen Tochterbank von Raiffeisen, Sergej Monin, und dessen Vorstandskollegen Nikita Patrachin verfügt. Damit sind ihnen zehn Jahre lang Geschäfte in der Ukraine verboten. Außerdem wird etwaiges Vermögen in der Ukraine eingefroren.