Polizisten und Journalisten vor dem Manhattan Criminal Court in New York City
Reuters/Jeenah Moon
Proteste befürchtet

New York wegen Trump-Anklage nervös

Ex-US-Präsident Donald Trump wird aller Wahrscheinlichkeit nach am Dienstag in New York vor Gericht erscheinen. Es wird in der Schweigegeldaffäre Anklage gegen ihn erhoben. Am Freitag blickten die großen US-Medien dem Termin entgegen. New York stellt sich offenbar auf Proteste ein und ist entsprechend nervös, die Polizei wurde in Alarmbereitschaft versetzt.

Trump hatte bereits vor rund drei Wochen seine Anhängerinnen und Anhänger für den Fall, dass er festgenommen wird, zu Protesten aufgerufen. Die Stadt New York verschärfte daraufhin die Sicherheitsvorkehrungen deutlich, vor dem Gerichtsgebäude in Manhattan wurden Sperrzäune aufgestellt und Überwachungskameras installiert. Die Erinnerung an den Sturm auf das Kapitol in Washington vor mittlerweile zwei Jahren ist noch sehr präsent.

Außerdem beobachteten die Behörden soziale Netzwerke im Hinblick auf Aufrufe zu Gewalt genau, hieß es am Freitag. Laut Ö1-Morgenjournal wurde inzwischen die gesamte New Yorker Polizei – 36.000 Männer und Frauen – in Alarmbereitschaft versetzt. Der Sender NBC New York berichtete ähnlich von erhöhter Bereitschaft des New York Police Department (NYPD).

„Trump angeklagt“ beherrscht Titelseiten

„Trump Indicted“ („Trump angeklagt“) prangte Freitagfrüh in Großbuchstaben auf den Titelseiten großer US-Zeitungen wie „Washington Post“ und „New York Times“. Der Republikaner ist der erste ehemalige US-Präsident überhaupt, der sich strafrechtlich vor Gericht verantworten muss. In der Causa geht es um Geld, das Trump dem ehemaligen Pornostar Daniels während der Wahlkampagne 2016 gezahlt haben soll. Der US-TV-Sender CNN nannte die Anklage „historisch“.

Genauere Angaben zu den strafrechtlichen Vorwürfen machte die Staatsanwaltschaft von Manhattan noch nicht, das Dokument sei noch „versiegelt“, hatte es am Donnerstag geheißen. Die Beratungen der aus 23 Personen bestehenden Grand Jury sind geheim. Mit einer Entscheidung war erst gegen Ende April gerechnet worden. Laut CNN könnte die Anklage insgesamt 30 Punkte umfassen.

Bitten um Spenden

Trump und seine Unterstützer riefen nach Bekanntwerden der Anklage laut US-Medienberichten zu Spenden auf. „Die radikale Linke (…) hat mich in einer widerlichen Hexenjagd angeklagt“, heiße es in E-Mails, die noch am Donnerstagabend (Ortszeit) verschickt worden seien. Das Land erlebe das dunkelste Kapitel seiner Geschichte.

Polizisten vor dem Manhattan Criminal Court in New York City
AP/Mary Altaffer
Sicherheitsvorkehrungen deutlich hochgefahren

„Mit Ihrer Unterstützung werden wir das nächste große Kapitel der US-Geschichte schreiben – und 2024 wird für immer als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem wir unsere Republik gerettet haben“, heiße es weiter. Die Adressaten werden um Spenden ab 24 Dollar (rund 22 Euro) gebeten. Einen ähnlichen Aufruf gibt es auf Trumps Wahlkampfseite im Internet.

Was passiert am Dienstag?

Laut seiner Anwältin Susan Necheles wird Trump aller Wahrscheinlichkeit nach schon am Dienstag zur Anklageerhebung vor Gericht erscheinen. „Wir erwarten, dass sie am Dienstag stattfindet“, wurde die Verteidigerin am Freitag zitiert. Laut Angaben der Sender Fox News und NY1 ist der Termin für 14.15 Uhr (20.15 Uhr MESZ) im Gerichtsgebäude in Manhattan angesetzt. Spätestens dann wird auch die Öffentlichkeit offiziell Details der Vorwürfe erfahren.

Medien wie „New York Times" und “Washington Post“ fragten sich im Vorfeld, wie das ablaufen könnte. Plangemäß soll sich Trump dem Gericht stellen.

ORF-Analyse: Anklage gegen Trump

Zum ersten Mal in der Geschichte der USA wird ein Ex-Präsident angeklagt. Dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump wird vorgeworfen, Schweigegeld an eine Pornodarstellerin bezahlt zu haben. ORF-Korrespondent Thomas Langpaul meldet sich mit Details aus Washington.

Die „New York Times“ spekulierte am Freitag unter dem Titel „Das wird passieren, wenn Donald Trump festgenommen wird“ über den Lauf der Dinge am Dienstag. Trump werde erwartungsgemäß die „Standardprozedur“ durchlaufen, Fingerabdrücke, Foto usw. Die Frage ist, ob er in Handschellen vor Gericht erscheint. Jedenfalls, so die US-Zeitung, sei die Prozedur bei einem früheren Präsidenten „alles andere als Routine“. Stellt er sich, bleibt ihm eine Festnahme erspart.

„Testfall“ in mehrerlei Hinsicht

Eine große Frage schließlich sind die politischen Konsequenzen, nicht nur mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2024, bei der Trump erneut antreten will, sondern für das ganze Land. Die Anklage sei „eine historische Entwicklung, die das Rennen um die Präsidentschaft 2024 erschüttern“ werde, schrieb die „New York Times“. Die „Washington Post“ nannte die Anklage einen „Testfall“ für weitere Verfahren, etwa das nach dem Sturm auf das Kapitol durch Anhänger Trumps am 6. Jänner 2021.

Journalisten vor dem Manhattan Criminal Court in New York City
IMAGO/Pacific Press Agency/Lev Radin
Presse hinter Absperrgittern in Manhattan

Zahlung an sich nicht illegal

Bei den Ermittlungen gegen Trump geht es um eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar (rund 120.000 Euro) an die ehemalige Pornodarstellerin Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016. Der Pornostar mit dem bürgerlichen Namen Stephanie Clifford gab an, 2006 eine Affäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet. Sie bedankte sich am Freitag via Twitter bei ihren Unterstützern.

Trumps damaliger Anwalt Michael Cohen, der sich inzwischen von seinem früheren Klienten losgesagt hat, hatte im Wahlkampf nach eigenen Angaben im Auftrag Trumps Schweigegeld an sie gezahlt, um kurz vor der Wahl politischen Schaden abzuwenden. Trumps Firma habe ihm die Auslagen später in mehreren Raten zurückerstattet. Im Dezember 2018 wurde Cohen zu drei Jahren Haft verurteilt.

Die Zahlung an sich ist nicht illegal, aber angeklagt werden könnten eine Fälschung von Geschäftsdokumenten und illegale Wahlkampffinanzierung. Schließlich könnten die Ankläger argumentieren, das Schweigegeld sei direkt der Kandidatur zugutegekommen. Trump und seine Anwälte haben auch eine Zahlung eingeräumt. Der Republikaner bestreitet aber, eine Affäre mit der Pornodarstellerin gehabt zu haben, und beteuert, die Zahlung habe nichts mit Wahlkampfmitteln zu tun gehabt.

„Wahnsinnige“ und „Abschaum“

Trump nannte die Anklage in einer am Donnerstag veröffentlichten Erklärung „politische Verfolgung und Wahlbeeinflussung“, er sei Opfer einer „Hexenjagd“ durch „die linksradikalen Demokraten“. „Eine vollkommen unschuldige Person anzuklagen ist ein Akt der eklatanten Wahleinmischung“, erklärte Trump.

Riesiges Transparent mit der Aufschrift „Trump lies all the time“ vor dem Manhattan Criminal Court in New York City
IMAGO/ZUMA Wire/Vanessa Carvalho
Trump hat auch seine Gegner

Bei einer Veranstaltung beschimpfte Trump kürzlich die Behörden, der Bezirksstaatsanwalt von New York habe „unter der Federführung des ‚Unrechtsministeriums‘ in Washington wegen etwas gegen mich ermittelt, das kein Verbrechen, kein Fehlverhalten, keine Affäre ist“, so Trump. Dahinter steckten „linksradikale Wahnsinnige“. Die Kläger bezeichnete Trump als „Abschaum“.

Trump will 2024 erneut für das Weiße Haus kandidieren. Ein Prozess und eine potenzielle Verurteilung, bei der dem Republikaner womöglich mehrere Jahre Haft drohen, könnten seine Pläne für eine erneute Präsidentschaftskandidatur in politischer Sicht gefährden – mit Blick auf die Unterstützung seiner Partei und der republikanischen Basis. Rein rechtlich dagegen dürfte Trump theoretisch auch als verurteilter Straftäter bei der Präsidentenwahl 2024 antreten.

Führende Republikaner empört

Diverse Republikaner reagierten empört auf die Anklage und werteten diese als Angriff auf die Demokratie. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, griff den zuständigen New Yorker Staatsanwalt Alvin Bragg an.

„Während er routinemäßig gewalttätige Kriminelle freilässt, um die Öffentlichkeit zu terrorisieren, hat er unser heiliges Rechtssystem gegen Präsident Donald Trump instrumentalisiert“, schrieb McCarthy auf Twitter. McCarthy gilt als Trump-Verbündeter.

Selbst Trumps größter parteiinterner Konkurrent Ron DeSantis kritisierte das Vorgehen: „Wenn das Rechtssystem als Waffe eingesetzt wird, um eine politische Agenda voranzutreiben, wird die Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf gestellt.“ Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence bezeichnete die Anklage als „Skandal“.

Für Demokraten „niemand über dem Gesetz“

Auch mehrere US-Demokraten haben auf die Anklage gegen Trump reagiert und die Gleichheit aller US-Bürger vor dem Recht betont. „Niemand steht über dem Gesetz“, schrieb die frühere Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in der Nacht zum Freitag (Ortszeit) auf Twitter. Sie hoffe, dass Trump das Rechtssystem respektieren werde.

Auch Chuck Schumer, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, nahm auf Twitter Stellung. Trump unterliege denselben Gesetzen wie jeder US-Amerikaner, schrieb er. Über den Fall richteten nun die Justiz und eine Jury, jedoch nicht die Politik. „Es sollte keine politische Einflussnahme, Einschüchterung oder Störung von außen in dem Fall geben.“ Die Anklage gegen einen ehemaligen Präsidenten sei ein „ernster Moment“ für die Nation, schrieb der Fraktionschef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries. Rechtsstaatlichkeit sei von zentraler Bedeutung für die Demokratie.

Der amtierende US-Präsident Joe Biden schweigt vorerst zur Anklage gegen seinen Vorgänger Donald Trump. Auf mehrfache Nachfrage von Reportern sagte Biden am Freitag in Washington, er kommentiere die Angelegenheit nicht.