Staatsoper: Später Monteverdi wird zum Triumph

Monteverdi-Werke an der Wiener Staatsoper – davon war nicht jeder Direktor des Hauses auf dem Ring überzeugt, und so ist Claudio Monteverdis Musikdrama „Il ritorno d’Ulisse in Patria“ („Die Rückkehr des Odysseus in die Heimat“) erst über 360 Jahre nach der Uraufführung seit gestern Abend in der Staatsoper zu sehen.

Die Umsetzung durch den Concentus Musicus Wien unter Pablo Heras Casado wird in der klugen und unaufgeregten Regie von Jossi Wieler und Sergio Morabito zum Triumphzug für eine Themenoper – und für Kate Lindsey als Penelope und Georg Nigl als Ulisse. Und insgesamt für ein Sängerinnen- und Sängerensemble, das diese dreieinhalbstündige Rezitativorgie mit Bravour in das große Oval der Staatsoper trägt.

Lange wurde um diese vorletzte Oper Monteverdis aus dem Jahr 1640 gerungen, die ja nur in einer mageren Überlieferung an der Nationalbibliothek erhalten ist. Nikolaus Harnoncourt kommt in der Wiedererstellung dieses Werkes eine entscheidende Rolle zu, musste man doch zu einer dürren Notation alle Stimmen des Orchesters quasi neu erfinden.

Szenenbild aus Ritorno d’Ulisse
Wiener Staatsoper
Späte Familienzusammenführung: Josh Lovell als Telemaco, Kate Lindsey als Penelope und Georg Nigl als Ulisse

Dieses Stück auf die ganz große Opernbühne zu wuchten, erfordert eine Reihe an Vorentscheidungen. Man könnte es überästhetisieren und so überhöhen, dass drei Stunden tragen. Man kann, wie etwas Jan Lauwers mit der „Poppea“ gezeigt hat, Monteverdi zum frühneuzeitlichen Karneval umfunktionieren, in dem sich andauernd etwas oder jemand dreht. Oder man kann sich wie Jossi Wieler und Sergio Morabito für den großen Mut entscheiden und auf das starke Libretto aus der Hand von Giacomo Badoaro schauen und aus diesem ein ganz langsames Stück herausschälen, so als machte man Elfriede Jelinek in Superslowmotion.

Fest für das Bühnenhandwerk

Die Regie vertraut dem Bühnenhandwerk – und er vertraut Musik und großartigen Sängerinnen und Sänger, lässt diese im Wechselspiel und -gesang die Geschichte von der Rückkehr des Odysseus ganz langsam entfalten. Durfte man in Wielers Antisehnsuchtslandschaft mit ein paar Wirtshaustischen, Kisten und einem Webstuhl in der Mitte vor der Pause noch seine Zweifel haben, so entfaltete sich das Stück in großer Schönheit im zweiten Teil.

Monteverdis „Il ritorno d‘Ulisse in patria“ an der Staatsoper

An der Wiener Staatsoper steht die nächste Premiere bevor: Claudio Monteverdis „Il ritorno d’Ulisse in patria“. Damit beendet das Haus auf dem Ring nach „L’incoronatione di Poppea“ und „La favola di Orfeo“ ihren Monteverdi-Zyklus. Georg Nigl ist in der Rolle des Odysseus zu sehen, als Penelope die US-amerikanische Mezzosopranistin Kate Lindsey. Regie führen Jossi Wieler und Sergio Morabito, Premiere war am 2. April 2023.

Lindsey und Nigl verkörperten die Themen der Aufrichtigkeit, Treue und Standhaftigkeit gegen alle Absurditäten der Zeit in einer Art von Überzeugung, wie man sie selten auf einer Opernbühne erlebt. Isabel Signoret als Minerva steht neben beiden wie eine Reflexionsfigur auf das Tun der Götter – und der Olymp, er wirkt hier wie die gestrandete Business-Class eines Langstreckenfluges.

Schlussapplaus mit Orchester und Bühne
ORF.at
Große Ensembleleistung und überzeugender Concentus Musicus Wien

Thema, Musik und Regie wurden eins an diesem Abend in großer innerer Überzeugung und Unaufgeregtheit. Unter einem großen Windsegel beschwören Wieler und Morabito die zeitlose Kraft des Theaters, gerade auch für den Überlebenskampf der Menschheit. Eine Fußnote, dass man in Wien auch zu diesem Tun pfeifen muss – das Gros des Publikums feierte diese Umsetzung ausgiebig wie schon lange nicht.