Thomas Schmid beim Gehen
APA/Helmut Fohringer
Inseratenaffäre

WKStA fordert viele Daten von Ministerien

Nach Hausdurchsuchungen und dem Bekanntwerden der Ermittlungen rund um die Zeitungen „Heute“ und „Krone“ wegen möglicher Deals mit der Politik um Inserate, hat die ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) den nächsten Schritt gesetzt: In Rechtshilfeansuchen werden Finanz- und Justizministerium aufgefordert, Daten, Akten und Mails in der Sache zu übermitteln – und zwar im Zeitraum von 2015 bis 2022 und für alle Medien, berichten Ö1 und der „Standard“.

Letzte Woche war die Ausweitung der Ermittlungen, die sich bisher auf die Zeitung „Österreich“ konzentrierten, durch die Hausdurchsuchung bei der die Tageszeitung „Heute“ herausgebenden AHVV Verlags GmbH bekanntgeworden. Auslöser der Ermittlungen wegen Bestechung bzw. Bestechlichkeit sind einmal mehr Aussagen und Aufzeichnungen des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid. Dieser strebt den Status des Kronzeugen an. Viele, die im Fokus der Ermittlungen stehen, werfen ihm daher vor, seine belastenden Aussagen seien Lügen, mit denen er sich selbst Vorteile verschaffen wolle.

Wie das Ö1-Mittagsjournal und der „Standard“ am Montag berichteten, sind Rechtshilfeansuchen der WKStA im Finanzministerium und im Justizministerium eingetroffen. Datiert ist das Schreiben mit 28. März, also zwei Tage vor der Hausdurchsuchung letzten Donnerstag. Eva und Christoph Dichand und der Verlag bestreiten die Vorwürfe, für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Eine von vielen Causen

Ausgelöst vom „Ibiza-Video“ ermittelt die WKStA seit 2019 in zahlreichen Causen und gegen eine Vielzahl an Beschuldigten, darunter Ex-ÖVP-Kanzler Kurz. Viele von ihnen wurden durch Zufallsfunde bei den Ermittlungen – Stichwort: Chats – ausgelöst. Der Vorwurf, Kurz und sein Team hätten positive Berichterstattung via Inseratengeld von Ministerien gekauft, ist die wohl prominenteste Causa – und seit wenigen Tagen deutlich ausgeweitet.

Alle Inserate werden geprüft

Das Finanzministerium solle möglichst rasch alle elektronischen Akten inklusive E-Mails der für die Inseratenvergabe zuständigen Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit über den achtjährigen Zeitraum, der insbesondere die von Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz geführten Koalitionen mit FPÖ und Grünen umfasst, liefern. Dabei sollen nicht nur die Daten bezüglich „Heute“, „Kronen Zeitung“ und „Österreich“ geliefert werden. Das Ansuchen umfasst vielmehr sämtliche Inseratevergaben des Ministeriums, die von 2016 bis 2018 um ein Vielfaches sprunghaft anstiegen.

Das umfasst auch Daten zu unentgeltlichen Informationskampagnen wie jener für den „Familienbonus Plus“. Auch die Daten zur Abstimmung der Kommunikationsabteilung des Ministeriums – dort war Kurz’ Lebensgefährtin vor ihrer Karenzierung tätig – mit dem Bundeskanzleramt seien angefordert worden.

„Überblick über gesamte Praxis“

Dass die Behörde nun Auskunft über alle Inserate begehrt, liegt laut „Standard“ daran, dass die inkriminierten Vorgänge durch sie selbst und nicht durch die interne Revision des Ministeriums gefunden worden sind. Außerdem erstrecke sich die bestehende Verdachtslage „auf eine Vielzahl von Schaltungen“, und zwar „auch in anderen Medien“. Zudem möchte die Behörde einen Überblick „über die gesamte Praxis der Vergabe von entgeltlichen Veröffentlichungen, um Auffälligkeiten festmachen zu können“, heißt es in dem Bericht.

Daten zu geplanter Stiftungsrechtsnovelle

Das Justizministerium wiederum soll Daten und Akten rund um die geplante Novelle zum Privatstiftungsrecht liefern. Eva Dichand hatte sich laut Schmid für Änderungen eines Entwurfs des Ministeriums starkgemacht. Aus einem von der WKStA in der Begründung für ihr Vorgehen zitierten kabinettsinternen Chat von 2017 geht hervor, dass man „die SPÖ bei dem Thema weiter hinhalten“ wolle.

Nusser: „Keine wohlwollende Berichterstattung“

„Heute“-Chefredakteur Christian Nusser versicherte in der Montag-Ausgabe der Zeitung, dass es „definitiv“ keine „wohlwollende Berichterstattung“ aufgrund von Inseratenschaltungen gegeben habe. Dichand habe auch keine Berichterstattung „beauftragt“. Denn in „Heute“ seien Redaktion und Geschäftsführung strikt getrennt, wird beteuert.

Das Finanzministerium habe seine Aufwendungen für Inserate über alle Medien hinweg von 1,8 Mio. Euro im Jahr 2016 auf 8,7 Mio. Euro im Jahr 2018 gesteigert, so Nusser weiter. „Heute“ habe davon profitiert, „aber im Verhältnis nicht mehr als andere Medien“, so der „Heute“-Chefredakteur.

ÖVP: Sache der Justiz

Vorerst nicht mit der Causa beschäftigen wollte sich ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker. Dieses Thema solle die Justiz lösen – wobei das durchaus „etwas schneller gehen“ sollte, so Stocker am Rande einer Pressekonferenz am Montag.

Der frühere Kanzler Christian Kern (SPÖ) und der frühere Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sehen die jüngsten Verdachtsmomente im Zusammenhang mit der Affäre Dichand als enorme Gefährdung der Demokratie. Der von Kurz abgelöste Mitterlehner sprach gegenüber der „Tiroler Tageszeitung“ („TT“, Dienstag-Ausgabe) von „gekaufter und erkaufter Politik“. Kern konstatiert: „Die 2017er-Wahl wurde manipuliert ohne Ende.“ Er habe im Wahlkampf gespürt, wie gegen ihn medialer Druck aufgebaut wurde, „allen voran war dabei ‚Österreich‘ und die ‚Kronen Zeitung‘“.

FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker zeigte sich in einer Reaktion verwundert, warum Gerald Fleischmann wieder als Kommunikationschef der ÖVP fungiere, obwohl er ein mutmaßliches „Mastermind“ des „schwarz-türkisen System der Inseratenkorruption“ gewesen sei: „Das beweist zum gefühlten tausendsten Mal: Die skandalgebeutelten Schwarzen haben nicht das geringste Interesse an Einsicht, Selbstreinigung oder Aufarbeitung.“

Pecik weist Vorwürfe zurück

Unterdessen wies auch Investor Ronny Pecik die Bestechungsvorwürfe von Thomas Schmid zurück. Schmid, der frühere Generalsekretär im Finanzministerium, habe gelogen und Pecik aus „reinem Eigeninteresse“ belastet, um Kronzeugenstatus zu erlangen, so Pecik laut „Standard“ in einem Schreiben an die WKStA. Konkret erhebt Schmid folgende Vorwürfe: Pecik habe ihn mit geliehenen Autos und geschenkten Maßanzügen bestochen.

Der Investor, der früher im Aufsichtsrat der Telekom Austria saß und dort die Interessen des Mehrheitseigentümers America Movil vertrat, habe sich davon Vorteile versprochen, etwa einen besseren Zugang zum Finanzminister. Pecik sieht darin eine „Falschaussage“ Schmids. Laut Pecik sei es nicht ums Geschäft, sondern um Freundschaft gegangen.