Zeitungen auf Tisch
AP/Alastair Grant
Trump angeklagt

Wie es nun weitergeht

In 34 Punkten ist am Dienstag der frühere US-Präsident Donald Trump in einer Schweigegeldaffäre angeklagt worden – ein historisches Ereignis in der US-Geschichte, weil bis dato beispiellos. Bei der Anklageverlesung plädierte Trump vor einem New Yorker Gericht erwartungsgemäß auf nicht schuldig und beteuerte bei einem Auftritt danach seine Unschuld. Es war die erste Etappe eines langwierigen Strafverfahrens mit ungewissem Ausgang.

In der Anklage geht es um eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar (rund 120.000 Euro) vor der Präsidentschaftswahl 2016 an die damalige Pornodarstellerin Stephanie Clifford (Stormy Daniels). Clifford hatte nach eigenen Angaben 2006 eine Affäre mit dem verheirateten Trump, was dieser bestreitet. Mit dem Schweigegeld sollte verhindert werden, dass Clifford an die Öffentlichkeit geht, was Trump im Wahlkampffinale 2016 vielleicht entscheidend hätte schaden können.

Ausgezahlt wurde die Summe von Trumps damaligem Anwalt Michael Cohen. Das Geld bekam Cohen später von Trumps Familienholding, der Trump Organization, erstattet. Hier setzt die Anklage an: Trump wird im Zusammenhang mit der Zahlung eine Fälschung von Dokumenten (in 34 Fällen) zur Last gelegt. Denn die Ausgaben an Cohen wurden von der Trump Organization fälschlicherweise als Anwaltskosten verbucht. Trump hatte neun der Schecks selbst unterzeichnet.

Showdown könnte in heikle Phase fallen

Der mit dem Fall betraute Richter Juan Merchan gab Trumps Anwälten nach der Anklage am Dienstag nun bis zum 8. August Zeit, um alle ihre Anträge einzureichen. Erwartet werden zahlreiche Rechtsmittel gegen die Anklage. Die Staatsanwaltschaft soll dann Zeit bis zum 19. September bekommen, darauf zu reagieren. Trumps Anwälte könnten versuchen, die Vorgänge zu verzögern und einen Prozess noch zum Platzen zu bringen. Seine Entscheidungen zu den verschiedenen Anträgen will Merchan dann am 4. Dezember verkünden.

Anklage gegen Trump

Am Dienstag musste sich zum ersten Mal ein ehemaliger US-Präsident in einem Strafverfahren verantworten. Donald Trump plädiert in der Schweigegeldaffäre auf nicht schuldig.

Richter Merchan gab an, der Strafprozess gegen den Ex-Präsidenten könnte im kommenden Jänner beginnen – und das käme für Trump und seine Republikaner zu einem empfindlichen Zeitpunkt. Denn weniger später beginnen die Vorwahlen der Republikaner für die Präsidentschaftskandidatur für die Wahl im November 2024. Trump führt derzeit Umfragen zum potenziellen Bewerberfeld der Republikaner klar an. Weder die Anklage noch eine mögliche Verurteilung hindern Trump an einer Präsidentschaftskandidatur.

Oberstaatsanwalt: Vor Gesetz „jeder gleich“

Die bereits in der Vorwoche bekanntgewordene Anklage wurde am Dienstag öffentlich gemacht – auch mit überraschenden Details: Manhattans leitender Oberstaatsanwalt Alvin Bragg warf Trump am Dienstag vor, Geschäftsunterlagen gefälscht zu haben, um andere Straftaten zu verbergen, unter anderem einen Verstoß gegen Gesetze zu Wahlkampffinanzen.

Trump habe Geschäftsdokumente gefälscht, „um vor und nach der Wahl von 2016 schädliche Informationen und rechtswidrige Aktivitäten vor den amerikanischen Wählern zu verbergen“, erklärte Bragg. Der Staatsanwalt betonte bei einer Pressekonferenz: „Das sind Verbrechen im Bundesstaat New York. Egal, wer jemand ist, wir können und werden schweres kriminelles Verhalten nicht normalisieren.“ Vor dem Gesetz „ist jeder gleich“, sagte Bragg.

Donald Trump
AP/Seth Wenig
Ein Bild, das um die Welt ging: Ein früherer US-Präsident wird angeklagt

Trump: Staatsanwalt ein „Verbrecher“

Trump reagierte in bekannter Manier in Mar-a-Lago mit inhaltlich nicht begründeten Verbalattacken und Beleidigungen. Oberstaatsanwalt Bragg nannte er einen „Verbrecher“ und „radikalen Linken“. Und den Richter bezeichnete er als „Trump-hassend, mit einer Trump-hassenden Frau und Familie“.

Die Staatsanwaltschaft erklärte am Dienstag aber nun, nicht nur Stephanie Clifford (Stormy Daniels) habe vor der Präsidentschaftswahl 2016 Schweigegeld erhalten. Es habe noch in zwei weiteren Fällen ähnliche Zahlungen gegeben, die als Firmenausgaben ausgegeben wurden. Das soll offenbar dazu dienen, die Anklage, die sich nur auf den Fall rund um Clifford bezieht, zu untermauern.

Demos vor Gericht

Vor der Anklage war Trump am Dienstag wortlos in das Gerichtsgebäude in Manhattan gegangen, vor dem viele Fans und Gegner schon seit Stunden gewartet hatten. Die beiden lärmenden Gruppen waren durch Polizeiabsperrungen voneinander getrennt worden. Der Termin fand auf Wunsch der Verteidigung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auch Fernsehkameras waren im Gebäude untersagt. Einige wenige Fotografen waren aber zugelassen.

Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude
APA/AFP/Getty Images/Drew Angerer
Schon Stunden vor dem Termin waren Fans und Gegner von Trump vor dem Gerichtsgebäude aufeinandergetroffen

Im Gebäude, wo Trump tatsächlich vorübergehend in Gewahrsam genommen wurde – so will es das Prozedere –, wurden die bis zu diesem Zeitpunkt unter Verschluss gehaltenen 34 Anklagepunkte vorgetragen. Der „New York Times“ zufolge wurden Trump die Fingerabdrücke abgenommen, jedoch kein Polizeifoto angefertigt. Danach wurde Trump ohne Auflagen wieder entlassen. Im Anschluss an den Termin, der rund eineinhalb Stunden dauerte, verließ Trump erneut wortlos das Gericht.

Fälschung von Geschäftsunterlagen

Für das Trump nun angelastete Delikt drohen ihm bis zu vier Jahre Haft. Eine Haftstrafe im Fall einer Verurteilung wurde in US-Medien aber als wenig wahrscheinlich bezeichnet. Die Anklage betritt auch juristisches Neuland, ihre Erfolgschancen sind daher laut Fachleuten völlig ungewiss. Laut Anklageschrift haben Trump und andere systematisch versucht, negative Informationen über ihn zu identifizieren, zu kaufen und zu verbergen und so seine Wahlchancen zu erhöhen, hieß es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Anklageschrift
AP/Jon Elswick
Die Anklageschrift offenbarte am Dienstag weitere Schweigegeldzahlungen

Trump habe große Anstrengungen unternommen, um all das zu verbergen, indem er Dutzende falscher Einträge in Geschäftsunterlagen vorgenommen habe. Unter den kriminellen Aktivitäten, die er zu verdecken versucht habe, seien auch Versuche, gegen Wahlgesetze zu verstoßen. Der zuständige Staatsanwalt Alvin Bragg sagte: „Wir können nicht zulassen, dass New Yorker Unternehmen ihre Aufzeichnungen manipulieren, um kriminelles Verhalten zu vertuschen.“

Schweigegeld in drei Fällen

Auch Geld für zwei weitere Personen werden unter die Lupe genommen, darunter 30.000 Dollar an einen früheren Türsteher im Trump Tower, der angeblich von einem unehelichen Kind Trumps wusste. Die dritte Person sei eine weitere Frau, die Schweigegeld erhalten haben soll.

Trumps Anwalt Todd Blanche sagte nach dem Gerichtstermin, die Anklage sei traurig und enttäuschend. Die Bekanntgabe der Anklagepunkte zeige, dass „die Rechtsstaatlichkeit in diesem Land gestorben ist“. Man werde dagegen ankämpfen. Über Trumps Gemütszustand sagte Blanche: „Er ist frustriert, er ist verärgert, aber ich sage Ihnen was: Er ist motiviert.“

Weitere Verfahren laufen

Der Ex-Präsident ist nicht nur in der Schweigegeldaffäre im Visier der Justiz. Im Südstaat Georgia laufen Ermittlungen wegen eines möglichen Versuchs der illegalen Einflussnahme auf den Ausgang der Präsidentschaftswahl 2020. Ein US-Sonderermittler prüft zudem Trumps Verantwortung bei der Kapitol-Erstürmung und die Mitnahme von zahlreichen Geheimdokumenten aus dem Weißen Haus in sein Privatanwesen Mar-a-Lago nach dem Ende der Amtszeit des Republikaners.

Pornodarstellerin Stormy Daniels
AP/Markus Schreiber
Stephanie Clifford auf einem Archivbild (2018) – bei der Anklage gegen Trump geht es um die Transaktionen rund um Schweigegeld

Trumps Anwälte gewannen Rechtsstreit mit Clifford

In einem Rechtsstreit mit Clifford erzielten Trumps Anwälte aktuell einen juristischen Sieg. Die 44-Jährige muss Trump knapp 122.000 Dollar (aktuell 111.916,34 Euro) an Anwaltskosten erstatten, wie ein Berufungsgericht in Los Angeles laut Medienberichten am Dienstag (Ortszeit) entschied. Hintergrund ist eine alte Verleumdungsklage der Schauspielerin gegen Trump.

Daniels hatte 2018 darin erklärt, sie sei 2011 auf einem Parkplatz von einem Mann aus dem Trump-Umfeld bedroht worden, damit sie nichts von der Affäre erzählt, die sie nach eigenen Angaben mit Trump gehabt hatte. Trump hatte ihr per Twitter vorgeworfen zu lügen. Daniels klagte daraufhin gegen Trump, ihre Klage wurde jedoch abgewiesen.

Der Richter ordnete damals zudem an, sie solle Trumps Anwaltskosten erstatten. Dagegen hatte Clifford Berufung eingelegt. Trumps Anwältin Harmeet Dhillon feierte die Entscheidung auf Twitter als Sieg für den Ex-Präsidenten. Insgesamt habe ihre Kanzlei in dem Rechtsstreit rund 600.000 Dollar an Anwaltshonoraren zurückerhalten.

Wählermobilisierung der anderen Art

Das ändert freilich nichts an der Anklage, die Trump wiederholt als politisch motiviert bezeichnete. Gleichzeitig nutzte er sie, um seine Anhängerinnen und Anhänger zu mobilisieren und Millionen von Dollar an Wahlkampfspenden einzusammeln. Trump will bekanntlich erneut Präsident werden. Rein rechtlich dürfte er auch als verurteilter Straftäter bei der Wahl 2024 antreten, so Fachleute.

Dementsprechend erhält er auch Rückendeckung aus der republikanischen Partei. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, teilte via Twitter mit, Oberstaatsanwalt Bragg habe „unser heiliges Rechtssystem gegen Präsident Donald Trump instrumentalisiert“. Auch Trumps früherer Stellvertreter, Ex-Vizepräsident Mike Pence, bezeichnete die Anklage als „Skandal“. Auch aus Europa erhielt Trump Unterstützung: „Kämpfen Sie weiter, Mr. President! Wir sind mit Ihnen“, schrieb der ungarische Premier Viktor Orban auf Twitter.