Volodymyr Zelensky und Andrzej Duda
APA/AFP/Wojtek Radwanski
„Offene Grenzen“

Selenskyj und Duda zeigen Geschlossenheit

Die dritte Auslandsreise des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hat ihn am Mittwoch nach Warschau geführt, wo er mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zusammentraf. Bei seinem Besuch hat sich Selenskyj vor allem für die Hilfe Polens im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bedankt – und gleichzeitig von einer Zukunft mit offenen Grenzen zwischen Polen und der Ukraine gesprochen.

Besonders in den ersten Tagen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hätten die grenznahen Orte in Polen „ihre Türen geöffnet, und es gab keine Grenzen zwischen uns“, sagte Selenskyj. Das sei der Anfang dafür, dass es in Zukunft keine Grenzen mehr zwischen den Nachbarländern geben werde.

„Keinerlei Grenzen in politischer, wirtschaftlicher und – besonders wichtig – in historischer Hinsicht“, betonte der 45-Jährige mit Blick auf die schwierige ukrainisch-polnische Vergangenheit. In weiterer Folge dankte Selenskyj Duda und den Polen für die gewährte Hilfe „auf dem schwierigen Weg zu unserem Sieg“. Ukrainische Flüchtlinge könnten sich dank der Menschen in Polen in ihrem Nachbarland „wie zu Hause fühlen“ und seien nicht nur Gäste.

Selenskyj sieht Polen auch als einen Schlüsselpartner, wenn es zu einem Wiederaufbau seines Landes nach Ende des russischen Angriffskriegs kommt, und lud daher polnische Firmen ein, bereits vor Ende des Kriegs in der Ukraine tätig zu werden, um ihre Positionen im Markt zu verbessern.

Volodymyr Zelensky und Andrzej Duda
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Beim Empfang trug Selenskyj einen schwarzen Pullover mit dem ukrainischen Dreizack

Polen mit meisten Kriegsflüchtlingen

Polen hat nach Angaben des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) rund 1,6 Millionen Kriegsflüchtlinge aus der benachbarten Ukraine aufgenommen, so viele wie kein anderes Land der Welt. Ein Großteil der Unterstützung für die Geflüchteten wird dabei seit den ersten Kriegstagen von Bürgerinitiativen und Privatpersonen getragen.

Das EU- und NATO-Land Polen macht sich außerdem immer wieder für westliche Militärhilfe für die von Russland angegriffene Ukraine stark. Bei der Frage der Lieferung von Kampfpanzern des Typs Leopard 2 setzte Polen die deutsche Bundesregierung lange unter Druck, diese willigte schließlich ein. Zudem hat Polen eine wichtige Funktion als logistische Drehscheibe für die militärische Unterstützung aus dem Westen.

Weitere Kampfflugzeuge für die Ukraine

Polen ist nach eigenen Angaben außerdem dazu bereit, sämtliche MiG-29-Kampfjets im eigenen Bestand an die Ukraine abzugeben. Warschau werde „in Zukunft in der Lage sein, seine gesamte MiG-Flotte“ aus etwa 30 Flugzeugen an Kiew zu übergeben, „sofern die NATO-Verbündeten zustimmen“, sagte Duda. Polen hat Kiew bereits acht seiner in der Sowjetunion hergestellten MiG-29-Jets geliefert.

Bisweilen würden weitere MiG-29 aber vorerst noch im Dienst der polnischen Streitkräfte bleiben, so Duda. Erst wenn sie sukzessive durch moderne Kampfjets ersetzt würden, die Polen bereits in Südkorea und den USA bestellt habe, könnten auch diese Maschinen der Ukraine überlassen werden. Neben Polen hat bereits die Slowakei vier MiG-29 an Kiew abgegeben.

Selenskyj in Polen

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist am Mittwoch in Polen eingetroffen. In der Hauptstadt Warschau stehen unter anderem Gespräche mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda und Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf dem Programm.

Lösung für Getreideproblem

Selenskyj und Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki unterzeichneten am Mittwoch zudem einen Vorvertrag über den Kauf neuer polnischer Radschützenpanzer. „Wir wissen, wie wichtig die Freiheit ist, und deshalb unterstützen wir die kämpfenden ukrainischen Soldaten“, sagte Morawiecki, nachdem er gemeinsam mit Selenskyj drei der Radschützenpanzer vom Typ KTO Rosomak hinter dem polnischen Regierungsgebäude inspiziert hatte.

Polen und die Ukraine fanden zudem eine Lösung für ukrainische Getreideimporte, die den polnischen Getreidemarkt unter Druck gesetzt haben. „Wir haben einen Ausweg gefunden“, sagte Selenskyj während seines Besuchs. In den kommenden Tagen werde alles endgültig geklärt. „Zwischen so engen Partnern und echten Freunden wie Polen und der Ukraine darf es keine offenen Fragen und Komplikationen geben.“ Der polnische Landwirtschaftsminister war zuvor wegen der Proteste von Bauern gegen fallende Getreidepreise durch die Importe zurückgetreten.

Selenskyj: „Lage in Bachmut sehr, sehr schwer“

Bei seinem Besuch in Polen kam der ukrainische Präsident auch auf die ostukrainische Stadt Bachmut zu sprechen. Seiner Einschätzung nach sei die Lage dort „sehr, sehr schwer“. „Dort wird die größte Zahl verschiedener Waffen wie Artillerie eingesetzt“, sagte Selenskyj. Die Situation hinsichtlich verfügbarer Munition ändere sich täglich und die ukrainischen Truppen kämpften mit unterschiedlichem Erfolg.

„Doch wir befinden uns in Bachmut, und der Feind kontrolliert Bachmut nicht“, unterstrich Selenskyj. Er widersprach damit auch jüngsten Äußerungen aus Moskau. Der Chef der in Bachmut kämpfenden Söldnertruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hatte behauptet, seine Einheiten hätten Bachmut „rechtlich“ eingenommen, weil sie das Gebäude der Stadtverwaltung kontrollierten. „Umso mehr Munition in die Ukraine gelangt, um so schneller werden wir die Lage nicht nur in Bachmut, sondern auf dem ganzen Territorium unseres Staates klären“, so Selenskyj.

Seit dem Spätsommer versuchen russische Truppen Bachmut im Gebiet Donezk einzunehmen. Der Großteil der Stadt und Teile des Zentrums stehen bereits unter russischer Kontrolle. Im Westteil der Stadt mit ehemals 70.000 Einwohnern leisten die ukrainischen Einheiten jedoch weiter hartnäckigen Widerstand. Russland ist vor mehr als 13 Monaten in die Ukraine einmarschiert.

Auszeichnung für Selenskyj

Am Rande des Besuchs verlieh Duda Selenskyj die höchste Auszeichnung des Landes, den Orden des Weißen Adlers. Er erhalte den Orden für seine Verdienste um die Vertiefung der polnisch-ukrainischen Beziehungen, seinen Einsatz für die Sicherheit sowie für die Verteidigung der Menschenrechte, sagte Duda in seiner Würdigung.

Volodymyr Zelensky empfängt Ehrung von Andrzej Duda
Reuters/Aleksandra Szmigiel
Selenskyj nimmt in Begleitung seiner Frau Olena Selenska den Orden des Weißen Adlers von Polens Präsident Duda entgegen

Bei einer gemeinsamen Rede vor dem Königsschloss bekräftigte Duda, die Ukraine mit Militärhilfe unterstützen zu wollen. „Wer sein Haus verteidigt, wer seine Heimat, seine Städte, Dörfer und seine Bevölkerung verteidigt, der braucht die Hilfe sofort und hat keine Zeit zu warten“, so Duda. Selenskyj beschwor die Freundschaft mit Polen: „Die ukrainischen und polnischen Herzen schlagen für eine Freiheit, für die beiderseitige Unabhängigkeit unserer Staaten, für unser heimatliches Europa, unser gemeinsames Haus, und wir werden siegen“, so der ukrainische Präsident.

Dritte Auslandsreise seit Kriegsbeginn

Selenskyj ist seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 bisher nur sehr selten ins Ausland gereist. Im Februar hatte er London, Paris und Brüssel besucht. Die erste Reise hatte ihn im Dezember nach Polen und in die USA geführt.