Abschiebezentrum in Bosnien: Kritik an Geld aus Österreich

In dem wiederaufgebauten Flüchtlingscamp Lipa in Bosnien-Herzegowina soll ein Abschiebezentrum mit einem Gefängnis entstehen. Das berichten mehrere bosnische Medien unter Berufung auf das bosnische Sicherheitsministerium. Die NGO SOS Balkanroute warf Österreich gestern vor, den Gefängnisbau mitzufinanzieren. Das Innenministerium dementierte das auf APA-Anfrage: Es sei weder in die Konzeption noch in die Finanzierung oder den Betrieb von Schubhaftkapazitäten involviert.

In dem in unmittelbarer Nähe zum Aufnahmezentrum Lipa nahe der Stadt Bihac im Kanton Una-Sana geplanten Bau sollen Migranten vorübergehend angehalten werden, erklärte das Fremdenamt des bosnischen Sicherheitsministeriums laut dem bosnischen Fernsehsender USK TV. Der Bürgermeister der Stadt Bihac, Elvedin Sedic, bestätigte gegenüber bosnischen Medien, dass eine Haftanstalt für Migranten gebaut werde.

Die Stadtverwaltung sei über die Pläne jedoch nicht informiert, da die Verwaltung des Aufnahmezentrums vor zwei Jahren von der Stadtverwaltung an das Sicherheitsministerium übertragen worden sei. Als Partner des Projekts wurde in den Medienberichten das von Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) geleitete Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) genannt. Von diesem lag der APA vorerst keine Stellungnahme vor.

„Der Plan scheint ziemlich klar zu sein: Menschen an einem Ort zu konzentrieren und sie ohne jegliche, geschweige denn faire Prüfung ihres Falls ins Herkunftsland zu deportieren“, so SOS-Balkanroute-Gründer und -Obmann Petar Rosandic in einer Aussendung. Die Regierung habe mindestens 800.000 Euro und die oberösterreichische Landesregierung weitere 300.000 Euro „unter dem Deckmantel der Hilfe vor Ort“ in ein Abschiebezentrum mit Gefängniseinheiten investiert, kritisierte die NGO.

Aus einer Aussendung des Landes Oberösterreich von 2021 geht hervor, wohin besagte 300.000 Euro gegangen sind. Auf Initiative von Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hat Oberösterreich „das OÖ Hilfswerk und Hilfswerk International bei der Errichtung eines stabilen Wasserversorgungssystems im Aufnahmezentrum Lipa mit 110.000 Euro unterstützt“. Der Antrag war im Mai 2021 von der Landesregierung auch einstimmig beschlossen worden.

Ministerium: Geld für Strom und Wassernetz

Das Innenministerium wies den Vorwurf zurück. Das Ministerium habe der Internationalen Organisation für Migration (IOM) insgesamt 821.672 Euro zur Verfügung gestellt. Davon seien 483.000 Euro für den Ausbau der Strom- und Elektrizitätsversorgung sowie des Wasser- und Abwassernetzes auf dem Gelände des Aufnahmezentrums Lipa verwendet worden, um die Aufnahmefähigkeit für 1.500 Personen zu sichern und einen ganzjährigen Unterkunftsbetrieb zu ermöglichen. 17.000 Euro seien für die Finanzierung eines aus dem Bestand des Roten Kreuz ausgeschiedenen Krankenwagens aufgewendet worden, weitere 321.671 Euro flossen in die Anschaffung von 71 Wohn- und Schlafcontainern für die Camps Borici (36 Container) und Lipa (35 Container).

Über die Errichtung von Schubhaftkapazitäten würden dem Innenministerium keine detaillierten Informationen vorliegen, hieß es. Das Innenministerium sei „weder in die Konzeption noch in die Finanzierung oder in den Betrieb involviert“.

Vermehrt Rückführungen

Laut bosnischen Medienberichten wurden in den vergangenen Tagen vermehrt Migranten aus Kroatien nach Bosnien zurückgeführt und in Polizeibegleitung nach Lipa gebracht. Laut der an Ort und Stelle aktiven NGO SOS Balkanroute hat die kroatische Grenzpolizei den bosnischen Kollegen in den vergangenen Tagen in mehreren Aktionen mehrere hundert Menschen übergeben. Diese seien unter Zwang in Busse gebracht und ins Camp Lipa gefahren worden. Das verstoße klar gegen das Nichtzurückweisungsprinzip der Genfer Flüchtlingskonvention, kritisierten Flüchtlingshelfer.