Ein M142 High Mobility Artillery Rocket System (HIMARS) im Einsatz
Reuters/Eloisa Lopez
„New York Times“

Pentagon prüft Leak von Ukraine-Plänen

Geheime Dokumente zu Plänen der USA und der NATO, die Ukraine bei der Vorbereitung einer Frühlingsoffensive gegen Russland zu unterstützen, sind einem Medienbericht zufolge im Internet veröffentlicht worden. Laut „New York Times“ („NYT“) prüft das Pentagon, wie die Dokumente an die Öffentlichkeit gelangen konnten. Zugleich sehen Fachleute Hinweise darauf, dass Russland die Dokumente zumindest verfälscht haben könnte.

Fachleute halten die Dokumente laut der Zeitung für authentisch. Die Ukraine bezeichnete am Freitagnachmittag die angeblichen US-Geheimdokumente dagegen als russische Fälschung. „Seit dem Zusammenbruch der UdSSR sind die Geheimdienste so weit heruntergekommen, dass sie sich nur mit Photoshop und ‚gefälschten Informationsabflüssen‘ rehabilitieren können“, twitterte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak am Freitag. Die tatsächlichen ukrainischen Pläne würden bald an Ort und Stelle zu sehen sein.

Die Dokumente seien über die Onlinedienste Twitter und Telegram verbreitet worden, hatte zuvor die „New York Times“ am Donnerstag (Ortszeit) berichtet. Die USA äußerten sich zurückhaltend zu der Veröffentlichung. „Wir sind uns der Berichte über die Social-Media-Posts bewusst, und das Verteidigungsministerium prüft die Angelegenheit“, sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh.

Die Dokumente sollen laut dem Bericht Details über Waffenlieferungen, Bataillonsstärken und andere sensible Informationen enthalten haben. Allerdings sind die Informationen in den Dokumenten demzufolge mindestens fünf Wochen alt und geben den Stand von Anfang März wieder.

Russland-Experte zum Ukraine-Krieg

Russland-Experten Gerhard Mangott, Professor für internationale Politik an der Uni Innsbruck, spricht über die aktuelle Stimmung in Russland und die Chancen für Friedensverhandlungen mit der Ukraine.

Informationen über Ausbildung

Ein Dokument soll die Ausbildungspläne von zwölf ukrainischen Kampfbrigaden zusammenfassen. Dem Bericht zufolge heißt es in dem Dokument, dass neun von ihnen von US- und NATO-Kräften ausgebildet werden. Die Dokumente enthalten demzufolge aber keine Informationen über mögliche Angriffsziele oder Details – wie Zeitpläne – der von der Ukraine geplanten Frühjahrsoffensive.

Für russische Militärs ließen sich daraus aber sehr wohl interessante und wichtige Erkenntnisse ableiten. So sei bisher zumindest medial nicht bekannt gewesen, wie schnell nacheinander Raketen von den mobilen US-Raketenwerfern HIMARS abgefeuert werden, so die „NYT“. In den Dokumenten wird festgehalten, in welchem Geschwindigkeitsrhythmus die Ukrainer Munition abfeuern. HIMARS setzte Kiew erfolgreich ein, um russische Waffendepots und Kommandozentralen hinter der Front anzugreifen.

Verbreitung über prorussische Kanäle

Die Dokumente wurden laut der „New York Times“ über prorussische Kanäle verbreitet. Mindestens eines der Dokumente soll als „streng geheim“ eingestuft worden sein. Die US-Regierung bemühe sich um die Löschung der Dokumente aus den sozialen Netzwerken. Das sei bisher aber nicht gelungen.

Warnung vor russischer Desinformation

Fachleute warnen dem Bericht zufolge davor, dass einige Dokumente im Rahmen einer russischen Desinformationskampagne verändert worden sein könnten. So seien höhere Todesopfer unter den ukrainischen Truppen und die russischen Verluste niedriger angegeben worden. So werden einmal die russischen Opferzahlen mit 16.000 bis 17.500 angegeben. Westliche Schätzungen gehen aber von annähernd 200.000 getöteten und verwundeten russischen Soldaten aus.

Enge Zusammenarbeit beschädigt?

Laut „NYT“ handelt es sich aber jedenfalls um eine ernsthafte Beschädigung amerikanischer Geheimdienstaktivitäten und der US-Bemühungen, die Ukraine mit Geheimdienstinformationen zu unterstützen. Es sei der erste „Geheimdienstcoup“ Russlands seit Kriegsbeginn. Die USA liefern der Ukraine seit Kriegsbeginn zahlreiche Informationen über wichtige militärische russische Positionen, wie die Lage von Kommandozentren und Munitionsdepots.

Tatsächlich gelang es Kiew im Vorjahr mehrmals, solche Ziele erfolgreich anzugreifen. Zugleich war Kiew zu Kriegsbeginn zurückhaltend, selbst militärische Informationen mit den USA zu teilen – nicht zuletzt aus Sorge, sie könnten an die Öffentlichkeit oder in die Hände des Feindes geraten. Insofern, so mutmaßt zumindest die „NYT“, könnte das die seit Monaten enge Geheimdienstkooperation mit den USA beschädigen – wovon wiederum Moskau profitieren würde.

Kreml sieht sich bestätigt

Moskau sieht sich einmal mehr in der Einschätzung der Rolle Washingtons in dem Konflikt bestätigt. „Wir haben nicht die leisesten Zweifel an einer direkten oder indirekten Verwicklung der USA und der NATO in den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dem US-Fernsehsender CNN am Freitag. „Wir behalten den Prozess im Blick. Ja, und natürlich macht es alles komplizierter, aber es kann keinen Einfluss haben auf das endgültige Ergebnis der Spezialoperation“, sagte er.