Detail einer Bewässerungsanlage in Kalifornien
Reuters/Caitlin Ochs
Kalifornien

Das Geschäft mit dem Grundwasser

Im März dieses Jahres ist Kalifornien von Überschwemmungen heimgesucht worden. Der regenreiche Winter kann allerdings nicht über das Wasserproblem hinwegtäuschen, dem der US-Bundesstaat seit Jahrzehnten ausgesetzt ist. Das rare Grundwasser im Central Valley ist begehrt. Große Investoren bohren immer tiefer, um ihre Plantagen zu bewässern – auf Kosten der Bevölkerung.

Egal ob Mandeln, Walnüsse oder Pistazien: An Kalifornien kommt man im Supermarkt nicht vorbei. Besonders Mandeln gelten als wichtiges landwirtschaftliches Exportprodukt des Bundesstaates. Zwischen 70 bis 80 Prozent der Ernte werden in anderen Ländern genossen. Doch die Nüsse und Steinfrüchte sind nicht nur ertragreich, sondern auch enorm aufwendig. Denn für den Anbau braucht man viel Wasser, das in Kalifornien ohnehin schon knapp bemessen ist. Angesichts der immer schärfer werdenden Dürreperioden spitzt sich die Situation weiter zu.

Wie „Bloomberg“ in einer Recherche nachzeichnet, ist der Früchte- und Nussboom trotz Trockenheit und Wassermangel ungebrochen. Große Investoren würden weiterhin enorme Profite mit den Dauerkulturen machen. Damit es auch weiterhin so bleibt, würden sie immer tiefer in die Erde bohren, um an Wasser zu kommen. Die Pumpleistung habe dazu beigetragen, dass der Grundwasserspiegel in Teilen des Central Valley gesunken ist und viele kleinere Brunnen der Bevölkerung nicht mehr über ausreichende Wasservorräte verfügen, so „Bloomberg.“

Das Land sinkt

Die mysteriösen Investoren würden aus New York, Toronto, Zürich und anderen Finanzmetropolen kommen. Investmentbanken, Versicherer und Pensionsfonds hätten das kalifornische Grundwasser für den Anbau hochwertiger Nüsse ausgebeutet, sodass den umliegenden Gemeinden weniger Trinkwasser zur Verfügung steht, beschreibt das US-Medium anhand mehrere Dokumente. Seit 2010 hätten allein sechs Großinvestoren ihre in Kalifornien verwalteten Agrarflächen, auf denen sie unterschiedliche Sorten anbauen, vervierfacht.

Felder mit Bewässerungsanlage in Kalifornien
Reuters/Aude Guerrucci
Die Felder in Kalifornien werden bewässert

Während Gemeinden über tiefe Brunnen nur träumen könnten, haben die Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren Unmengen an Geld in die teuren Wasserpumpprojekte gesteckt. Für den ohnehin schon regenarmen Bundesstaat bedeutet das eine weitere Austrocknung. „Die Geschichte des Grundwassers ist eine Geschichte bescheidener Auffüllungen während der sehr nassen Perioden, gefolgt von viel größeren Verlusten während der darauf folgenden Dürreperioden“, sagt der Experte für globale Wasserprobleme, Jay Famiglietti, gegenüber „Bloomberg“.

Wetterextreme & Klimakrise

Zwar lassen sich einzelne Extremereignisse nicht direkt auf eine bestimmte Ursache zurückführen, klar ist laut dem aktuellen Bericht des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (IPCC) aber: Durch die Klimakrise werden Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen, Stürme und Hitze häufiger und intensiver. Das heißt: Niederschläge und Stürme werden stärker, Hitzewellen heißer und Dürren trockener.

Hinzu kommen die Folgen des Überpumpens: Wenn zu viel Wasser aus dem Boden genommen wird, verdichten sich die Schichten unterhalb der Erdoberfläche, und der Boden sinkt. In den vergangenen Jahren ist nach Angaben des US-Instituts Geological Survey der Boden des Central Valley um mehrere Zentimeter pro Jahr gesunken. Besonders während der Dürreperioden, wenn übermäßig Wasser aus Grundwasserleitern für die Landwirtschaft oder für das Trinkwasser gesaugt wird, verstärkt sich dieser Effekt. Zudem verschlechtert das intensive Pumpen die Grundwasserqualität, heißt es in einer anderen Studie des Instituts.

„Invasion“ der neuen Mandelliebhaber

Über die mangelnde Grundwasserversorgung in Kalifornien und die Folgen der Klimakrise auf das Leben im sonnenreichen Bundesstaat wurde in den vergangenen Jahren durchaus häufiger berichtet. Die Rolle externer Investoren im Nuss- und Fruchtgeschäft fand im Gegensatz dazu zwar weniger Beachtung, die Tendenz ist allerdings steigend. So berichtete das US-Onlinemagazin Motherjones 2015 über die „Invasion“ großer Unternehmen, davor gab es vereinzelt Berichte über die neuen Mandelliebhaber. Darunter findet sich heute etwa der US-Finanzdienstleister TIAA. Mandeln seien ein „attraktives langfristiges Anlagethema“ mit Wachstumspotenzial, wird aus Unterlagen zitiert.

Und dann wäre da noch die Hancock Agricultural Investment Group, eine Tochtergesellschaft des riesigen kanadischen Versicherungs- und Finanzdienstleistungskonzerns Manulife Financial. 2010 habe die Hancock Group ihren Kunden und Kundinnen erklärt, Dauerkulturen würden attraktive Rendite und eine mögliche Absicherung gegen die Inflation bieten. In den vergangenen Jahren seien laut „Bloomberg“ deshalb auch Millionen in den Anbau von Nüssen und Früchten investiert worden, also auch in Wasserpumpen.

Seit Anfang 2019 sei einer von sechs der tiefsten Brunnen auf Land gebohrt worden, das sich im Besitz von externen Investoren befindet oder von diesen verwaltet wird. Die meisten kalifornischen Mandelbauern sind aber weiterhin lokale Landwirte. 90 Prozent der 7.600 Mandelfarmen in Kalifornien befinden sich laut dem Almond Board of California im Familienbesitz. Auf der Website wird für einen verantwortungsvollen Wasserverbrauch geworben.

Wasserpumpe einer Dorgemeindschaft in Kalifornien
Reuters/Stephanie Keith
Fast eine Million Kalifornier haben kein sauberes Trinkwasser in ihren Häusern

Wasser wird reguliert – genug Profit bis 2040

2016 hatten Geologen der Stanford University festgestellt, dass sich im dürregeplagten Bundesstaat deutlich mehr Grundwasser befinden würde als angenommen – allerdings auch tiefer in der Erde. Um das Wasser zu erreichen, benötigen die lokalen Gemeinden schon die finanziellen Möglichkeiten der Großinvestoren. Diese hätten nämlich laut „Bloomberg“ von 2014 bis August 2022 Dutzende Löcher gebohrt, die mit 300 Metern doppelt so tief sind wie ein durchschnittlich staatlich finanzierter Brunnen in Central Valley.

Mit deutlich größeren Rohren könnten sie auch dreimal so viel Wasser fördern wie Gemeinden. Man halte sich allerdings an den 2014 verabschiedeten Sustainable Groundwater Management Act, kalmierten die Investoren gegenüber „Bloomberg“ und spielten die Pumpleistung herunter. Das kalifornische Grundwassergesetz, das die Entnahmen regelt, gilt als historisch. Jedoch hatte die Agrarindustrie eine Übergangsfrist bis 2040 verhandelt. Bis dahin sollten die lokalen Wasserbehörden, die die Entnahmen kontrollieren, die definierten Nachhaltigkeitsziele erreicht haben.

Verlassene Mandelplantage in Kalifornien
AP/Terry Chea
Es wird wärmer und das Wasser zu teuer: Viele Plantagen stehen leer

Viele Investoren betonten, bereits Schritte unternommen zu haben, um die Folgen des „Bohrrausches“ zu minimieren. Es seien etwa effizientere Bewässerungsanlagen installiert worden. Dass die Entnahme aus dem Grundwasser nachhaltiger reguliert werden sollte, sorgte aber auch für einiges Kopfzerbrechen. So soll Hancock 2014 seine Anleger vorgewarnt haben, dass den Plantagen das Wasser ausgehen werde, wenn man die Nachhaltigkeitspläne vollständig umsetzt.

In einer Präsentation im Februar 2022 habe der Finanzdienstleister den eigenen Managern die Folgen der künftigen Wassereinschränkung durch das Gesetz vor Augen geführt. Würde weniger gepumpt werden, sei mit einem deutlichen Rückgang der eigenen Plantagen zu rechnen. Doch „starke aktuelle Cashflows werden dazu beitragen, das Risiko zu mindern“, zitiert „Bloomberg“ aus Unterlagen von Hancock.