Demonstranten auf Straße
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Verfassungsrat entscheidet

Macrons Pensionsreform vor letzter Hürde

Einen Tag vor der Entscheidung des französischen Verfassungsrats zur Pensionsreform sind am Donnerstag erneut zahlreiche Menschen aus Protest auf die Straße gegangen – allerdings deutlich weniger als bei den Kundgebungen der vergangenen Wochen. Die Entscheidung des Verfassungsrates wird mit Spannung erwartet. Je nachdem, wie das Urteil ausfällt, sind entweder neue Proteste zu erwarten – oder noch mehr Schwierigkeiten für Präsident Emmanuel Macron.

Erklärt dieses als Hüter der Verfassung wirkende Gericht das Gesetz für verfassungskonform, muss Macron es innerhalb von zwei Wochen unterzeichnen, um es in Kraft zu setzen. In diesem Fall ist mit erneuten Protesten der Reformgegner zu rechnen. Denkbar ist aber auch, dass der Verfassungsrat Nachbesserungen bei einzelnen Maßnahmen fordert. Dann würden die Verhandlungen zwischen Regierung und Gewerkschaft erneut beginnen.

Sollte der Verfassungsrat das Gesetz komplett ablehnen – etwa mit dem Argument, dass ein Haushaltsgesetz nicht die angemessene Form für eine so weitgreifende Reform ist –, wäre es ein herber Rückschlag für Macron. Er hatte die Reform zu einem Hauptanliegen seiner zweiten Amtszeit erklärt.

Linke Opposition fordert Volksentscheid

Der Verfassungsrat wird sich auch zu einem Antrag der linksgerichteten Opposition äußern, die einen Volksentscheid über die Pensionsreform fordert. Sollte der Rat zustimmen, wäre es aber nur der Beginn einer langen Prozedur, bevor es tatsächlich zu einem Referendum käme.

Durch die Reform soll das Pensionsantrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Dabei sind weiterhin Ausnahmen für Menschen vorgesehen, die sehr früh ins Berufsleben gestartet sind oder besonders beschwerliche Berufe haben. Zudem wird die Mindestpension bei voller Beitragszeit auf 1.200 Euro angehoben. Mehr als zwei Drittel der Franzosen lehnen die Pensionsreform ab. Die Pension gilt in Frankreich als wichtige soziale Errungenschaft.

Deutlich kleinere Demonstrationen

Nach Angaben des Innenministeriums nahmen am Donnerstag landesweit rund 380.000 Menschen an den Protesten teil, 42.000 davon in Paris. Laut der Gewerkschaft CGT waren am Donnerstag „mehr als eine Million Demonstranten“ auf der Straße – eine Million weniger als vergangene Woche.

Erneut Proteste gegen Pensionsreform

Zum zwölften Mal haben die französischen Gewerkschaften zu Protesten und Streiks gegen die bereits verabschiedete Pensionsreform aufgerufen. Das Gesetz wird derzeit vom Verfassungsrat geprüft. Durch die Reform soll das Pensionseintrittsalter bis 2030 schrittweise von 62 auf 64 Jahre angehoben werden. Mehr als zwei Drittel der Französinnen und Franzosen lehnen die Pensionsreform ab.

Insgesamt hatte die Beteiligung an den Streiks und den Demonstrationen zuletzt abgenommen. Das Innenministerium hatte für Donnerstag landesweit zunächst mit etwa 600.000 Demonstranten und Demonstrantinnen gerechnet – ähnlich viele wie Anfang April. Anfang März waren noch mehr als eine Million Menschen auf die Straße gegangen.

Gewerkschaft kämpferisch

Die Gewerkschaften hatten zum zwölften Mal zu einem landesweiten Streik- und Protesttag aufgerufen. In den westfranzösischen Städten Nantes und Rennes kam es am Rande der Demonstrationen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen radikalen Demonstranten und Sicherheitskräften. Die Polizei wurde mit Feuerwerkskörpern beworfen und setzte ihrerseits Tränengas ein. Mindestens zwei Autos von Luxusmarken gingen in Rennes in Flammen auf.

Demonstranten auf Straße
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Die Polizei setzte auch am Donnerstag wieder Tränengas ein

„Es wird nicht der letzte Aktionstag sein“, sagte CGT-Gewerkschaftschefin Sophie Binet am Vormittag an einer blockierten Müllverbrennungsanlage in einem Pariser Vorort.

Auch Streikaufruf weniger befolgt

Ihre Gewerkschaft hatte erneut zu einem Streik der Müllabfuhr aufgerufen. Es war jedoch zunächst nicht absehbar, wie stark der Aufruf befolgt wird. Im März hatten sich während eines dreiwöchigen Streiks der Müllarbeiter in Paris riesige Abfallberge angehäuft. Laut SNCF sollte am Donnerstag etwa jeder fünfte Hochgeschwindigkeitszug ausfallen, im Pariser Nahverkehr hingegen nur noch wenige U-Bahnen und Busse.

Im öffentlichen Dienst lag die Streikbeteiligung am Donnerstag bei 3,8 Prozent. In der vergangenen Woche waren es noch 6,5 Prozent gewesen. Seit der Verabschiedung der Reform durch einen legalen Verfassungskniff hatten sich die Proteste teilweise radikalisiert. Die Sicherheitskräfte gerieten wegen ihres teilweise brutalen Vorgehens in die Kritik.