FBI-Mitarbeiter vor Computerbildschirmen
AP/Gerald Herbert
Fahndungserfolge

Krypto für Kriminelle nicht mehr „sicher“

US-Behörden ist es gelungen, kriminelle Geldflüsse von Kryptowährungen auf der ganzen Welt nachzuverfolgen, wie das „Wall Street Journal“ („WSJ“) berichtet hat. Dadurch konnten sie in den letzten zwei Jahren nach Angaben des US-Finanzamts digitale Währungen im Wert von mehr als zehn Milliarden US-Dollar beschlagnahmen – und gleichzeitig eine abschreckende Wirkung für zukünftige kriminelle Machenschaften erzeugen. In einem aktuellen Fall lieferte eine Festplatte, die in einer Popcorn-Dose versteckt war, den entscheidenden Hinweis.

Lange Zeit war es Strafverfolgungsbehörden nicht möglich, kriminelle Machenschaften in der Welt der Kryptowährungen nachzuvollziehen. Man war schlicht nicht in der Lage, Personen und Gruppen aufzuspüren, die sich hinter den Wallet-Adressen der Blockchain verbergen, also den Buchstaben- und Zahlenreihen, die zum anonymen Senden und Empfangen von Kryptowährung verwendet werden. Genau diese Anonymität und Privatsphäre haben Kryptowährungen für viele Cyberkriminelle immer so attraktiv gemacht.

US-amerikanischen Bundesbehörden ist es allerdings gelungen, die Blockchain-Transaktionen transparenter zu machen. Private und staatliche Ermittler können damit Wallet-Adressen identifizieren, die mit Terroristen, Drogenhändlern, Geldwäschern und Cyberkriminellen in Verbindung gebracht werden, die aber eigentlich anonym sein sollten.

Strafverfolgungsbehörden, die mit Kryptowährungsbörsen und Blockchain-Analyseunternehmen zusammenarbeiten, haben dabei Daten aus früheren Ermittlungen zusammengetragen, um Transaktionen von Kryptowährungen in kriminellen Netzwerken auf der ganzen Welt zu erfassen. In den letzten zwei Jahren haben die USA laut US-Finanzamt digitale Währungen im Wert von mehr als zehn Milliarden US-Dollar durch erfolgreiche Strafverfolgung beschlagnahmt – im Wesentlichen einfach, indem sie dem Geld folgten.

EU-Regeln für Krypto

Das EU-Parlament beschloss am Donnerstag Regeln für Kryptowährungen und -börsen. Erstmals weltweit wird damit der Kryptowährungsmarkt staatlichen Vorschriften unterworfen.

Blockchain-Adressbuch

Die Ermittler machen sich dabei eine Eigenschaft von Bitcoin und vielen anderen digitalen Währungen zunutze. Jede Kryptotransaktion wird für immer im Online Ledger – einer Art Kontobuch – der Blockchain gespeichert und ist für jeden einsehbar. US-Behörden und Privatunternehmen haben daher seit mehreren Jahren eine Art Blockchain-Adressbuch zusammengestellt, um Finanzamt, FBI sowie staatliche und lokale Behörden bei der Untersuchung von Cyberkriminalität zu unterstützen.

Das Blockchain-Analyseunternehmen Chainanalysis mit Sitz in New York hat nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Wallet-Adressen gesichert, seriöse und fragwürdige Adressen voneinander getrennt und die Wechselstuben ausfindig gemacht, an denen die Kryptowährung in Bargeld umgewandelt wird. „Wenn es eine Sache gibt, die die Blockchain wirklich gut kann, dann ist es die perfekte Aufbewahrung von Beweisen“, sagte Jonathan Levin, einer der Gründer von Chainanalysis, gegenüber dem „WSJ“.

Price: „Wie eine Bank im Schnee ausrauben“

Etwas bildlicher erklärte es Matthew Price. Wenn Bitcoins gestohlen werden, ist der Kriminelle jetzt „wie jemand, der eine Bank im Schnee ausgeraubt hat“, so der ehemalige US-Finanzamtermittler, der mittlerweile Untersuchungen für die Kryptowährungsbörse Binance leitet. Selbst wenn der Name des Kriminellen unbekannt sei, sagte er, würden „digitale Brotkrümel“ wie Fußspuren im Schnee für die Behörden zur Verfolgung bleiben.

Bitcoin-schürf-Serverraum
Reuters/Alessandro Bianchi
Mit Hilfe von Blockchain-Analyse können die Behörden erfolgreich gegen kriminelle Aktivitäten vorgehen

Techniken bewährt

US-Bundesermittler haben die Blockchain-Analysen erfolgreich eingesetzt, um eine Kinderpornografiewebsite zu schließen und die Finanzierung terroristischer Organisationen zu unterbrechen. Und auch in der bisher größten finanziellen Beschlagnahmung des Justizministeriums konnten die Behörden 3,6 Milliarden US-Dollar von einem New Yorker Ehepaar zurückholen, das beschuldigt wurde, die Erlöse eines 2016 erfolgten Hacks der Kryptowährungsbörse Bitfinex gewaschen zu haben.

Mit jedem dieser Fälle wurden dem Blockchain-Adressbuch der US-Regierung weitere Konten hinzugefügt. Diese Fortschritte würden es den Kriminellen schwermachen, ihre Beute in Bargeld umzuwandeln. Nachdem Regierungsbeamte Wallet-Adressen veröffentlicht haben, die mit Verbrechern in Verbindung stehen, wolle keine seriöse Kryptowährungsbörse mehr mit ihnen Geschäfte machen, da sie rechtliche Konsequenzen fürchten.

Blockchain-Analysen wichtiger Baustein

Für die US-Ermittler von Strafverfolgungsbehörden sind die Blockchain-Analysen, die Kryptotransaktionen von bestimmten Personen und Gruppen nachvollziehbar machen, ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Kryptokriminalität. Aus diesem Grund sind auch eine Reihe von Blockchain-Analyseunternehmen, unter anderem Elliptic und CipherTrace, aus dem Boden geschossen. Viele von ihnen haben Bundesermittler eingestellt, die die ersten Kryptowährungsuntersuchungen der US-Regierung leiteten.

Kryptowährung

Die Begriffe Kryptowährung oder Kryptogeld bezeichnen digitale Vermögenswerte, die unter anderem als Tauschmittel fungieren. Die darin enthaltenen Vermögenswerte werden dabei in einer Blockchain festgehalten, verstecken sich also hinter verschlüsselten Buchstaben- und Zahlenreihen.

Ebenfalls dazu beigetragen hat eine stärkere behördliche Kontrolle von Kryptowährungsbörsen. Die Börsen haben ihre Systeme zur Identifizierung von Personen, mit denen sie Geschäfte machen, im Rahmen der „Know your customer“-Anforderungen verbessert und reagieren zudem nun besser auf Anfragen der Strafverfolgungsbehörden.

Fall James Zhong

Im November 2021 überraschten US-Bundesbeamte James Zhong in seinem Haus in Athens im US-Bundesstaat Georgia, sie hatten einen Durchsuchungsbefehl. Dort fanden sie in einem Safe im Kellergeschoß sowie in einer Popcorn-Dose im Badezimmer versteckt digitale Schlüssel zu seinem Kryptovermögen, das zu dieser Zeit bereits auf rund 3,4 Milliarden US-Dollar angestiegen war.

Zhong war bereits ein früher Nutzer von Kryptowährungen. Sein Aufstieg in der Kryptowelt begann, als er im Dezember 2012 einen Softwarefehler des Onlinemarktplatzes Silk Road ausnutzte und so innerhalb weniger Stunden 50.000 Bitcoins im Wert von damals 600.000 US-Dollar stahl, wie aus Gerichtsunterlagen der Bundesstaatsanwaltschaft hervorgeht.

Folgenreicher Fehler und Haftstrafe

Bundesbeamte schlossen die Plattform Silk Road ein Jahr später, doch den Behörden war es zunächst nicht möglich, Zhongs Machenschaften nachzuvollziehen. Acht Jahre verschob er immer wieder Geld zwischen verschiedenen Konten hin und her, um seine Spuren zu verwischen.

Erst als er im Dezember 2020 einen Fehler machte und normales Kryptogeld mit seinen Silk-Road-Diebstählen kombinierte, wurden die Behörden auf ihn aufmerksam und konnten bei einer Hausdurchsuchung besagte 50.000 Bitcoins im Wert von damals rund 3,36 Milliarden US-Dollar beschlagnahmen.

Bitcoin-Automat
Reuters/Marco Bello
Ermittler konnten bei James Zhong 50.000 Bitcoins im Wert von rund 3,36 Milliarden US-Dollar beschlagnahmen

Zhong, der sich vergangenen November schuldig bekannt hatte, wurde am Freitag zu einer Haftstrafe von einem Jahr und einem Tag verurteilt – für den „unrechtmäßigen Erhalt“ von Bitcoins. „Cyberkriminelle müssen sich klar sein: Wir folgen dem Geld und ziehen Sie zur Rechenschaft, egal wie ausgeklügelt Ihr Vorgehen ist und wie lange es dauert“, hieß es dazu vom zuständigen Staatsanwalt Damian Williams.

Schlag gegen Geldwäscheplattform

Auch dem deutschen Bundeskriminalamt ist zuletzt ein großer Schlag gegen die Cyberkriminalität gelungen. Gemeinsam mit Europol und US-amerikanischen Behörden, darunter dem FBI, konnten sie die Abschaltung des weltweit umsatzstärksten Geldwäschediensts im Darknet, Chipmixer, erreichen.

Der Dienst nahm vor allem Bitcoins mit mutmaßlich kriminellem Ursprung entgegen und zahlte sie nach dem „Mixing“ wieder aus. Dabei wurden die eingezahlten Kryptowerte laut den Ermittlern in Kleinstbeträge geteilt, in einem großen Pool mit anderen Transaktionen vermengt und anschließend wieder an neue Blockchain-Adressen ausgezahlt. Bei genug Beteiligten und geschickter Stückelung der Auszahlungen sind für Außenstehende die Geldflüsse kaum noch nachvollziehbar.

Laut FBI sollen auch staatliche Dienste – unter anderem aus Russland und Nordkorea Chipmixer für Geldwäsche benutzt haben. Seit ihrer Gründung im Jahr 2017 sollen Europol zufolge auf Chipmixer Kryptowerte in der Höhe von etwa 154.000 Bitcoins gewaschen worden sein.

Behörden weltweit auf dem Vormarsch

Die aktuellen Fälle in den USA und Deutschland zeigen, dass Ermittlungsbehörden auf der ganzen Welt im Kampf gegen Geldwäsche mittels Kryptowährungen aufholen. Die Bemühungen dürften sich noch weiter verstärken, da international der Trend in Richtung verschärfter Kontrolle und Auflagen für Kryptowährungen und -börsen geht.