Justizministerin Alma Zadic in der ORF Pressestunde
ORF
Schleppende Reformen

Zadic sieht mangelnde Motivation bei ÖVP

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) hat am Sonntag in der ORF-„Pressestunde“ ihre Arbeit im Ressort gegen Angriffe des Koalitionspartners ÖVP verteidigt. Dass es bei den Reformen wie der Bundesstaatsanwaltschaft nur zäh vorangeht, sah Zadic in mangelnder Motivation der ÖVP begründet. Kritik gab es auch am Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer. Sein Blick auf den Wiener Brunnenmarkt sei rassistisch, so Zadic.

Die Koalitionsarbeit steht laut Beobachtern auf tönernen Füßen, das Klima zwischen ÖVP und Grünen war schon einmal besser. Hinzu kommen etliche Reformen, die in der Schublade liegen und keinen Abschluss finden, einige davon im Justizressort. Am Sonntag nahm Zadic in der „Pressestunde“ dazu Stellung und übte Kritik am Koalitionspartner. So wies sie einmal mehr Angriffe aus der ÖVP an der Justiz, zuletzt etwa von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, zurück. Dieser hatte kürzlich gesagt, die österreichische Justiz werde „leider Gottes missbraucht, um Politik zu machen“. Die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu den Falschaussagevorwürfen gegen Kurz sind mittlerweile abgeschlossen, der Akt liegt nun im Ministerium. Damit könnte die Entscheidung über eine Anklage bevorstehen.

Kurz’ Angriff weise sie „auf das Schärfste zurück“, so Zadic nun. Die Justiz sei verpflichtet, bei Verdacht zu ermitteln, das sei der gesetzliche Auftrag. Sie könne nicht „nach Gutdünken“ entscheiden, wann ermittelt wird und wann nicht. Im Fall Kurz werde die Instanzenkette durchlaufen, der Akt hänge jedoch mit vielen anderen Causen zusammen, so Zadic auf die Frage, wieso die Entscheidung so lange auf sich warten lasse.

Ermittlungen rund um Sebastian Kurz

Zadic zum Fortschritt in der Causa Kurz: Die Anklage könnte bevorstehen.

Streit über Bundesstaatsanwalt und Beschuldigtenrechte

Kritik an der WKStA hat es aber nicht nur von Kurz gegeben. Auch Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und der frühere grüne Stadtrat Christoph Chorherr hatten nach ihren Freisprüchen beklagt, lange juristisch verfolgt worden zu sein und nun mit horrenden Kosten allein gelassen zu werden. Die ÖVP forderte daher eine Stärkung von Beschuldigtenrechten. In der Koalition werden diese mit der Einrichtung der geplanten Bundesstaatsanwaltschaft verknüpft.

Reformen in der Justiz

Die Justizministerin spielt den Ball beim Thema Reformen an die ÖVP zurück. Man habe einen Vorschlag auf dem Tisch und Gesprächstermine angeboten.

Zu dieser Bundesstaatsanwaltschaft liege schon lange das Modell der Fachleuterunde auf dem Tisch, so Zadic. Die ÖVP aber poche darauf, „einer Person zu lange Zeit zu viel Macht“ in die Hand zu geben, so Zadics Kritik. Ihr Vorschlag sah hingegen Dreiersenate an der Spitze vor. Das lehnte wiederum Zadics Gegenüber in der Koalition, Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), wegen mangelnder parlamentarischer Einbindung ab. Auch bei den Beschuldigtenrechten scheint sich kein Konsens aufzutun: Sie sei zwar verhandlungsbereit, etwa zum Kostenersatz und auch beim Thema Handybeschlagnahmungen. Die Beschuldigtenrechte seien derzeit ohnehin „sehr gut“, so Zadic. Die beste Wahrung gebe es durch eine von der Politik unabhängige Justiz.

Reform der Beschuldigtenrechte

Zwischen ÖVP und Grünen gibt es weiterhin keinen Konsens zu Bundesstaatsanwalt und Beschuldigtenrechten.

Ob die Reform angesichts eingefahrener Standpunkte noch vor Ablauf der Legislaturperiode kommt, ist daher fraglich. Zadic sah die Schuld bei der ÖVP: „Es entsteht der Eindruck, dass die Motivation zurückgegangen ist, seit es wirklich diesen Vorschlag gibt“, so Zadic. Man habe wiederholt Verhandlungstermine angeboten, doch sei keiner zustande gekommen. Edtstadler wiederum wartet beim Thema Bundesstaatsanwalt auf „konkrete Vorlagen“ bei den Beschuldigtenrechten, wie sie im Interview mit der „Presse“ am Sonntag sagte.

Gegen Zitierverbot in Strafverfahren

Ein weiterer Streitpunkt zwischen ÖVP und Grünen stellt derzeit das von der Volkspartei gewünschte Zitierverbot für Medien aus Strafakten dar. Edtstadler hatte erst am Samstag in sozialen Netzwerken ein solches gefordert. Doch sei es ein zentrales Recht eines Beschuldigten, Akteneinsicht zu nehmen und auch medial zu verwerten, so Zadic dazu. „Man kann sich Beschuldigtenrechte nicht heraussuchen, wie es einem gerade passt“, sagte sie. Die Verbotsregel habe sich in Deutschland zudem nicht bewährt und sei dort de facto totes Recht. Dass die ÖVP das Thema nun „für sich entdeckt“ habe, liege auch daran, dass nun einzelne ÖVP-Politiker auch beschuldigt seien.

Zitierverbot aus Ermittlungsakten

Zadic sprach sich in der „Pressestunde“ dagegen aus, dass Medien das Zitieren aus Strafakten verboten wird.

„Das ist für mich rassistisch“

Uneinigkeit herrscht in der Koalition seit eh und je auch beim Thema Asyl und Integration. Der Sager von Ex-Landesrat Gottfried Waldhäusl, der Schülerinnen mit Migrationshintergund beleidigte, habe sie auch an die eigene Kindheit erinnert, sagte Zadic. Auch sie sei als Kind und Jugendliche beschimpft worden, obwohl sie gut integriert gewesen sei. Auch das Video des Wiener ÖVP-Chefs Mahrer wurde angesprochen. Dieser hatte die hohe Migrantenquote auf dem Wiener Brunnenmarkt kritisiert und sie mit Kriminalität in Verbindung gesetzt. „Ich halte es wirklich für falsch, Menschen, die aus einem Kriegsland kommen, die sich hier eine Existenz aufgebaut haben, Steuern zahlen, etwas leisten, zu sagen, sie gehören nicht hierhier“, so Zadic. „Das ist für mich rassistisch.“

Migration und Asyl in Österreich

Zadic reagierte in der „Pressestunde“ auf Ex-Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) und den Wiener ÖVP-Chef Karl Mahrer.

Der Migrationsdruck in der EU aber werde steigen, so Zadic, darauf müsse man sich vorbereiten. Es brauche Solidarität mit den Ländern der Außengrenze, und Asylverfahren müssten effizienter werden. Doch sie pochte auf die Notwendigkeit von Einzelfallprüfungen. „Wenn das an der Grenze erledigt werden kann, dann kann man das machen“, so Zadic, doch müsse jeder Fall einzeln geprüft werden. Österreich unterliege der Genfer Flüchtlingskonvetion, deren Regeln einzuhalten seien.

Zadic gab sich trotz aller Streitpunkte abschließend überzeugt, dass die Koalition bis zum nächsten regulären Wahltermin 2024 halten werde. Man habe bereits viel auf die Beine gestellt, derzeit müsse man zudem viele Krisen bewältigen. In einer allfälligen neuen Koalition würde sie erneut für das Amt der Justizministerin zur Verfügung stehen, so Zadic.

Kritik an Zadic und Koalition

Kritik an Zadic kam nach der „Pressestunde“ zuallererst vom Koalitionspartner. Die Ressortchefin wolle „vom Stillstand und den Fehlentwicklungen im Justizministerium ablenken“, so ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung. Ihr Auftritt habe „deutlich gezeigt, dass sie wenig Interesse daran hat, sinnvolle Reformvorhaben voranzutreiben“. Es gebe weder konkrete Vorschläge zur Stärkung der Beschuldigtenrechte noch Schritte für einen Verfahrenskostenersatz bei Freisprüchen. Stocker pochte zudem erneut auf ein Zitierverbot aus Strafakten.

Die SPÖ vermutete, dass die Koalition in dieser Legislaturperiode keine großen Vorhaben mehr auf den Weg bringen werde. „Am Beispiel des Zitierverbotes wird immer deutlicher, dass der Streit innerhalb der Regierung die Oberhand gewonnen hat. Zentrale Themen für die Menschen, wie die Justiz unabhängiger zu machen und Korruption entschlossener zu bekämpfen, haben keine Priorität mehr“, so SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.

NEOS sah nach der „Pressestunde“ den Stillstand bestätigt. So offen habe „noch kein Regierungsmitglied zugegeben, dass diese Regierung nichts mehr arbeitet, sondern nur mehr blockiert, streitet und die Zeit bis zur nächsten Wahl absitzt“, so NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos, der rasch Neuwahlen forderte.