Rapper Drake auf Straße
Reuters/Mark Blinch
„Drake und The Weeknd“

KI-Duett erobert das Internet

Ein mit künstlicher Intelligenz erschaffener Song von Drake und The Weeknd erobert seit dem Wochenende das Internet. Aufgetaucht ist „Heart on My Sleeve“ zunächst auf TikTok. Hinter der Veröffentlichung könnte eine US-Techfirma stehen. Der Song zeigt das Potenzial von künstlicher Intelligenz, die Musikindustrie auf den Kopf zu stellen.

Ein User namens „ghostwriter977“ veröffentlichte „Heart on My Sleeve“ vor zwei Tagen auf TikTok. Die Aufnahme ist eine knappe Minute lang. Musik, Text und die Stimmen der beiden kanadischen Superstars sind nach Angaben des mutmaßlichen Urhebers KI-generiert.

Wer hinter dem Account steckt, ist bisher unklar. In den Videos ist ein als Gespenst verkleideter Mensch mit Sonnenbrille zu sehen. Der Song beginnt mit einem Klavierintro im Stile des US-Produzenten Young Metro, in der ersten Strophe ist die Stimme Drakes zu hören, in der zweiten jene von The Weeknd.

Am Ende des Clips findet sich der Hinweis, dass der komplette Song über einen Link in der TikTok-Bio abrufbar sei. Folgt man dem Link, gelangt man auf die Website einer Firma mit Namen Laylo. Dort steht die Aufforderung, man möge seine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse eintragen oder sich mit dem Facebook-Messenger verbinden, um die Komplettversion von „Heart on My Sleeve“ zugeschickt zu bekommen.

Spurensuche nach Urhebern

Ein Mitarbeiter der US-Firma AppSumo, die unter anderem Software und E-Learning-Tools online vertreibt, hat sich auf Spurensuche nach den Urhebern gemacht. „Es ist so ein Hit, dass manche Leute an einen Marketingstunt von Drake denken“, schrieb Mitch Cohen am Sonntag auf Twitter.

Bei der Veröffentlichung dürfte es sich tatsächlich um einen Marketingstunt handeln – allerdings nicht für Drake. Cohen sammelte auf Twitter Hinweise, dass die Werbeaktion auf Laylo zurückgeht. Nach eigenen Angaben „verbindet“ das 2017 gegründete Unternehmen Kunstschaffende zielsicher mit deren Fangemeinde. Laylo selbst kommentierte Cohens Spurensuche nur mit einem Emoji – einem Gespenster-Emoji.

„Ein neuer Napster-Moment“

Der Song zeigt das Potenzial künstlicher Intelligenz, die Musikbranche auf den Kopf zu stellen. Die Stimmen, die Musik – „Heart on My Sleeve“ kommt der Realität bereits ziemlich nahe. Roberto Nickelson von der KI-Plattform Eluna schrieb auf Twitter gar von einem „neuen Napster-Moment“. Die Ende des Jahrtausends online gegangene Musiktauschbörse krempelte das Musikbusiness komplett um.

The Weeknd bei der Premiere von Avatar 2
Reuters/Mario Anzuoni
The Weeknds Stimme ist auf „Heart on My Sleeve“ zu hören – allerdings KI-generiert

In der Branche zeigt man sich besorgt. Vor wenigen Tagen äußerte sich Drake kritisch zu einem Werk, in dem Drakes KI-generierte Stimme über den Song „Munch“ von Ice Spice rappt und schrieb auf Instagram vom „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“.

„Der Geist ist aus der Flasche“, schrieb auch Young Guru, Langzeitproduzent des Rappers und Geschäftsmannes Jay-Z, auf Instagram. Auf der einen Seite sei klar, dass man den technologischen Fortschritt nicht aufhalten könne. „Auf der anderen Seite müssen wir die Rechte der Kunstschaffenden schützen. Nicht nur die der Kunstschaffenden, sondern der ganzen Gesellschaft“, so der Produzent.

Universal drängt Streamingplattformen

Der Branchenriese Universal Music Group (UMG) drängte die Streamingplattformen Spotify und Apple, das Abgreifen von Texten und Melodien ihrer Künstlerinnen und Künstler durch KI-Systeme zu blockieren. UMG, das etwa ein Drittel des weltweiten Musikmarkts kontrolliert, sei zunehmend besorgt, dass KI-Bots seine Songs als Lerngrundlage nutzen, um später selbst Hits zu generieren, berichtete die „Financial Times“.

Beispiele KI-geschaffener Musikstücke finden sich etwa auf dem YouTube-Channel „PlugginAI“. Google hat mit MusicLM eine Anwendung, mit der Musik auf Basis von Textbeschreibungen generiert werden kann. Das Programm wurde laut einer Forschungsarbeit mit 280.000 Stunden Musik trainiert.

Bei Bildern ist die Frage nach dem Urheberrecht bereits in den Mittelpunkt gerückt. Werkzeuge wie Stable Diffusion können erstaunlich echt wirkende Bilder generieren – weil sie mit echten Bildern „trainiert“ werden. Die Fotoagentur Getty kündigte rechtliche Schritte an. Auf Ungemach stellt sich offenbar auch der Macher hinter dem „ghostwriter977“-Account ein. „Ich vibe zu Ghostwr!ter und Drake, bevor die Klage kommt“, schrieb er am Montag auf TikTok.