SPÖ-Parteizentrale in Wien
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SPÖ

Inhaltliche Suche nach Weg aus Chaos

Häufig ist der SPÖ die letzten Jahre vorgeworfen worden, sie finde keine Linie und verfehle die Besetzung von klassischen sozialdemokratischen Inhalten. Seit es für die SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner, Burgenlands Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil und den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler jedoch um den Chefsessel der Partei geht, scheint vieles anders. Dutzende gesellschaftspolitische Themen werden aufgegriffen – von A wie Arbeitszeitreduktion bis Z wie Zuwanderung.

Politologe Peter Filzmaier sieht das im Gespräch mit ORF.at als einen der wenigen Vorteile der chaotischen Situation, in der sich die SPÖ momentan befindet. „Entgegen anfänglicher parteiinterner Befürchtungen geht es weniger um Zuwanderung, sondern um Themen wie Arbeitszeit und Mindestlohn“, analysiert Filzmaier.

So riss Babler etwa die 32-Stunden-Arbeitswoche und den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung thematisch an sich – offensichtliche Themen einer ursprünglichen Arbeiterpartei, so die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle zu ORF.at. Doskozil wiederum steht für restriktivere Zuwanderung, was den rechteren Flügel der SPÖ ansprechen soll, aber auch für einen Mindestlohn von 2.000 Euro netto.

Filzmaier: Aktive Mobilisierung am wichtigsten

Rendi-Wagner, die sich im parteiinternen Wahlkampf eher zurückhaltend gibt, steht nach Einschätzung Stainer-Hämmerles für die intellektuelle Linke, in der Menschenrechte und Gleichstellung eine wichtige Rolle spielen. Gegenüber dem „Standard“ meinte Rendi-Wagner kürzlich, sie wolle sich auf ihren Job konzentrieren, anstatt Wahlkampf zu betreiben: „Es darf keine Stopptaste für die politische Arbeit der Sozialdemokratie geben.“

Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil
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Rendi-Wagner und Doskozil verbindet die Partei, doch trennt sie auch einiges

„Das verwundert mich“, so Filzmaier. Einerseits sei ihre Haltung zwar verständlich, sich nicht noch mehr in parteiinternem Disput verzetteln zu wollen, andererseits aber habe Rendi-Wagner nicht automatisch Präsenz in den Köpfen der Parteimitglieder gebucht – insbesondere nicht, was die mediale Berichterstattung betreffe, so der Politikexperte. „Babler und Doskozil sind genauso präsent.“ Die wesentlichste Aufgabe ist laut Filzmaier derzeit die aktive Mobilisierung der Parteimitglieder.

Zwar verzeichnete die SPÖ 2020 bei der Frage zum Vertrauen in Rendi-Wagner die höchste Wahlbeteiligung der Parteigeschichte bei einer Mitgliederbefragung (41,3 Prozent), doch sei es riskant, auf eine hohe Wahlbeteiligung bzw. auf einen ähnlichen Ausgang der Befragung wie vor zwei Jahren zu hoffen, so Filzmaier. Rendi-Wagner erhielt bei der Vertrauensfrage 2020 71,4 Prozent Zustimmung von der Mitgliederbasis.

„Wem traue ich zu, einen Wahlkampf zu gewinnen?“

Jedenfalls seien die Themen, mit denen Wahlkampf in der SPÖ gemacht wird, großteils gar nicht so unterschiedlich, sind sich Filzmaier und Stainer-Hämmerle einig. Schließlich seien Rendi-Wagner, Doskozil und Babler ja immer noch von derselben Partei. Nach Ansicht Stainer-Hämmerles ist deshalb nicht nur die inhaltliche Schwerpunktsetzung zur Mobilisierung der SPÖ-Basis wichtig, sondern vor allem eine personenbezogene und intuitive Frage, die sich die Mitglieder stellen würden: „Wem traue ich zu, einen Wahlkampf zu gewinnen?“

Bürgermeister Andreas Babler mit Mikrofon
APA/Helmut Fohringer
Babler will mit Arbeitszeitverkürzung punkten

Es sei durchaus erfreulich, dass die jetzt diskutierten Inhalte die „persönlichen Animositäten“ zwischen Rendi-Wagner und Doskozil etwas in den Hintergrund rücken lassen würden, so Filzmaier. Doskozil war es ja auch, der eine Mitgliederbefragung überhaupt erst initiiert und den Parteistreit abermals angefacht hatte.

Politologen: SPÖ-Spitze muss Partei wieder vereinen

Die wichtigste Herausforderung für die bzw. den künftigen Parteivorsitzenden der SPÖ ist laut Filzmaier die Integration: „Ausnahmsweise hat diese nichts mit Zuwanderung zu tun. Es geht um die parteiinterne Integration.“ „Was auch immer rauskommt, es wird besser sein als der unterschwellige Streit der letzten Jahre“, so Filzmaier weiter. „Es gilt zu verhindern, dass man sich öffentlich mit Schlamm bewirft.“

Ähnlich sieht Stainer-Hämmerle die wichtigste Aufgabe für die SPÖ-Chefin bzw. den SPÖ-Chef in naher Zukunft, von der Wählerschaft akzeptiert zu werden. Sie allerdings sieht die Partei noch lange nicht in ruhigen Gewässern. „Egal wer übrig bleibt, die Partei ist viel weiter weg von Einigkeit als sie davor war“, fürchtet Stainer-Hämmerle. Mit einer Parteivorsitzenden Rendi-Wagner würde sich wenig ändern, mit Doskozil bzw. dessen Migrationspolitik hätte wohl der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) ein Problem, und Babler vereine nicht unbedingt das Image eines Bundeskanzlers in seiner Person, so die Einschätzung der Expertin.

Grafik zur SPÖ-Spitze
Grafik: APA/ORF

Eine konkrete Prognose wollen Stainer-Hämmerle und Filzmaier nicht abgeben. „Es kann nicht gesagt werden, ob sich das Ergebnis der Mitgliederbefragung als Rücken- oder Gegenwind für die SPÖ herausstellen wird“, fasst Filzmaier zusammen. „Und das Salzburg-Wahlergebnis kommt auch noch.“

Die Befragung der Parteibasis zum Vorsitz der SPÖ findet zwischen 24. April und 10. Mai statt. Teilnahmeberechtigt sind rund 148.000 SPÖ-Mitglieder. Das Ergebnis soll frühestens am 22. Mai vorliegen. Ein außerordentlicher Parteitag wird zusätzlich am 3. Juni abgehalten. Dort soll der Parteivorsitz dann formal gewählt werden.