Google-App auf Handy
IMAGO/NurPhoto/Beata Zawrzel
Druck durch KIs

So will Google seine Suche umkrempeln

Die künstlichen Intelligenzen (KIs) der Konkurrenz und deren immer weiter ausgreifender Einsatzbereich versetzen laut einem Bericht der „New York Times“ („NYT“) den Internetsuchmaschinengiganten Google offenbar in Panik. Davon angetrieben, will Google nun seine Suchmaschine völlig umkrempeln. Doch wohin mit der Werbung? Bei dem Geschäft mit den Werbeeinnahmen durch Suchmaschinen geht es um gigantische Summen. Und diese will man nicht kampflos anderen Konzernen überlassen.

Google arbeitet nun laut „New York Times“ auf Hochtouren an einer neuen Suchmaschine bzw. an spezialisierten Suchmaschinen. Geradezu von Panik bei Google war laut „NYT“ die Rede. Sogar die Firmengründer Larry Page und Sergey Brin sollen zum Brainstorming zurück in die Firma geholt worden sein.

Das große Problem der weltgrößten Suchmaschine ist dabei die wirksame Platzierung der Werbung. Denn die Werbungen sind oft auf eine direkte Aktion des Users und der Userin aus: Die angepriesenen Artikel sollen im Idealfall gleich zu einer Aktion, nämlich einem Kauf führen.

Google-Hauptquartier in Kalifornien
IMAGO/Christian Offenberg
In der Zentrale von Google bzw. der Konzernmutter Alphabet rauchen die Köpfe

Magi soll’s richten

Google hat also, kurz gesagt, das Problem, wo es die Werbung einbauen soll, dass diese auch für die Werbekunden und -kundinnen zum lukrativen Geschäft wird. Sonst würden diese sich verabschieden und ihre Werbungen bei der Konkurrenz buchen.

Das Zauberwort der Saison heißt bei Google jetzt Magi. Die neue Suchmaschine soll Anzeigen in den Suchergebnissen haben. Anfragen etwa über neue Schuhe, Flüge, die neuesten Modetrends oder die Quartiersuche sollen dann eben die Annoncen der Werbekunden und -kundinnen auf den Ergebnisseiten haben. Wie gut das funktionieren wird, darüber kann derzeit nur spekuliert werden.

Bard werbefrei

Diese Suchanzeigen sind für die Google-Mutter Alphabet sowie für Google selbst von äußerster Wichtigkeit, bieten sie denn auch die wichtigste Möglichkeit für den Konzern Geld zu verdienen. Bei Chatbots, die ja vorwiegend beratend sein sollen, funktioniert das bisher nicht. Der hauseigene Chatbot Bard enthält keine Werbung. Bard wurde auch von Usern und Userinnen gleich zu Einführung ob seiner schlechten und fehlerhaften Antworten schwer kritisiert.

Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin
AP/Paul Sakuma
Die Google-Gründer Larry Page und Sergey Brin – hier gemeinsam auf einem Bild von 2008 – sollen angeblich in Sachen KI ebenfalls brainstormen

Fachleute gehen derzeit auch davon aus, dass KI-Antworten in Suchmaschinen Anzeigen weniger relevant machen. Und ob die Kaufempfehlungen via Chatbot ankommen, darüber kann derzeit nur spekuliert werden, zu wenig weiß man noch, wie die User und Userinnen in derartigen Fällen auf die Chatbot-Empfehlung reagieren. Das heißt, der Bot will offenbar derzeit noch verkleidet werden.

Was GIFI alles können soll

Der neuen Suche soll denn auch offenbar weitere spezialisierte Spezialsuchmaschinen zur Seite gestellt werden bzw. in diese integriert werden. So soll es laut einem Google-Arbeitspapier, aus dem die „NYT“ zitiert, möglich sein, die Kartierungstechnologie von Google Earth mit Hilfe von KI besser zu durchsuchen. Über ein Gespräch mit dem Chatbot soll es auch möglich sein, besser nach Musik bzw. einzelnen Titeln zu suchen, zitiert die „NYT“ aus dem Dokument eines nicht näher genannten Google-Managers.

Andere Produkte bzw. die Ideen davon befinden sich laut der Zeitung in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Ein offenbar derzeit GIFI genanntes Werkzeug soll KI verwenden, um Bilder in den Google-Bildergebnissen zu generieren. GIFI sei ein Text-zu-Bild-Generator, der dann Ergebnisse via Google Images bringt, statt wie jetzt üblich Ergebnisse aus dem Web zu bringen, erklärt die Website Tech Times das neue Werkzeug. Tivoli Tutor soll hingegen Userinnen und Userin eine neue Sprache via KI vermitteln und lernen helfen.

Chatbot als Surfhilfe

Auch Googles Chrome-Browser soll via KI aufgepäppelt werden und damit dem erwarteten steigenden Konkurrenzdruck Paroli bieten. So würde Searchalong es den Benutzern und Benutzerinnen ermöglichen, einem Google Chatbot während des Surfens mit Chrome Fragen zu stellen, so die „NYT“. Was Google mit seinem Internetbrowser vorhabe, sei jedoch erst der Beginn, so die Website Tech Times.

Offenbar geht es auch darum, die einzelnen Ergebnisse mehrerer Google-Produkte auch eleganter und für User und Userinnen benutzerfreundlicher zusammenzuführen.

Sundar Pichai mit Mikrofon
APA/AFP/Sajjad Hussain
Google-Chef Sundar Pichai während eines Vortrags Ende 2022

Google-Sprecherin: Nicht alles kommt auf den Markt

Mit Hilfe des Chatbots könnte zum Beispiel nach Aktivitäten in der Nähe einer Airbnb-Vermietung gefragt werden, und die KI würde die Seite, aber auch klassisch das Internet nach einer Antwort durchsuchen, gibt die „NYT“ ein weiteres Beispiel.

Google habe mehr als 160 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die daran arbeiten, wurde eine Person in der „NYT“ zitiert. Eine Google-Sprecherin hielt fest, dass nicht jede Idee auf den Markt komme.

Spekulationen über Samsung und Apple

Als Hintergrund für den Druck auf die Entwicklungsabteilung bei Google gilt auch eine „Abwanderungslust“ des südkoreanischen Technologiekonzerns Samsung. Dieser soll nämlich erwägen, die voreingestellte Standardsuche auf seinen Geräten (Smartphones und Tablets) zu ändern – nämlich von Google zu Bing von Microsoft.

Konversation mit Bing-Chatbot
ORF
Microsofts Bing weiß auf jede Frage eine Antwort – ob es auch die gewünschte ist?

Google-Beschäftigte seien schockiert gewesen, als sie im März erfuhren, dass Samsung erwäge, Google durch Microsofts Bing als Standardsuchmaschine auf seinen Geräten zu ersetzen, schreibt die „NYT“. Auch Apples iPhone wurde als Kandidat für einen Suchmaschinenwechsel genannt. Denn der Vertrag mit Apple läuft laut „NYT“ dieses Jahr aus.

Es geht um große Summen

Bing galt jahrzehntelang als zweitklassige Suchmaschine. Doch Microsoft hatte zuletzt mehr in KI investiert und Bing damit ausgestattet. „Diese Technologie wird so ziemlich jede Softwarekategorie umgestalten“, so die Ansage von Microsoft-Chef Satya Nadella Anfang Februar. Und darauf versucht nun Google mit dem hauseigenen KI-Einbau in Suchmaschine und Browser zu antworten.

Für Alphabet bzw. Google steht viel Geld auf dem Spiel. Allein der Vertrag mit Samsung wird in der „NYT“ auf drei Milliarden Dollar (2,7 Mrd. Euro) geschätzt, bei Apple geht es bei dem Nutzungsvertrag um rund 20 Milliarden Dollar (18,2 Mrd. Euro). Und da sind die Werbeeinnahmen in den diversen auf den Handys vorinstallierten Google-Produkten noch nicht mitgerechnet. Laut Statista.de belaufen sich diese für das Jahr 2022 auf 224,5 Milliarden Dollar (205 Mrd. Euro).

Ex-Google-Vize: User muss noch überzeugt werden

Bing liegt beim Suchmarktanteil bisher weit hinter Google. Für das Quartal, das am 31. Dezember 2022 endete, verzeichnete Alphabet 42,6 Mrd. Dollar (39,53 Mrd. Euro) an Google-Sucheinnahmen und anderen Erträgen, während Microsoft 3,2 Mrd. Dollar (2,9 Mrd. Euro) aus Such- und Nachrichtenwerbung verbuchte.

Jim Lecinski, ein ehemaliger Google-Vizepräsident für Vertrieb und Service, sagte, das Unternehmen sei aktiv geworden und müsse nun die Benutzerinnen und Benutzer davon überzeugen, dass es genauso „leistungsfähig, kompetent und zeitgemäß“ sei wie seine Konkurrenten.

Testerzahl beschränkt und nur in USA

Erst kürzlich hat Google einige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen laut „NYT“ eingeladen, die Funktionen von Magi zu testen, und sie ermutigt, der Suchmaschine Folgefragen zu stellen, um zu beurteilen, ob sie in der Lage ist, ein Gespräch zu führen.

Das Unternehmen plant, die Funktionen zunächst für maximal eine Million Menschen freizugeben. Diese Zahl soll bis Ende des Jahres schrittweise auf 30 Millionen steigen. Die Funktionen werden ausschließlich in den Vereinigten Staaten verfügbar sein.

Forschungssparten werden zusammengelegt

Alphabet kündigte auch eine Zusammenlegung seiner Forschungssparten Google Brain und DeepMind für die Entwicklung von KI an. Chef der neuen Abteilung werde Demis Hassabis, der bisherige CEO von DeepMind, erklärte Alphabet-Konzernchef Sundar Pichai am Donnerstag in einem Blogeintrag. Die Zusammenlegung werde eine „mutige und verantwortungsvolle Entwicklung allgemeiner KI“ sicherstellen.

Alphabet werde in Zukunft an multimodaler KI arbeiten, bei der die Systeme nicht nur auf Texteingaben reagieren, sondern auch mit Bildern umgehen können. Diese Fähigkeit entspricht einer zentralen Funktion der neuesten Version GPT-4 der ChatGPT-Software von OpenAI. Die Firma wird von Microsoft unterstützt.

Google-Chef für rechtliche Regulierung

Die KI-Entwicklung ist allerdings nicht unumstritten, es gibt viele Warnungen vor einem ungeregelten Einsatz der Technologie. Auch Google-Chef Pichai spricht sich für rechtliche Regulierungen aus.

„Jeder, der eine Zeit lang mit KI gearbeitet hat, kommt zu der Erkenntnis, dass es so anders und tiefgreifend ist, dass wir gesellschaftliche Regeln brauchen, um darüber nachzudenken, wie man sich daran anpasst“, sagte Pichai. Man wolle keine Technologie in die Öffentlichkeit bringen, auf die die Gesellschaft nicht vorbereitet sei.

Eine Warnung vor KIs kam zuvor neben Fachleuten etwa auch von der UNO. Die UNO-Kulturorganisation UNESCO forderte Ende März strenge ethische Regeln für KIs. Die Entwicklung von KI-Systemen müsse rechtsstaatlichen Grundsätzen folgen und es müsse eine Rechenschaftspflicht eingeführt werden, so UNESCO-Generalsekretärin Audrey Azoulay. Eine Selbstregulierung der Industrie reiche nicht aus, um Gefahren abzuwenden, die durch die Weiterentwicklung von KI-Systemen drohen.