Bruchstücke des Flugzeugs 2009
AP/Eraldo Peres
Todesflug Rio – Paris

Freispruch für Airbus und Air France

Fast 14 Jahre nach einem Flugzeugabsturz zwischen Rio und Paris mit 228 Toten hat ein französisches Gericht Air France und Airbus freigesprochen. Das Gericht urteilte am Montag, die Unternehmen hätten „Fehler“ begangen. Es sei aber „kein sicherer Kausalzusammenhang“ zwischen diesen Fehlern und dem Absturz festgestellt worden, sagte Richterin Sylvie Dauni in Paris.

Beide Konzerne mussten sich in dem Prozess wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung verantworten. Die Air-France-Maschine des Flugs AF447 war am 1. Juni 2009 auf dem Weg von Rio de Janeiro in Brasilien in die französische Hauptstadt in eine Unwetterfront geraten und von den Radarschirmen verschwunden.

Der Airbus A330 mit 228 Menschen an Bord stürzte in den Atlantik, unter den Opfern war auch eine Österreicherin. Lange war die Ursache unklar. Erst im Mai 2011 wurden die letzten Leichen und der Flugdatenschreiber aus etwa 4.000 Meter Tiefe geborgen. Der Abschlussbericht der Unfalluntersuchung wurde im Juli 2012 publiziert.

Wrackteile des Fluges 447 2009
Reuters/Brazilian Navy
Trümmerteild der abgestürzten Maschine

Reihe von Vorwürfen

Airbus wurde in dem Verfahren vorgehalten, die Folgen eines Ausfalls der Pitot-Sonden für die Geschwindigkeitsmessung unterschätzt zu haben. Diese waren auf dem Flug vereist. Air France soll seine Piloten nicht ausreichend geschult und auf eine Extremsituation wie bei dem Unglücksflug vorbereitet haben, hieß es in der Anklage. Ein Expertengutachten hatte 2012 geurteilt, die Crew sei nach dem Ausfall der Pitot-Sonden mit der Lage überfordert gewesen. Eigentlich sei die Situation beherrschbar gewesen.

Die Daten der Flugschreiber ergaben, dass die Piloten vor allem auf Warnungen vor einem Strömungsabriss an den Tragflächen – im englischen Fliegerjargon „stall“ genannt – falsch reagiert hatten. Das ließ das Passagierflugzeug schnell an Höhe verlieren und schließlich abstürzen. Anders als zu erwarten schwieg die Überziehwarnanlage zwischendurch aber, als eine bestimmte Geschwindigkeit unterschritten wurde, das Flugzeug also längst nicht mehr richtig flog.

Suche nach Wrackteilen des Fluges 447 2009
Reuters/Brazilian Air Force
Die Suche nach Überresten des Flugs AF447 zog sich bis Mai 2011

Staatsanwalt: Keine Schuld nachweisbar

Die Staatsanwaltschaft sagte in ihrem Schlussplädoyer, es werde unklar bleiben, weshalb die Piloten so handelten, wie sie es taten. „Airbus und Air France konnten zu dem Zeitpunkt begründet daran glauben, dass die Ausbildung und Prozeduren hätten reichen müssen, um die Situation bei AF447 zu meistern.“ Es scheine ihnen unmöglich, eine Schuld der Unternehmen nachzuweisen, hieß es von der Staatsanwaltschaft. Man könne keine Verurteilung fordern.

Airbus und Air France, die die Verantwortung für den Absturz von sich wiesen, setzten auf einen Freispruch. Die Verteidigung von Airbus pochte darauf, lediglich auf das Recht zu hören, und bat, eine „menschlich schwierige, aber technisch und juristisch gerechtfertigte Entscheidung“ zu treffen.

Abschlussverhandlung zum Absturz des Fluges 447 in Paris
AP/Michel Euler
Opferanwalt Alain Jakubowicz kritisierte im Vorfeld die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft

„Parodie der Justiz“

Der frühere Generalsekretär der Deutschen Aerospace, Bernd Gans, der bei dem Absturz seine Tochter verlor und bei dem Verfahren einer von rund 500 Nebenklägern war, bezeichnete das aus seiner Sicht absehbare Urteil in einer ersten Reaktion als „Parodie der Justiz“. „Es sind zwei Unternehmen mit Staatsbeteiligung, da darf kein Fleck die Weste der Prestigeunternehmen beschmutzen“, so Gans, der bereits das Plädoyer der Staatsanwaltschaft als einseitig kritisierte. Deutliche Worte kamen auch von Opferanwalt Alain Jakubowicz, dem zufolge es in seiner Karriere erstmals vorgekommen sei, dass ein Staatsanwalt „geradezu ein Plädoyer für den Angeklagten“ gehalten habe.

Für die Hinterbliebenen war das Gerichtsverfahren dennoch ein großer Schritt. Auch Gans sagte, er sei sehr froh, dass es überhaupt zu dem Prozess gekommen war. Denn auf das Unglück war ein jahrelanges juristisches Tauziehen gefolgt. 2019 hatten Ermittlungsrichter ein Verfahren zunächst abgewiesen.

Die Begründung damals: Der Unfall sei auf eine Kombination von Elementen zurückzuführen, die noch nie vorgekommen sei. 2021 schickte ein Berufungsgericht Airbus und Air France dann doch auf die Anklagebank. Unabhängig vom Urteil sagte Gans über den Prozess, dass dieser insgesamt „unheimlich wichtig“ gewesen sei.