Emmanuel Macron
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Neben Topfdeckelprotesten

Macron versucht den Neustart

Trotz monatelangen Widerstands hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Anhebung des Pensionsantrittsalters von 62 auf 64 Jahre am Samstag in Kraft gesetzt. Kurz zuvor hatte der Verfassungsrat die entscheidenden Punkte des Pakets gebilligt. In einer TV-Ansprache am Montagabend wollte Macron die aufgebrachte Bevölkerung beruhigen. Mit der Ansprache starteten aber erneut Proteste – mit Topfdeckeln und Pfannen.

Macrons TV-Ansprache gilt als Auftakt für einen voraussichtlich mühsamen Kampf, wieder das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen. Erwartet wird auch, dass er – wie bereits nach der Gelbwestenkrise 2018/19 – wieder mehr durch das Land reisen wird und Kontakt zur Bevölkerung sucht.

Er habe die Wut der Menschen gehört, meinte Macron in seiner Rede, erneuerte aber die Notwendigkeit dieser Pensionsreform, um für jeden die Pensionen zu garantieren. Erstmals erwähnte er die großen Demonstrationen. Niemand könne „taub bleiben angesichts dieser Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit“.

Ansprache von Macron nach Pensionsreform

In einer TV-Ansprache machte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den Gewerkschaften ein neues Gesprächsangebot. Begleitet wurde seine Rede von erneuten Protesten.

Neues Dialogangebot an Gewerkschaften

Nach Macrons Vorstellung soll in den nächsten 100 Tagen ein kohärenter Plan ausgearbeitet werden, um Frankreich wieder auf die Beine zu bringen. Dazu zählen „grüne“ Industrievorhaben, mehr Sicherheitskräfte auf dem Land, mehr Schulsport sowie ein verstärkter Kampf gegen die illegale Einwanderung. So wie er sich dafür eingesetzt habe, die Pariser Kathedrale Notre-Dame innerhalb von fünf Jahren wieder aufzubauen, werde er sich jetzt um die Nation kümmern, versprach er. Am Nationalfeiertag am 14. Juli wolle er eine erste Bilanz ziehen. Macron: „Vor uns liegen 100 Tage der Beschwichtigung, der Einheit, des Ehrgeizes und des Handelns für Frankreich.“

Er erneuerte zudem das Dialogangebot an die Gewerkschaften, um über bessere Arbeitsbedingungen zu sprechen – für „diejenigen, die bereit sind“: „Die Tür wird offen bleiben.“ Er habe in den Demonstrationen die Ablehnung der Reform gehört, „aber auch den Willen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern“, so Macron. Er bedaure, dass trotz monatelanger Verhandlungen kein Kompromiss gefunden werden konnte. Die Reform sei aber verfassungskonform verabschiedet worden.

„Wir werden nicht auf ihn hören“

Die Gewerkschaften hatten eigentlich erklärt, Gespräche mit der Regierung über andere Themen nicht wieder aufzunehmen, wenn die Pensionsreform nicht rückgängig gemacht wird. Nach der Rede zeigte sich der gemäßigte Chef der größten Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger, ernüchtert, die Rede habe nichts Konkretes enthalten. Die Rede habe nicht die Wut der Menschen im Land angesprochen: „Da ist einfach eine Art Leere, sie enthält nichts, wir haben etwas anderes erwartet.“ Er gestand aber zumindest zu, dass die Gewerkschaft irgendwann wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren werden könnte – aber nicht vor dem 1. Mai.

Menschen klopfen bei Protest in Paris auf Kochtöpfe
AP/Thibault Camus
Die Gewerkschaften riefen zu Protesten mit Topfdeckeln und Pfannen auf

Fraglich ist, ob Macrons Anliegen gehört wurden. Begleitet wurde seine Ansprache Montagabend von Protesten mit Topfdeckeln und Pfannen, vor Rathäusern und Präfekturen, zu denen die Gewerkschaften aufgerufen hatten. Protestiert wurde mit dem Slogan: „Macron hört nicht auf uns? Wir werden nicht auf ihn hören!“ Dem Aufruf der Organisation Attac zu dem Protest an diesem Montagabend schloss sich die Linkspartei in Frankreich an.

Seit Jänner hatten die Gewerkschaften an zwölf Tagen zu landesweiten Streiks und Demonstrationen mit Millionen von Teilnehmern und Teilnehmerinnen aufgerufen. Für den 1. Mai riefen die bisher zerstrittenen Gewerkschaften gemeinsam zu einem erneuten Massenprotest auf. Ein Dialogangebot Macrons hatten die Gewerkschaften bisher strikt abgelehnt.

Primosch (ORF) zu Macrons Rede

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch spricht über die Rede des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur Anhebung des Pensionsantrittsalters.

Le Pen profitiert

Aktuellen Umfragen zufolge liegt Macron derzeit bei einer Zustimmung von 28 Prozent – der tiefste Stand seit der Gelbwestenkrise 2018/19. Auch im Parlament ist Macrons Regierung geschwächt. Sein Lager verlor bei den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr die absolute Mehrheit. Er muss jetzt neue Allianzen bilden. Am meisten profitiere der rechtspopulistische Rassemblement National (Dt.: Nationale Sammlungsbewegung) mit Marine Le Pen, so der Meinungsforscher Brice Teinturier. Sie erreiche inzwischen eine Zustimmung von 39 Prozent.

Marine Le Pen
APA/AFP/Anne-Christine Poujoulat
Die Zustimmungsraten für die rechtspopulistische Le Pen steigen

Dabei habe Le Pen nichts weiter getan, als abzuwarten und sich in ihrer Ablehnung der Reform weniger radikal zu zeigen als die linkspopulistische Partei La France Insoumise (LFI). Le Pen verglich Macron mit einem „Brandstifter“, der die Demokratie beschädige. Sie kündigte bereits an, die Reform zurückzunehmen, sollte sie an die Macht kommen.