Rauchsäule über Flughafen von Khartum
Reuters/Abdullah Abdel Moneim
Kämpfe im Sudan

Über 180 Zivilisten laut UNO getötet

Bei den Kämpfen zwischen der sudanesischen Armee und paramilitärischen Kräften sind in den vergangenen drei Tagen 185 Zivilisten getötet und mehr als 1.800 verletzt worden. Das teilte der UNO-Vermittler Volker Perthes am Montag mit. Die Spitäler kämpfen mit der hohen Zahl der Verwundeten und werden auch selbst beschossen. Die Residenz des EU-Botschafters wurde ebenso angegriffen wie ein Konvoi der US-Botschaft.

Das Ärztekomitee des Landes forderte die Konfliktparteien auf, ihre „ständigen Angriffe“ auf Krankenhäuser, Krankenwagen und medizinisches Personal einzustellen. Das erschwere die medizinische Versorgung der Bevölkerung zusätzlich. Viele Kliniken hätten zudem weder Trinkwasser noch Nahrungsmittel.

Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen meldete aus Norddafur, dass viele Menschen, auch medizinisches Personal, eingeschlossen seien. Unter den von den Kämpfen getroffenen Personen gebe es auch viele Kinder. Es fehle an Medikamenten und Blutkonserven. Auch in Khartum seien die meisten Teams der Organisation aufgrund der anhaltenden Kämpfe eingeschlossen und können nicht zu den Lagerhäusern fahren, um Nachschub zu holen.

In Khartum gibt es laut Perthes weiterhin heftige Gefechte auf den meisten Brücken, um den internationalen Flughafen und das Hauptquartier des Militärs. Auch in der Region Darfur werde gekämpft. Unklar blieb, wer bei den Kämpfen die Oberhand hatte. Die Lage ist auch angesichts widersprüchlicher Angaben beider Konfliktparteien – der Armee unter dem Kommando von Abdel Fattah al-Burhan und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) – unübersichtlich.

Kämpfe im Sudan: Fast 200 Tote

Der Machtkampf zwischen der Armee und paramilitärischen Kräften im Sudan geht weiter. Nach Angaben der UNO wurden in den letzten drei Tagen mindestens 185 Menschen getötet, über 1.800 wurden verletzt.

Machtkampf eskalierte am Wochenende

Am Samstag eskalierte der seit Langem schwelende Machtkampf zwischen den beiden Gruppen. Armeechef al-Burhan ordnete inzwischen die Auflösung der Miliz RSF an. Im Einsatz sind Artillerie, Panzer und Kampfflugzeuge. Die Armee fliegt Luftangriffe auf Stellungen der RSF. Anwohner und Beobachter aus Khartum berichteten über das Wochenende in sozialen Netzwerken, RSF-Kämpfer hätten auch in Wohnhäusern Stellung bezogen.

RSF-Anführer Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, forderte internationale Unterstützung. General al-Burhan sei „ein radikaler Islamist, der Zivilisten aus der Luft bombardiert“. Islamistische Kräfte gehörten zu den Unterstützern des 2019 gestürzten Langzeitherrschers Omar al-Baschir, die weiterhin eine Rolle in der Armee spielen. Die RSF-Miliz hatte die aktuellen Kämpfe begonnen, ist aber nicht zuletzt aufgrund der Luftangriffe offenbar schwer unter Druck der Armee. Hemeti und seiner Einheit wurden in der Vergangenheit im Konflikt in der Region Darfur schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen.

Satellitenbild zeigt Rauchsäule über Flughafen Khartum
Reuters/Maxar Technologies
Auch der Flughafen in der Hauptstadt Khartum war von den Kämpfen betroffen

Humanitäre Lage „katastrophal“

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres, verurteilte die Angriffe und forderte, dass die Verantwortlichen unverzüglich zur Rechenschaft gezogen werden sollten: „Die anhaltenden Zusammenstöße im Sudan haben zum Tod und zu Verletzungen von Zivilisten geführt.“ Die humanitäre Lage im Sudan sei schon vorher prekär gewesen und „jetzt katastrophal“.

„Das Wiederaufflammen der Kämpfe verschärft nicht nur eine bereits fragile Situation, sondern zwingt die UNO-Organisationen und unsere humanitären Partner auch dazu, viele unserer mehr als 250 Programme im Sudan vorübergehend einzustellen“, erklärte der UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths.

Die USA und andere Staaten verurteilten die Gewalt und forderten eine Waffenruhe. Drei ostafrikanische Präsidenten kündigten an, als Vermittler in den Sudan reisen zu wollen: Kenias Präsident William Ruto, Südsudans Präsident Salva Kiir und Dschibutis Präsident Ismail Omar Guelleh.

Internationale Vertreter unter Beschuss

Die EU bemüht sich um Einfluss auf die Konfliktparteien und arbeitet daran, beide Seiten davon zu überzeugen, eine humanitäre Feuerpause in Erwägung zu ziehen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell Montagabend. Zudem teilte er via Twitter mit, dass der EU-Botschafter im Sudan in seiner eigenen Residenz angegriffen worden sei. Das stelle einen „groben Verstoß gegen das Wiener Übereinkommen dar“.

Dienstagfrüh teilte US-Außenminister Antony Blinken mit, dass auch ein Autokonvoi der US-Botschaft – mit US-Flaggen an den Autos – unter Beschuss genommen wurde. Blinken warnte beide Seiten eindringlich vor einer Wiederholung und zeigte sich generell besorgt über die Sicherheitslage.

Bemühungen um Waffenruhe

Perthes kündigte für Dienstag neue Versuche an, eine belastbare Waffenruhe auszuhandeln. In Gesprächen gaben sich demnach beide Seiten gegenseitig die Schuld an der Eskalation. Al-Burhan und Hemeti stehen nach Einschätzung des deutschen Vermittlers unter großem Stress, zeigten sich aber offen für Gespräche mit den Vereinten Nationen und anderen internationalen Akteuren.

Maximilian (ORF) zum Sudan-Konflikt

Die ZIB-Korrespondentin für Afrika, Margit Maximilian (ORF), spricht über die verschärfte Lage und den Konflikt im Sudan.

Der Sender Sky News berichtete etwa, al-Burhan habe in einem Telefoninterview am Montag Gesprächsbereitschaft signalisiert. „Jeder Krieg endet in Verhandlungen, auch wenn der Gegner besiegt ist“, sagte er demnach. Die Armee werde siegen – „definitiv, so Gott will“.

Streit über Eingliederung der Miliz in Armee

Ausgelöst wurde der jüngste Konflikt laut Beobachtern am Samstag durch einen Streit über die Integration der RSF in das Militär als Teil des Übergangs zu einer zivilen Regierung. In dem von schweren Wirtschaftsproblemen gebeutelten Sudan hatten Massenproteste 2019 zum Sturz des jahrzehntelangen Herrschers al-Baschir geführt. Daran waren die Armee und die RSF beteiligt.

Militär und zivile Gruppen einigten sich damals auf eine Übergangsregierung. Im Oktober 2021 kam es aber zu einem Putsch, bei dem das Militär die Macht vollständig übernahm. Seitdem wurde bei Protesten immer wieder der Rückzug des Militärs aus der Politik gefordert. RSF-Chef Hemeti hatte sich zuletzt an die Spitze einer Bewegung gestellt, die das Land nach eigenen Angaben in die Demokratie führen will.

Die RSF setzt sich großteils aus Kämpfern der Dschandschawid-Milizen zusammen. Diese kämpften – im Auftrag der sudanesischen Regierung – im Krieg in der Region Darfur und waren dort für zahlreiche Verbrechen verantwortlich, die laut Human Rights Watch den Tatbestand von Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfüllen.